Statistisches Landesamt vermeldet für 2011 Einbruch von 30 Prozent bei den Adoptionszahlen / Zentrale Adoptionsstelle des Landes erwartet jedoch Trendwende Viele Heimkinder, aber immer weniger Adoptionen in Sachsen-Anhalt
Magdeburg l In Sachsen-Anhalt werden immer weniger Kinder adoptiert. Im vergangenen Jahr fanden dem Statistischen Landesamt zufolge 77 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ein neues Zuhause, davon 39 Jungen und 38 Mädchen. Das sind 33 Adoptionsfälle weniger als im Vorjahr - damit sank die Zahl der ausgesprochenen Adoptionen in Sachsen-Anhalt allein innerhalb eines Jahres um 30 Prozent.
Gleichzeitig wollen offenbar immer weniger Paare ein Kind adoptieren - ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Zahl vorgemerkter und geprüfter Adoptionsbewerber in den vergangenen zehn Jahren stets rückläufig war. Waren es 2002 noch 196 Registrierte, wollten 2010 nur noch 84 Paare ein Kind adoptieren. Deutschlandweit hat sich die Zahl der Adoptionen seit 1993 auf rund 4000 halbiert. Liegt es an Geburtenrückgang und Abwanderung, dass die Adoptionszahlen zurückgehen? Der Blick ins Land zeigt: Die Lage in den Landkreisen und kreisfreien Städten ist sehr unterschiedlich. Während das Magdeburger Jugendamt vermeldet, die Adoptionszahlen seien seit Jahren stabil, gehen die Zahlen in einzelnen Landkreisen offenbar stark zurück.
Beate Kletschka von der zentralen Adoptionsstelle des Landesjugendamtes mahnt jedoch, die reinen Statistiken mit Vorsicht zu genießen. Das Statistische Landesamt erfasse nämlich nur die im Land erfolgten Adoptionsabschlüsse. Nicht dokumentiert würden jedoch Adoptionen in oder aus anderen Bundesländern sowie Auslandsadoptionen. Außerdem zögen sich die Adoptionen inklusive der Adoptionspflege als Probezeit oft über mehrere Jahre hin, was die Statistik verfälsche. Den internen Zahlen der Adoptionsstelle zufolge drehe sich der Trend gegenwärtig sogar, denn viele Paare würden sich in der Regel auch überregional, bundes- oder sogar weltweit um ein Kind bemühen. Beate Kletschka sieht allerdings einen weiteren möglichen Faktor für den Rückgang der Adoptionen: Sachsen-Anhalt und Sachsen sind die einzigen Bundesländer in Deutschland, die ungewollt kinderlose Paare nach der Kürzung der Kassenleistungen bei Kinderwunschbehandlungen unterstützen. Paare mit Kinderwunsch würden also alle Möglichkeiten ausschöpfen, ein eigenes Kind zu bekommen, bevor sie sich für eine Adoption entscheiden. Allerdings wünscht sich auch Kletschka eine richtige Adoptionsstudie für Sachsen-Anhalt. Die Datenlage zum Thema sei dünn.
Für Kathrin Lichtenberg, Vorsitzende des Verbandes der Pflege- und Adoptiveltern, ist der Rückgang auch der demografischen Entwicklung geschuldet. Außerdem müssen die Kinder anders als bei der Aufnahme von Pflegekindern immer von ihren Eltern zur Adoption freigegeben werden. "Und das machen viele nicht gerne, denn auch wenn sie das Kind nicht mehr bei sich haben, sagen sie immer noch, das ist mein Kind", so Lichtenberg. Auch seien Adoptiveltern keine in der Öffentlichkeit stehenden Familien wie Pflegeeltern und gingen auch im Interesse des Kindes nicht mit einer Adoption hausieren. "Viele wollen anonym bleiben."
Wenn Paare sich für eine Adoption entscheiden, wünschen sie sich in der Regel einen "Neuanfang": Mehr als die Hälfte der adoptierten Kinder ist unter drei Jahre alt. Dann gibt es noch einmal einen Anstieg zwischen 6 und 12 Jahren, wo oft Stiefvater oder -mutter ein Kind adoptieren. Immer schwieriger werde es laut Beate Kletschka, ältere und behinderte Kinder bei Pflege- oder Adoptiveltern unterzubringen. Die Heime sind trotz sinkender Kinderzahlen voll - aktuell müssen rund 2000 Kinder in Heimen oder im betreuten Wohnen untergebracht werden.