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Straßenverkehr Das sagt Sachsen-Anhalt zu Tempo 30

Die Koalitionsfraktionen in Sachsen-Anhalt wollen den Schutz der Radfahrer im Straßenverkehr verbessern. Aber wie?

17.01.2020, 23:01

Magdeburg (dpa/vs) l Eine Radfahrerin will an einem Nachmittag Anfang Januar eine Kreuzung in Berlin-Kreuzberg überqueren. Ein rechtsabbiegender Lastwagen erfasst die 68-Jährige, überrollt sie. Die Frau stirbt. Am Freitag debattierten Politiker nur wenige Kilometer vom Unfallort entfernt im Bundestag über derartige Unfälle. Sie wollen sie in Zukunft möglichst verhindern – auch, um mehr Radler auf die Straße zu bringen. Zum Beispiel mit einer Beschränkung der Geschwindigkeit innerorts – auf 30 Kilometer in der Stunde.

In einem im Bundestag angenommenen Antrag wird die Bundesregierung zu Nachbesserungen aufgefordert. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) plant mit einer Reform der Straßenverkehrsordnung Verbesserungen für Radfahrer – das reicht den Fraktionen aber nicht aus: „Das geht noch besser“, sagte der SPD-Verkehrspolitiker Mathias Stein.

Der CSU-Verkehrspolitiker Alois Rainer sagte: „Wir brauchen uns nichts vormachen – die Mobilität in unserem Land wird sich ändern.“ In den Städten sei das Fahrrad meist das flotteste Fortbewegungsmittel. Nach dem Willen der Fraktionen soll unter anderem getestet werden, wie der Verkehr aussehen würde, wenn innerorts generell nur noch Tempo 30 erlaubt wäre und Tempo 50 auf Hauptverkehrsstraßen eigens angeordnet werden müsste.

Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hält nichts von einem generellen Tempo 30: „Wozu sollen wir eigentlich überall Radwege ausbauen? Vielleicht sollten die Kollegen im Bundestag mal mit Experten eine Gesamtkonzeption erarbeiten, als ständig neue ,Säue durchs Dorf zu jagen‘.“

Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) steht dem Thema aufgeschlossen gegenüber: „Ich wäre auf die Ergebnisse einer Testphase gespannt.“ Für ihn steht fest: Eine geringere Geschwindigkeit ist immer gut, denn diese bedeutet eine geringere Gefährdung.

Die Verwaltung in Burg (Jerichower Land) hat eine klare Meinung zu dem Thema: „Einem generellen Tempo 30 stehen wir sehr skeptisch gegenüber“, sagt Stadtsprecher Bernhard Ruth. Es gebe einen Anteil an Fernstraßen, die das Stadtgebiet tangieren, da werde bei Tempo 30 eher mit stockendem als flüssigem Verkehr gerechnet. In der Innenstadt sehe das anders aus, „dort haben wir weite Teile schon auf Tempo 30 begrenzt“.

Auch Genthins Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) sieht eine innerörtliche Tempo-30-Regelung derzeit nicht als Option für die Stadt. Seiner Meinung nach solle es Tempobeschränkungen etwa vor Schulen und Kindergärten geben, aber nicht vom Ortseingangs- bis zum Ortsausgangsschild. „Autofahrer sind Tempo 50 gewöhnt, [...] die immer stärker verbesserte Fahrzeugtechnik macht das Autofahren auch bei 50 km/h sicher.“

Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schuhmacher (SPD) hält nichts von einem generellen Tempolimit in Innenstädten. „In reinen Wohngebieten, vor Kitas und Krankenhäusern ist das sicher sinnvoll“, sagt sie. „Im normalen Durchgangsverkehr nicht.“ Sie kann sich nicht vorstellen, dass Tempo 30 zum Beispiel auf den großen innerörtlichen Bundesstraßen in Gardelegen mehr Sicherheit bringt. Persönlich sinnvoll findet Schuhmacher die geplante Abstandsregelung beim Überholen von Radfahrern.

„Haldensleben hat ja bereits eine ausgedehnte Tempo-30-Zone, die sich auch bewährt hat. Es gibt keinen Anlass, dies zu ändern“, sagt Andrea Schulz, zuständige Dezernentin. Ähnliches teilt der Oschersleber Bürgermeister Benjamin Kanngießer mit: „Wir haben außerhalb der Großstraßen schon einige 30er-Zonen, wie zum Beispiel an Schulen. Wenn der Straßenbau, in Bezug auf Sicherheit und Breite, es zulässt, dass 50 km/h gefahren werden können, dann sehe ich keine Notwendigkeit für eine Einrichtung einer 30er Zone.“

Flechtingens Bürgermeister Tim Krümmling wünscht sich mehr 30er-Zonen im Ort, vor allem in Nebenstraßen, in denen Seniorenheime, Kindergärten oder Schulen sind. Doch: „Es ist nicht richtig gewollt vom Land, denn es kommt meist ‚im Gesetz steht aber…‘. Ich wünsche mir wenigstens mehr Fußgängerüberwege“, so Krümmling.

Auch im Harz bewegt das Thema die Gemüter. „In Wernigerode haben wir die besondere Situation, dass es schon viele Tempo-30-Zonen gibt. Grundsätzlich begrüßen wir den Vorstoß des Verkehrsministers“, sagt Tobias Kascha, Büroleiter des Oberbürgermeisters Peter Gaffert (parteilos) in Wernigerode, mit Blick auf die eng bebauten Straßen im Ort.

Halberstadt hingegen ist dagegen, da die Regelung nicht umweltfreundlich sei, so Ralf Fleischhauer, Ordnungsabteilungsleiter in Halberstadt. „Man benötigt mehr Sprit bei doppelter Zeit. Außerdem sehe ich die Sicherheitsrelevanz nicht. Die Fahrradfahrer halten sich so gut wie nie an die Straßenverkehrsordnung.“

Der Oberbürgermeister in Quedlinburg unterstützt die Initiative. Sie habe eine positive Entwicklung für das ausgewogene Miteinander der Verkehrsteilnehmer, wie Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) über seine Stadtsprecherin Sabina Bahß mitteilen lässt.