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Weihnachten Die Briten feiern mit Knallbonbons

Unser Gastautor aus London berichtet über sein neues Leben in Sachsen-Anhalt und berichtet vom Weihnachtsfest der Briten.

25.12.2017, 23:01

Magdeburg l Weihnachten gibt es nur einmal im Jahr, heißt es eigentlich. Ich habe da andere Erfahrungen gemacht. Denn ich kenne es so, dass Weihnachten so oft wie nur möglich gefeiert wird.

Als ich Student in Cambridge war, war das akademische Jahr unglaublich kurz. Für uns bedeutete das, dass wir alle Feste des Jahres in drei Semester à la acht Wochen quetschen mussten. Daraus resultierten eine Osterfeier zu einem seltsamen Zeitpunkt, viel zu kalte Grill-Partys in einer Jahreszeit, die wir fälschlicherweise als „Sommer“ bezeichnen und das traditionelle Weihnachtsessen mit Freunden, das spätestens Anfang Dezember stattfand.

Heute, zehn Jahre später, leben wir alle weit voneinander entfernt – von Manchester bis Magdeburg. Das macht es umso schwieriger, einen passenden Zeitpunkt für unser Weihnachtsessen zu finden. Dieses Jahr werden wir Weihnachten zum Beispiel am 21. Januar nachfeiern. Doch bevor das passiert, werde ich bereits einige Male Weihnachten durchlebt haben. Mit meiner Familie in England und mit der meiner Freundin in Deutschland.

Das Wichtigste an unserem logistisch schwer zu organisierenden Weihnachtsessen ist das Wiedersehen. Es könnte gut sein, dass es das einzige Mal im Jahr ist. Das eigentliche Datum ist hierbei Nebensache. Bei meiner Mutter ist das übrigens ähnlich: Für viele Jahre hat sie jedes Jahr im März zu einer kleinen Weihnachtsfeier zu sich nach Hause eingeladen, um all die Freunde zu sehen, die im Dezember keine Zeit hatten oder unterwegs waren. So ein Weihnachten nach Weihnachten ist übrigens auch eine prima Möglichkeit, die ganzen Schoko-Reste und Servietten mit Weihnachtsmotiven loszuwerden. Und die letzten Knallbonbons zu verbrauchen. Doch dazu später.

Nicht nur bei Briten, die wie ich zwischen zwei Ländern hin- und herfliegen, unterscheidet sich das Fest enorm von dem Deutschen. Heiligabend ist in Großbritannien keine große Sache. Es ist kein Feiertag, die meisten Menschen arbeiten an dem Tag und reisen erst abends heim. Viele gehen dann - statt wie die Deutschen daheim mit der Familie Geschenke auszupacken - in den Pub und treffen ihre Freunde. Weihnachten wird mit der Familie erst am 25. Dezember gefeiert – an dem Tag packen wir dann morgens Geschenke aus und schlagen uns abends beim Weihnachtsdinner den Bauch voll. Am 26. – obwohl niemand wirklich weiß, warum auch bekannt als „Boxing Day“ – haben wir dann alle Zeit der Welt, uns darüber zu beschweren, dass wir viel zu viel gegessen und getrunken haben, während wir ein Buch lesen, das wir am Tag zuvor geschenkt bekommen haben.

Ich muss zugeben, dass mich die deutsche Art der Bescherung noch immer verwirrt. Irgendwie stimmt da hinten und vorne etwas nicht. Soweit ich weiß, schreibt man dem Nikolaus, der dem Weihnachtsmann verdächtig ähnlich ist, eine Wunschliste. Schon gut, das machen wir auch. Doch in Deutschland kommt dann das Christkind – also der kleine Jesus – am Heiligabend vorbei. Ist der Weihnachtsmann etwa zu faul, selbst seinen Job zu machen? Und wie schafft es ein Baby, die ganzen Geschenke zu transportieren? Der Weihnachtsmann hat einen Schlitten und eine Menge fliegender Rentiere zur Verfügung. Da kann man noch verstehen, wie er das alles schafft. Fliegt das Christkind vielleicht mit ihm mit? Ich habe bereits viele Deutsche zu dem Thema befragt, allerdings weichen sie meiner Frage immer gekonnt aus. Irgendetwas stimmt hier doch nicht ...

In der Hinsicht sind wir Briten viel effizienter. Wir schreiben dem Nikolaus beziehungsweise Weihnachtsmann (wir machen hier keinen Unterschied) eine Wunschliste und er bringt sie ein paar Wochen später persönlich vorbei. Indem er in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember über den Schornstein in dein Haus eindringt und die Geschenke praktischerweise in einem Strumpf, Socken oder Kopfkissen hinterlässt. Und wenn er schon mal da ist, trinkt er bei der Gelegenheit auch noch schnell ein Gläschen Whiskey und nimmt noch eine Karotte für sein Rentier mit. Am nächsten Morgen legen wir den Strumpfinhalt unter den Weihnachtsbaum.

Auch das Essen unterscheidet sich in Deutschland eklatant von dem britischen Weihnachtsmenü. Als meine Freundin mir das erste Mal erzählte, dass ihre Familie an Heiligabend Kartoffelsalat isst, hielt ich das für einen schlechten Scherz. Kartoffelsalat? Zu Weihnachten? Kein Wunder, dass der Weihnachtsmann bei den Deutschen nicht persönlich vorbeikommt. Unser britisches Essen gleicht dem amerikanischen an Thanksgiving: Ein Truthahn mit Füllung, geröstete Kartoffeln und – eine der wichtigsten und zugleich auch von allen echte Briten am meisten gehassten Zutaten: Rosenkohl. Ungeliebt liegt das Gemüse dann als Beilage neben Karotten, Pastinaken, Rotkohl und Cranberry-Sauce.

Manche Menschen halten außerdem Yorkshire Pudding für einen wichtigen Teil des Weihnachts-Dinners. Das ist ein herzhafter Blätterteig, den man normalerweise zum Roast Beef isst. Bei mir gibt es all das nicht. Ich bin Vegetarier, also esse ich traditionell einen „Nut Roast“ – eine Art Braten aus Nüssen und Gemüse. Ein einfacher Käse-Quiche tut es allerdings auch.

Doch bei uns ist der „Pudding“ - so heißt bei uns der Nachtisch - mindestens genauso wichtig. Ich schätze die deutsche Vorliebe für Spekulatius und Lebkuchen. Beides schmeckt super - aber kommt nicht annähernd an „Christmas Pudding“ heran. Hierbei handelt es sich um den großen Haufen aus getrocknetem Gemüse und Talg, den wir Briten in Alkohol tränken, anzünden und dann in uns hineinstopfen, obwohl wir gerade einen ganzen Truthahn verdrückt haben.

Wem das nicht genug ist, für den gibt es noch „Christmas Cake“. Hierbei handelt es sich wieder um getrocknete Früchte, die mit einer dicken Schicht aus Marzipan und Zuckerguss zusammengehalten werden. Ich frage mich, warum ich noch nie jemanden dabei gesehen habe, einen „Christmas Cake“ tatsächlich auch zu essen ...

Doch das war es noch nicht an Überraschungen. Denn dann sind da noch die Knallbonbons, die es in Deutschland, wenn überhaupt, an Silvester gibt. Aber haben die deutschen Knallbonbons auch eine Papierkrone? Ich bezweifele das. Knallbonbons sind bei uns ein unverzichtbarer Teil des Weihnachtsessens. Man nimmt ein Ende, der Sitznachbar das andere und nachdem man gemeinsam an dem Knallbonbon gezogen hat, offenbart sich neben der Papierkrone eine kleine Auswahl an Geschenken.

Genauso wichtig wie die Krone ist der Witz. Und der ist wiederum so schlecht und kurz, dass er in Großbritannien in eine spezielle Sparte fällt: Knallbonbon-Witze. Die gehen dann etwa so: Warum fliegen Vögel im Winter in den Süden? - Weil es zu weit weg ist, um zu laufen. Dieses Jahr muss ich meine Papierkrone übrigens bis zum 21. Januar aufbehalten. Denn nach einer britischen und einer deutschen Weihnacht feiere ich dann zum dritten Mal – mit meinen Freunden. Ich lasse Ihnen ein Stück „Christmas Cake“ übrig, versprochen.