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SozialbetrugÜber Nacht verschwunden

Seit drei Jahren wohnen 400 Rumänen in Parey. Plötzlich ist die Hälfte von ihnen wieder verschwunden.

Von Falk Heidel 10.08.2017, 01:01

Parey/Magdeburg l „Uns bleibt nur noch die Hoffnung, dass diese Leute bald wieder verschwinden.“ Dieser eine Satz von Elbe-Pareys Bürgermeisterin Nicole Golz beschreibt das kulturelle Dilemma eines Dorfes im Jerichower Land. Aktuell ermitteln die Behörden dort wegen Sozialbetrugs gegen etliche rumänische Familien, die in dem 2400-Seelen-Ort einen unsanierten Beton-Plattenbau aus den 70er Jahren bewohnen.

Aktuell hausen in diesem Block 200 Menschen, vor einigen Wochen waren es noch 400. Die wenigsten melden sich bei den Börden ab: „Daher ist es schwierig, immer einen aktuellen Stand zu nennen“, sagt Landrat Steffen Burchhardt (SPD). Marco Gravert vom Jobcenter im Jerichower Land spricht von 50 bis 60 Familien, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen: „Nicht jeder Antrag ist illegal“, sagt der Behördenleiter. Dennoch spricht er von einigen Fällen, „bei denen wir Missbrauch vermuten“. Eine interne Ermittlungsgruppe hat jetzt Beweise zusammengetragen, die aus Sicht von Gravert ausreichen, um Ende August Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten.

Pareys Bürgermeisterin Golz vermutet, dass diese Ermittlungen der Anlass für den hastigen Umzug der Rumänen sind: „Nach unseren Recherchen sind einige Familien in Gommern aufgetaucht, andere in Magdeburg-Neustadt.“ Eine Nachbarin sagt: „Sie kommen in der Nacht und verschwinden in der Nacht.“

Eine länderübergreifende Koordination zu den Rumänen gibt es nicht. Daher sind Gemeinden, Polizei und Ausländerbehörden des jeweiligen Landkreises selbständig auf Spurensuche. Landrat Burchhardt zufolge wird es in der nächsten Woche Gespräche auf Landesebene geben.

Bei den Rumänen handelt es sich zum größten Teil um Roma. Sie leben hier nicht wie Flüchtlinge, sondern mit allen Rechten eines EU-Bürgers. Laut Gravert arbeiten die meisten Männer aus dem Pareyer Wohnblock in Berlin. Sie schuften für sehr wenig Geld auf dem Bau oder in der Gebäudereinigung – und stocken an ihren Wohnorten ihr Einkommen mit Hartz IV auf. Die Frauen bleiben daheim. Fünf Kinder pro Familie sind eher die Regel als die Ausnahme. Eigentümer des maroden Pareyer Wohnblocks ist ein Grieche, der laut Volksstimme-Informationen in Berlin auch Firmen betreibt, bei denen die Rumänen arbeiten.

Vor drei Jahren sind die Rumänen in Parey aufgetaucht, nachdem der griechische Besitzer monatelang vergeblich versucht hatte, Mieter für die heruntergekommenen Wohnungen zu finden. Danach gab es ständig Auseinandersetzungen zwischen den „neuen Bürgern“, wie sie im Ort genannt werden, und den Einheimischen. Bei der Gemeindeverwaltung türmten sich Beschwerden wegen Dreck, Lärm und Diebstahl: „Wir haben uns monatelang bemüht, diese Menschen zu integrieren. Wir haben ihnen unter anderem Jugendklub und Sportplatz geöffnet. Immer wieder haben wir gespürt, dass sie nicht integriert werden möchten.“ Ähnlich berichtete es kürzlich Sekundarschulleiterin Anita Krüger: „Viele Schüler akzeptieren unsere Kultur und unsere Werte nicht. Zudem ist den meisten von ihnen unsere Sprache unbekannt.“ Der Volksstimme ist es nicht gelungen, mit einem Bewohner zu sprechen.

Deshalb setzt Bürgermeisterin Golz auf den Trend, dass noch mehr Leute wegziehen: „Das ist unsere große Hoffnung.“