1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Feuer und Flamme

Übung Feuer und Flamme

An einer Drei-Meter-Flamme üben Feuerwehrleute aus der Börde den Ernstfall.

Von Martin Rieß 16.05.2016, 02:00

Eilsleben l Wer unbedacht diese Metalltür berührt, verbrennt sich die Finger. Mehr als zwei Meter lange Flammen schlagen auf der anderen Seite fauchend aus einem Ventil an einem großen Tank auf den Durchgang. Innerhalb weniger Minuten hat sich eine Rußschicht über das Metall gelegt. Selbst wer hitzeabweisende Handschuhe trägt und die Türklinke öffnen kann, wird kaum Freude an diesem Erfolg haben: Glühende Hitze schlägt hier jedem um die Ohren, der vorbeimöchte.

Oder der hier vorbeimuss. Denn um dem Feuer die Nahrung zu entziehen, muss das Ventil geschlossen werden. Und daher müssen die Feuerwehrleute durch die Tür unter Vollfeuer hindurch.

Im Gewerbegebiet von Eilsleben nähern sich zwei Feuerwehrleute vorsichtig der Metallkonstruktion. Einer kühlt mit dem sogenannten Hohlstrahl die Tür, der andere öffnet sie. Nach kurzer Zeit ist die meterlange Flamme soweit gebändigt, dass einer der beiden das Ventil mit dem Handrad zuschrauben könnte.

Doch wie von Zauberhand erlischt die Flamme. Markus Konermann hat mit einer Fernbedienung die Flammen gelöscht. Das ist für ihn kein Problem, da Tank und Ventil zu einer mobilen Übungsanlage gehören. Der Trainer ist heute vom Stammsitz der PEP GmbH mit der „Safety & Fire Academy“ in Nordrhein-Westfalen in die Magdeburger Börde gekommen, um bei den Frauen und Männern der freiwilligen Feuerwehren der Verbandsgemeinde Obere Aller im Westen des Landkreises Börde das Wissen über das Löschen von Bränden an Gefahrguttransportern neu zu entfachen.

Wie bei fast allen anderen Feuerwehrleuten unterbricht er die Übung zwischendurch, um auf Fehler hinzuweisen: „Die Kommunikation zwischen euch beiden stimmt noch nicht. Ihr standet da noch nicht richtig“, ruft er den beiden zu.

Schon hinter sich gebracht hat die Übung Karsten Förster aus Ummendorf. Seit 1993 ist der bei der freiwilligen Feuerwehr nur wenige Kilometer vor den Toren Eilslebens und sagt: „Eine solche Schulung ist für uns alle sehr wertvoll.“ Das hat mehrere Gründe. „Ein ganz wichtiger ist, dass wir hier im Unterschied zur Übung im Brandcontainer sofort unterbrochen werden und noch einmal von vorn beginnen können“, sagt der Feuerwehrmann. Zudem: Wann kann ein Feuerwehrmann schon einmal unter Vollfeuer üben?

„Viel zu selten“, meint auch Markus Konermann. Er weiß, wovon er spricht, hatte er doch in seiner Zeit als Feuerwehrmann und zuletzt in der Position als Oberbrandrat in Berlin selbst wahrhaft brenzlige Situationen meistern können. Er sagt: „Viele Feuerwehrleute haben unzählige Male geübt, wie man ein Unfallfahrzeug aufschneidet, um eine verletzte Person zu befreien. Was aber den Einsatz bei großen Bränden angeht, ist die Ausbildung oft sehr viel weniger intensiv. Das ist bedauerlich, weil gerade bei einem Brand die Gefahren viel größer sind – für weitere Menschen und Güter, aber eben auch für die Einsatzkräfte selber.“

Selbst wenn für Unkundige die ländliche Idylle der Börde auf den ersten Blick nicht als Gefahrenzone für Großbrände mit meterlangen Flammen aus Ventilen erscheinen mag – abwegig ist das Einsatzszenario keineswegs. Den Einsatz während der Übung leitet Johannes Erben von der Freiwilligen Feuerwehr Eilsleben. Er sagt: „Wenn eine Biogasanlage in Brand gerät, könnte durchaus eine solche Situation entstehen.“

Zudem ist seine Feuerwehr für einen Teil der Eisenbahnstrecke zwischen Magdeburg und Braunschweig zuständig. Was, wenn hier einmal ein Güterzug mit Gefahrgütern verunglückt? Zudem ziehen sich die Autobahn 2 und mehrere Bundesstraßen durch die Region. Auch hier müssen die Feuerwehrleute immer damit rechnen, dass ein Tanklastzug in einen Unfall verwickelt wird und gelöscht werden muss.

Dafür, dass die Gemeinden ihre Feuerwehrleute dennoch ungern zur Schulung fortschicken, hat Johannes Erben ein gewisses Verständnis: „Was ist denn, wenn gerade an einem solchen Wochenende ein großer Einsatz erforderlich wird und die Feuerwehr nicht einsatzbereit ist?“, fragt er.

Zwar sind mit der mobilen Variante normalerweise Kosten verbunden – auf der anderen Seite ist die auswärtige Schulung der Einsatzkräfte an anderen Stellen des Landes auch nicht kostenfrei.

Sandy Wellmann ist neben Markus Konermann von der PEP GmbH mit der „Safety & Fire Academy“ angereist. Als Mitgesellschafter hat er die Schulung als eine Art Testlauf für alle freiwilligen Feuerwehren in der Verbandsgemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt. Das lag für ihn nahe: Der in Magdeburg aufgewachsene Unternehmer lebt in Ummendorf. Er erläutert: „Ein Geschäftsschwerpunkt meines Unternehmens ist es, Mitarbeiter für die Sicherung bei der Revision von Raffinerien zur Verfügung zu stellen.“

Die Revision einer Raffinerie muss man sich wie folgt vorstellen: In einem festgelegten Rhythmus werden Raffinerien wie die in Leuna, in Schwedt oder in Köln für einige Tage oder Wochen stillgelegt. Grund: Experten müssen dann in die Tiefen der oft hochhaushohen Behälter steigen und die technischen Anlagen genauestens überprüfen. Klar: Wenn die Anlage in Betrieb ist, kommt man an viele Stellen nicht heran. Und da hier explosive und giftige Rohstoffe verarbeitet werden, ist Sicherheit das oberste Gebot. Durch kein Leck dürfen die Flüssigkeiten und Gase nach außen oder Luft nach innen dringen, und an keiner Stelle dürfen an einer mangelhaften Installation Funken entstehen, die die Anlage möglicherweise in Brand stecken würden.

Sicherheit ist aber auch während der Revisionszeiten – die für die Industrieunternehmen mit Millionenausgaben verbunden sind – gefragt. Denn im mit giftigen Dämpfen gefüllten Inneren der riesigen Raffineriebehälter besteht selbst im Falle einer im Freien harmlosen Havarie Gefahr für Leib und Leben.

Und hier kommen die Mitarbeiter von Sandy Wellmann ins Spiel: Als Gas- und Brandposten sorgen sie für die Sicherheit in den Anlagen. „Natürlich haben die Mineralölunternehmen hervorragend ausgebildete Betriebsfeuerwehren. Nichtsdestotrotz ist es mir wichtig, dass auch meine Mitarbeiter wissen, wie sie mit einer gefährlichen Situation zum Beispiel bei einem Feuer umgehen.“ Das Angebot der Akademie richtet sich aber ausdrücklich auch an Feuerwehren.

Das Übungsgerät kann übrigens bei Interesse noch mehr, als aus einem Ventil Flammen schlagen. Die propangasbetriebene Apparatur kann beispielsweise auch dazu genutzt werden, das Einsteigen in einen Kessel unter schwierigsten Bedingungen zu üben. Das allerdings steht am Übungstag in Eilsleben nicht mit auf dem Programm. Wohl aber die Explosion von Sprayflaschen. Markus Konermann heizt mit einer Flamme eine in einem Drahtkorb gesicherte Haarfestigerflasche kräftig auf. Mit einem lauten Knall explodiert diese nach kurzer Zeit: „Bitte denkt daran: In jedem Geschäft stehen heute unzählige solcher Flaschen. Wenn ihr bei einem Einsatz ein solches Knallen hört – raus da. Wo eine ist, gibt es noch mehr. Und eure Sicherheit geht immer vor“, gibt der Trainer den Feuerwehrleuten zum Abschluss der Übung mit auf den Weg.