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Straßenbau Gemeinsam gegen Zwangsabgabe

Gemeinsam gegen Gebühren bei Straßensanierungen - nach dem Motto haben sich Bürgerinitiativen in Sachsen-Anhalt zusammengetan.

Von Jens Schmidt 21.10.2019, 01:01

Magdeburg l Um den Druck auf die Politik zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu erhöhen, haben in Sachsen-Anhalt zehn Bürgerinitiativen ihre Kräfte gebündelt. Am Samstag gründeten sie bei einer Veranstaltung in Magdeburg eine landesweite Allianz. „Wir können nur gemeinsam etwas erreichen“, betonte der Vize-Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Lothar Blaschke.

Wird eine Gemeindestraße in Sachsen-Anhalt gründlich erneuert, müssen die Anlieger 60 bis 75 Prozent der Kosten übernehmen. Schnell kommen für ein Hauseigentümer zwischen 5000 und 15.000 Euro zusammen. Bei Firmen können auch schnell Kosten von mehr als 50 000 Euro auflaufen.

In Sachsen-Anhalt stecken die Verhandlungen fest. SPD und Grüne wollen die Zwangsabgabe komplett abschaffen; die CDU lehnt das ab. Eine Lösung ist nicht in Sicht, zumal das Land erhebliche Probleme hat, einen ausbalancierten Haushalt für 2020/21 aufzustellen.

Die SPD hält dennoch an ihrer Forderung fest. Sie schätzt die Kosten auf 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr. „Diese Summe lässt sich in einem 12-Milliarden-Euro-Etat immer finden“, sagte Innenpolitiker Rüdiger Erben. Auch der Bund der Steuerzahler und der Verband Haus und Grund fordern das Ende der Zwangsbeiträge, zumal die Verwaltungskosten sehr hoch sind. Zwischen 30 und 50 Prozent der gemeindlichen Einnahmen gehen nach Angaben der Verbände dafür drauf, die Beiträge einzutreiben.

Den politischen Impuls für ein Ende der Abgabe kam zuerst von den Freien Wählern. Dem schlossen sich dann Linke und AfD an. Das Regierungslager zeigt sich gespalten. Die CDU hatte lediglich vorgeschlagen, sozial schwache Haushalte zu entlasten. Doch auch in der Union gehen die Ansichten weit auseiannder. Manche können sich vorstellen, es den Gemeinden zu überlassen, ob sie kassieren oder nicht. Diese Kann-Regel gilt derzeit in sieben Bundesländern. Allerdings zeigt die Rechtssprechung etwa in Sachsen, dass dies nur in leistungsfähigen Gemeinden möglich ist. SPD und Grüne halten die Kann-Regel in Sachsen-Anhalt daher für unggeignet.

Die Linke hat bereits einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der in den Ausschüssen schmort. Die Oppositionsfraktion will, dass die Landeskasse den Gemeinden jährlich ein Budget für den Straßenausabu zur Verfügung stellt, um ihnen die Einnahmen-Ausfälle zu ersetzen. Die Linke geht von knapp 30 Millionen Euro aus. Bislang werden im Mittel 10 bis 15 Millionen Euro Anliegerbeiträge jährlich eingenommen. Ist der Ausbau für die Anlieger gratis, ist aber ein verstäkter Straßenausbau zu erwarten.

Auch an der CDU-Basis mehren sich Stimmen für eien Abschaffung. So in den Stadträten in Haldensleben, Tangermünde, Osterburg, Halle und Magdeburg. Magdeburgs Fraktionschef Wigbert Schwenke sagte hingegen: „Wir können doch keinem mehr erklären, dass alle anderen Länder um uns herum die Beiträge abschaffen und wir nicht.“

Nur noch zwei von 16 Bundeslänern halten am Beitragszwang fest: Sachsen-Anhalt udn Nordrhein-Westfalen. In sieben Länder gibt es diese Beiträge nicht. Zuletzt schaffte sie der Landtag in Thüringen am 12. September ab. Die Regieriungsfraktionen Linke, SPD und nd Gründe sowie die AfD-Opposition stimmten dafür. Die CDU enthielt sich.

Zuvor hatte im Juni auch Mecklenburg-Vorpommern die Kassierpflicht beendet. Zum Teil rückwirkend: Für alle ab dem 1. Januar 2018 begonnen Ausbauten werden keine Rechnungen mehr an die Anlieger verschickt. Dort stimmte die CDU zu - die als kleinerer Partner zusammen mit der SPD regiert. Das Land ersetzt den Gemeinden die fehlenden Einnahmen. Dort wurde jedoch zugleich die Grunderwerbssteuer von 5 auf 6 Prozent erhöht, um die Wohltat gegenzufinanzieren. Dieses Modell hatten auch Sachsen-Anhalts Grüne vorgeschlagen. Steuer hoch - Abgabe weg. Doch das lehnten hier die Koalitionspartner CDU und SPD ab. Auch ein jüngster Vorstoß der Landesregierung, die Steuer zu erhöhen, um die wachsenden Landesausgaben zu schultern, wurde von CDU und SPD mit Verweis auf den Koalitionsvertrag vom Tisch gewischt. Der 2016 geschlossene Vertrag schließt eine Erhöhung dieser Steuer ausdrücklich aus.

Gratis ist es auch für Anlieger in Baden-Württemberg; dort waren die Gemeinden nie verpflichtet, diese Abgabe zu erheben. Als erstes abgschafft wurden die Zwangsbeiträge 2012 in Berlin. Dann folgten Hamburg, Bayern und Brandenburg.

Im Brandenburg aber wurde das Vorhaben nicht gut umgesetzt. Das Gesetz hat große Lücken. Land und Gemeinden streiten sich ums Geld. Die Landeskasse hat dafür pro Jahr 40 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Nicht kalkuliert wurden aber Straßenlampen sowie Geh- und Radwege an Kreisstraßen. Für die müssen Anlieger auch bezahlen. Nun ist unklar, ob die Gemeinden dafür Rechnungen verschicken dürfen oder nicht.