Wahlskandal Stendal Stadtspitze verschwieg Wahlfehler
Neue Erkenntnisse nach Aussagen von Stendaler Rathaus-Mitarbeitern vor Landtagsausschuss.
Magdeburg l Dass bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 im Stendaler Rathaus massiv gegen die Regelung verstoßen worden ist, nicht mehr als vier Briefwahlunterlagen je Bevollmächtigtem herauszugeben, war früher bekannt, als dies die Spitzen der Stadt bislang eingeräumt haben. Das ergaben am Mittwoch im Landtag mehrere Zeugenbefragungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusss zur Aufarbeitung des Stendaler Wahlskandals.
So berichtete die Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamtes, Jutta G., dass ihre Gruppenleiterin unmittelbar nachdem die Volksstimme am 4. Juni 2014 das exorbitant hohe Briefwahl-ergebnis des damaligen CDU-Stadtrates Holger Gebhardt (689 seiner 837 Stimmen) veröffentlicht hatte, „nach oben“ gegangen sei und berichtet habe, dass da „große Scheiße passiert“ sei. Den Kolleginnen sei sofort klar gewesen, dass „wir hier einen Fehler gemacht haben“.
Wie sich später herausstellte, waren es insgesamt 189 Wahlunterlagen, die an nur zwölf Bevollmächtigte ausgegeben worden waren.
Die Stadtverwaltung verschwieg jedoch in den Tagen danach dieses brisante Eingeständnis. So antwortete Stadtsprecher Klaus Ortmann noch am 13. Juni auf eine Anfrage der Volksstimme: „Die Prüfung, ob sonstige Verfahrensfehler vorliegen, ist noch nicht abgeschlossen. Sollten hierbei relevante Verfahrensverstöße ersichtlich werden, wird der Stadtwahlleiter von Amts wegen über einen Wahleinspruch zu entscheiden haben.“
Damit gerät Stendals Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt (CDU) in Erklärungsnot. Der damalige Stadtwahlleiter hat bisher stets betont, erst am 18. Juni über das Ausmaß des Verfahrensfehlers informiert gewesen zu sein.
Die fast fünfstündige Befragung von fünf Zeugen durch die Ausschussmitglieder ließ überdies gravierende Organisationsmängel bei der Durchführung der Kommunalwahl 2014 durch Wahlleiter Kleefeldt und die zuständige Sachbearbeiterin Maria-Luise K. erkennen. So wurden gleich mehrfach Hinweise übersehen und überhört, dass das Land die sogenannte Vierer-Regelung für die Briefwahl eingeführt hatte.
Dass bis zu 30 Unterlagen auf einmal abgeholt wurden, habe sie nicht misstrauisch gemacht, räumte Rathaus-Mitarbeiterin Stefanie M. ein: „Ich dachte, die sind aber fleißig und hilfsbereit.“ Als da einige Ausschussmitglieder sich ein Grinsen kaum verkneifen konnten, fügte sie hinzu: „Ich denke immer an das Gute.“
Stefanie M. wie auch ihre Kollegin Jutta G. berichteten zudem übereinstimmend, dass es üblich gewesen sei, dass „Vertreter großer Parteien“ in Stendal „zwischen fünf und zehn Wahlunterlagen“, so G., abgeholt hätten.