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Verkehr Sachsen-Anhalt und seine Fahrschul-Versager

2017 ist in Sachsen-Anhalt fast jeder zweite Fahrschüler durch die theoretische Prüfung gerasselt. Bundesweit das schlechteste Ergebnis.

Von Bernd Kaufholz 31.07.2018, 01:01

Magdeburg l Warum schaffen Fahrschüler zwischen Arendsee und Zeitz die Prüfung nicht? Für Reiner Nuthmann vom Landesfahrlehrerverband Sachsen-Anhalt „ein vielschichtiges Problem“. Einen wichtigen Erklärungsansatz sieht er in der Tatsache, „dass viele Fahrschüler im Osten nicht bereit sind, entsprechend Geld für die Prüfungsvorbereitung auszugeben“. Bildung müsse immer kostengünstig oder gar umsonst sein, so der 2. Stellvertreter, der selbst eine Fahrschule in Magdeburg hat.

Viele seiner Kollegen in Sachsen-Anhalt hätten die Erfahrung gemacht, dass auch das Lehrmaterial, das von den Ausbildern angeboten werde, aus Kostengründen „nicht so angenommen“ werde. „Die jungen Leute greifen lieber auf Internet-Apps zurück. Die haben aber lange nicht die Qualität wie unsere Materialien.“

Nuthmann spricht sich vehement gegen „Flatrate-Fahrschulen“ aus. „In den alten Bundesländern wird ein Vorstellungsbetrag für die theoretische Prüfung von bis zu 100 Euro plus Gebühren für die Prüfungsabnahme durch den TÜV erhoben.“ In Sachsen-Anhalt seien es bei manchen Fahrschulen nur 22,49 Euro Gebühren für die Prüfung durch die Dekra. „Diese finanzielle Hürde ist zu niedrig“, sagt Nuthmann. Sich beim Lernen nicht so anzustrengen und dadurch durch die Prüfung zu sausen, tue nicht weh, weil der Schüler kostengünstig wiederholen könne.

Jörg Freytag, Fahrschulbetreiber in Stendal, kann sich keinen Reim auf das schlechte Abschneiden der Sachsen-Anhalter machen. „Die Lehrmittel sind optimal. Daran kann es nicht liegen. Und wir nutzen sogar die Möglichkeit, von der Fahrschule aus nachzuvollziehen, ob der Schüler zu Hause gelernt hat oder nicht.“ Dümmer als Fahrschüler anderer Bundesländer seien die Schüler auf keinen Fall.

Andreas Pawel von der Halberstädter Fahrschule „Teach and Drive“ hat eine klare Meinung. „An den gesetzlichen Vorgaben kann es nicht liegen. Daran sind alle gebunden. Also muss es an den Fahrschülern liegen.“ Nach der Wende seien viele Menschen aus Sachsen-Anhalt weggegangen, „gute, die andernorts etwas aus sich machen wollten“. Damit sei der Anteil derer mit „bildungsfernerem Hintergrund“ größer geworden. Somit sei auch die Durchfaller-Quote gestiegen.

Die Dekra in Magdeburg, die in Sachsen-Anhalt das Prüfungsmonopol hat, schweigt und verweist „zuständigkeitshalber“ nach Stuttgart. Dort wird vermutet, dass die Durchfaller-Quote „mit einer wachsenden Ausländerzahl mit zum Teil sehr schlechten Sprachkenntnissen“ zu tun habe. Mit knapp fünf Prozent Ausländern in Sachsen-Anhalt – im Vergleich zu anderen Bundesländern wenig – ist das wohl eher keine Erklärung.

Hans-Peter Kamieth von „Sunny Fahrschule“ in Magdeburg meint: „Es ist doch einfach, wenn man die Prüfung nach 14 Tagen problemlos wiederholen kann.“ Der Nebeneffekt sei, dass aufgrund des Nachholerstaus die Wartezeiten auf Prüfungen immer länger würden. Und zu den Kosten: „Spielt doch nicht die Rolle, wenn Oma und Opa ins Portemonnaie greifen.“

Untersuchungen, warum Sachsen-Anhalt seit Jahren schlecht dasteht, gibt es nicht. Aber die Hitliste der Fehler, die das abrupte Ende der praktischen Prüfung bedeuten, ist überall gleich: Überfahren von Rotlicht, falsches Befahren einer Einbahnstraße und Überfahren eines Stoppschilds.