Unterrichtsausfall Gehaltserhöhungen gegen den Lehrermangel
Sachsen-Anhalt sucht händeringend mehr Lehrer. Zum neuen Schuljahr hat sich die Situation an den Schulen verschärft.
Magdeburg l Bildungsminister Marco Tullner (CDU) legte am Freitag die aktuellen Schülerzahlen vor. Im neuen Schuljahr sind 176.995 Kinder in den Klassen - und damit fast 1000 mehr als voriges Jahr. Vor allem EU-Zuwanderer und Kinder aus Flüchtlingsfamilien sorgen für ein anhaltendes Plus. Das Problem: Die Lehrer-Lücke wird größer.
Der ohnehin schon hohe Ausfall an Schulstunden wird weiter steigen. Die so genannte Unterrichtsversorgung sackt nämlich erstmals unter 100 Prozent. Normal wären 103 Prozent - um auch Krankheiten und andere Ausfälle auszugleichen. Davon entfernt sich Sachsen-Anhalt immer weiter. 2000 Wochenarbeitsstunden können derzeit nicht abgedeckt werden. Am stärksten betroffen sind die Sekundarschulen.
Bereits voriges Schuljahr erreichte der Unterrichtsausfall den Rekordwert von 400.000 Stunden. Die Gewerkschaft GEW rechnet in diesem Schuljahr mit 500.000 Stunden. Einem Schüler in Sachsen-Anhalt geht im Laufe seiner Schulzeit ein komplettes Halbjahr verloren. GEW-Landeschefin Eva Gerth spricht von einer „skandalösen Entwicklung“.
Die Regierungskoalition versucht seit zwei Jahren, das Problem mit der Einstellung junger Lehrer zu mildern. Die Zahl der Vollzeitstellen wird von 13.900 (2015) auf 14.500 erhöht. Bis zum Jahresende wird das Bildungsministerium fast 1000 neue Kollegen vor den Klassen haben. Zugleich quittieren aber immer mehr Pädagogen den Dienst vor ihrem 66. Lebensjahr oder werden lange krank.
Hinzu kommt, dass mit den jüngeren Kollegen das Thema Familienplanung eine größere Rolle spielt: Fast 400 von ihnen sind in Elternzeit - eine Verdopplung in vier Jahren. Minister Tullner kommt zum Schluss: „Mit mehr Quantität können wir das Problem nicht mehr lösen.“ Heißt: Er kommt mit dem Einstellen nicht hinterher. Zumal alle Bundesländer junge Lehrer suchen und der Markt „abgegrast“ ist.
Die Regierung will nun mit Gehaltszulagen mehr Lehrer an die Tafel locken. Finanzminister André Schröder (CDU) übergab dem Landtag gestern eine Gesetzesnovelle. Ältere, die ihren Ruhestand (derzeit 66 Jahre) verschieben, sollen einen Bonus von zehn Prozent bekommen. Für einen berufserfahrenen Sekundarschullehrer (5081 Euro Monatssalär) wären das gut 500 Euro, für Grundschullehrer etwa 450 Euro. Zudem: Können Stellen trotz Ausschreibung lange nicht besetzt werden, gibt es 10 Prozent aufs Einstiegsgehalt (335 bis 390 Euro). Derzeit sind mehr als 3000 Lehrer 60 Jahre und älter.
In der Diskussion sind auch Überstunden-Zulagen und Schulverbünde. Tullner sagte, er will zunächst mit den Koalitionsfraktionen und Vertretern der Volksinitiative reden, ehe er weitere Vorschläge auf den Tisch legt.