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Tongrube Vehlitz Illeagle Müllentsorgung aus Gewinnsucht

Der Müll-Skandal um die Tongrube Vehlitz ist einer der größten Sachsen-Anhalts. Der Vorwurf an die den Angeklagten: Gewinnsucht.

06.03.2017, 11:49

Stendal (dpa) l  Gewinnsucht ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft das Motiv für tonnenweise illegal entsorgten Müll in Tongruben im Jerichower Land. Allein die beiden Hauptangeklagten, Entscheidungsträger eines Entsorgungsunternehmens, hätten dadurch rund 74 Millionen Euro gespart und mindestens 18 Millionen Euro Gewinn gemacht. Dabei sei den Männern klar gewesen, dass der Abfall schwere Umweltschäden verursacht, hieß es in der am Montag vor dem Landgericht Stendal verlesenen Anklage.

Im zweiten großen Prozess um illegale Müllentsorgung in Tongruben stehen neben den beiden Hauptangeklagten weitere fünf Männer wegen Beihilfe vor Gericht. Es geht um rund 900 000 Tonnen Müll, der zwischen 2005 und 2008 ohne Genehmigung in die Tongrube Vehlitz gebracht wurde – einer der größten Müll-Skandale Sachsen-Anhalts.

Die Verlesung der gut 50-seitigen Anklageschrift zog sich über mehrere Stunden hin. Weil ein Hauptangeklagter schlecht hört, kamen Schriftdolmetscher zum Einsatz. Sie mussten alle Fragen und Anmerkungen des Richters und anderer Prozessbeteiligter aufschreiben, der 61-Jährige konnte auf einem Computer mitlesen. Immer wieder wurde das Vorlesen der Anklage unterbrochen.

In der Tongrube hätten nach einem Sonderbetriebsplan nur Abfälle aus überwiegend mineralischen Stoffen entsorgt werden dürfen. Vorgesehen war vor allem Müll von Baustellen aus Sand und Steinen. Stattdessen war überwiegend organischer Abfall verklappt worden – sogenannter hausmüllartiger Gewerbeabfall wie etwa auch Kunststoffe. Das Problem: Bei der Lagerung dieser Stoffe bildeten sich durch chemische Prozesse Gifte wie Schwefelwasserstoff, Methan oder Kohlendioxid. Durch eindringendes Regenwasser wurden die Gifte in Boden und Gewässer gespült. Die Methankonzentration sei sogar explosionsfähig gewesen, hieß es in der Anklage.

Die Angeklagten wollten damit aus Sicht der Staatsanwaltschaft vor allem Geld sparen. Wegen neuer Gesetze hätte der Abfall in Verbrennungsanlagen entsorgt werden müssen. Die Kosten pro Tonne Abfall wären dadurch erheblich gestiegen. Durch die illegale Ablagerung in der Deponie habe das Unternehmen die Entsorgung deutlich billiger anbieten können.

Dabei gab es offenbar auch einen guten Draht zu den Behörden. Vor jeder Kontrolle sei der Abfall in der Tongrube mit einer Schicht von mineralischem Müll überdeckt worden – die Kontrolleure konnten so nicht sehen, was eigentlich entsorgt wurde.

Die Sanierungskosten für die Tongrube Vehlitz belaufen sich den Angaben zufolge auf mindestens 19 Millionen Euro. Nötig sind etwa Trennschichten und Oberflächenversieglungen, um den Austritt von giftigem Wasser zu verhindern. Den Müll wieder aus der Tongrube herauszuholen wurde wegen zu hoher Kosten verworfen: laut Anklage wären dafür mehr als 100 Millionen Euro nötig. Auch so sind Nachsorgemaßnahmen teils bis nach 2030 erforderlich.

Sechs der sieben Angeklagten stehen bereits in einem weiteren Prozess vor Gericht. Seit Ende 2015 wird wegen ähnlicher Vorgänge in der Tongrube Möckern verhandelt. Hier geht es um 170.000 Tonnen Abfälle. Den Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen.