Die Stadt bindet eine private Firma in Radarkontrollen ein Staßfurts Kampf gegen Raser: Blitzidee stößt auf Bedenken
Staßfurt l Die Stadt Staßfurt (Salzlandkreis) sagt Rasern den Kampf an. Allerdings: Beim Blitzen soll ein privates Unternehmen helfen. Das ist nach bisherigen Erkenntnissen ein Novum in Sachsen-Anhalt. Der ADAC protestiert.
Worum geht es genau? Die Stadt will die kommunale Verkehrsüberwachung selbst in die Hand nehmen. Oberbürgermeister René Zok (parteilos) sagt: "Die Landespolizei ist durch die Absenkung ihres Personalbestandes dazu kaum noch in der Lage, und der Landkreis hat diese freiwillige Aufgabe Ende 2010 aus Kostengründen eingestellt." Es gebe aber viele Unbelehrbare, die die vorgegebene Geschwindigkeit nicht einhielten. Viele Bürger ärgere dies, sie hätten die Stadtväter zum Handeln aufgefordert.
Der Oberbürgermeister hat sich bei Radarkontrollen zur Zusammenarbeit mit einem privaten Unternehmen entschlossen. Eine halbjährige Testzeit ist bereits abgeschlossen. Jetzt wird eine Ausschreibung für den Dauerbetrieb vorbereitet.
Vorteil für die Stadt: Die private Firma stellt Auto, Blitztechnik und Software bereit. Hätte die Stadt das selbst anschaffen müssen, wäre laut Zok eine Summe von 95000 Euro fällig gewesen.
Die Privatfirma wird im Gegenzug mit einer Art Erfolgsprämie belohnt. Zok formuliert das so: "Vertraglich geregelt ist die Bezahlung nach verwertbaren Falldatensätzen pro Falldatensatz." Das heißt im Klartext: Je mehr Blitzer erwischt werden, desto höhere Einnahmen erzielt die Privatfirma.
Der ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt hält das für "fragwürdig". Sprecher Jörg Fiene sagt: "Für den privaten Unternehmer lohnt es sich erst, wenn möglichst viele Raser erwischt werden. Das birgt die Gefahr der Willkür und ist für uns nicht nachvollziehbar."
Bedenken gegen ein privates Unternehmen
Ex-Innenminister Manfred Püchel (SPD) hält es "für bedenklich, private Unternehmen einzubeziehen". Er hatte 1998 Kreisen und Städten über 25000 Einwohner die Möglichkeit eingeräumt, den fließenden Verkehr zu überwachen. Ihm sei es damals darum gegangen, Raser vor sensiblen Punkten wie Kindertagesstätten, Schulen und Seniorenheimen in die Schranken zu weisen. Püchel: "Ein privates Unternehmen muss immer daran interessiert sein, Gewinn zu erzielen. Das geht hier nicht."
Dem ADAC und auch dem Städte- und Gemeindebund sind vergleichbare Fälle in Sachsen-Anhalt bislang nicht bekannt. ADAC-Sprecher Fiene: "Es scheint sich um ein neues Modell zu handeln."
Wird das Blitzerauto künftig also nur dort platziert, wo die Kasse am schnellsten gefüllt wird? Oberbürgermeister Zok ist bemüht, mögliche Abzocker-Vorwürfe von vornherein zu entkräften. Er sagt: "Es werden, verteilt über das Stadtgebiet, zirka 60 Messstellen in loser Rotation bedient. Da ist die Gefahr, nur zu blitzen, wo es sich auch finanziell lohnt, sehr gering." Und: "Bei einer richtigen kaufmännischen Kostenberechnung ist das Blitzen für uns nicht wirtschaftlich."
Zok hält die kommunale Verkehrsüberwachung dennoch für nötig. "Gerade die Testphase hat gezeigt, dass seitens der Kommune Handlungsbedarf besteht, um die Verkehrssicherheit und den Schutz vor Gefahren für Leib und Leben der Einwohner zu gewährleisten", sagt er.
In Staßfurt war vom 1. September 2010 bis Ende Februar dieses Jahres eine Testphase gelaufen. In diesem halben Jahr rauschten exakt 2432 Raser in die Radarfalle.Dadurch wurden 42000 Euro Verwarn- und Bußgelder eingenommen. Davon gingen ganz genau 34702 Euro an das private Unternehmen. Seite 5