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Anke und René Heckel müssen das Heim ihrer Familie abreißen / Soliaktion im Corneliuswerk Wie das Hochwasser einer Familie das Haus nimmt - aber nicht den Mut

An der Elbe verschwinden langsam die Spuren des Hochwassers. Anders bei
einem Grundstück in Alt Lostau - die Heckels werden ihr Haus abreißen.
Die Bausubstanz ist nach der Juni-Flut nicht mehr zu retten. Eine
Familie zwischen Angst, Verzweiflung, Hoffnung und Aufbruch.

Von Falk Heidel 30.08.2013, 03:09

Lostau/Burg l "Wir sind dann mal weg", steht auf einem kleinen weißen Zettel in der verlassenen Veranda. Das Papier ist noch trocken im Gegensatz zum großen Rest des alten Familienhauses. Das Elbewasser ist über Vorgarten, Hof und Keller in Stube und Küche gekrochen. Fahrräder und Gartenmöbel hat die Familie aufs Dach gehievt: "Man konnte dem Wasser beim Vordringen zuschauen", erzählt Anke Heckel. Datiert ist der Zettel auf den 7. Juni. Es ist der Tag, an dem Anke und René Heckel klar wird: Hier ist nichts mehr zu retten.

Sie haben ihre Koffer in eine Schubkarre gelegt und die Feuerwehr angerufen: "Die Jungs haben uns mit einem Boot abgeholt." Heckels blicken zurück auf ihr Haus - am Fenster schwimmt ein Blumentopf vorbei. Keine Chance, die Substanz zu erhalten. In den nächsten Tagen wird den Heckels bewusst: Das 175 Jahre alte Häuschen in Alt Lostau muss abgerissen werden: "Es ist das Haus meiner Eltern", sagt Anke Heckel.

Überstanden haben das Hochwasser die Goldfische und Welze aus dem Teich im Garten. Geschafft hat das René Heckel mit einem simplen Trick. Er hat ein Netz über den Teich gezogen und damit die Kreaturen gerettet. Anke Heckel: "Nach dem Hochwasser haben wir den Schlamm beseitigt, Teichwasser ausgetauscht und dabei bemerkt, dass einige Elbbarsche hinzugekommen sind."

In diesem für sie so schwierigen Sommer haben Heckels erfahren, wie großartig Solidarität funktionieren kann: "Zunächst sind wir bei einer Freundin in Lostau untergekommen. Später bei einer Bekannten in Niegripp, wo wir nach wie vor wohnen. Ich kann meine Dankbarkeit dafür kaum in Worte fassen."

Verzweiflung und Trauer sind in den Wochen danach verflogen. Haben Platz gemacht für Kreativität und Vorfreude. Heckels wollen sich ein neues Haus bauen. Anke hat schon klare Vorstellungen: "Ein flaches Gebäude im Bungalowstil mit rotem Dach." Auf einen Keller will die Familie verzichten. In diesen Tagen gibt es eine Menge Schriftverkehr mit der Versicherung und einem Architekten. Anke Heckel ist optimistisch: "Das kriegen wir hin."

Ihr täglich Brot verdient Anke Heckel als Küchenleiterin im Burger Corneliuswerk. Mittags produziert sie mit ihren Kollegen mehr als 150 Portionen - sowohl für Kinder als auch für Senioren. Als die Bewohner der Hausgemeinschaften sowie die Hortkinder vom Schicksal der Heckels erfuhren, gab es innerhalb des Cornelius-Verbundes eine großartige Hilfsaktion. Erzieher- und Betreuerinnen haben 19 Kuchen gebacken und das leckere Backwerk an Eltern der Hortkinder und Bewohner der Seniorenresidenzen verkauft. "Es war eine grandiose und vor allem sehr schnelle Vernetzung aller Bereiche", erzählt Hortleiterin Elke Bodenstein. Zusammen mit ihren Schützlingen hat sie jetzt den Spendenumschlag an Anke Heckel überreicht. Ihre Reaktion auf die Aktion: "Als ich davon erfuhr, habe ich geheult wie ein Schlosshund."

Im Gegenzug hat sie den Kindern Bilder gezeigt von ihrem überschwemmten Grundstück. Und es gibt eine Einladung an die Kinder von Anke Heckel: "Kommt mich doch mal in der Küche des Corneliuswerks besuchen."

Unterdessen berichtet Corneliuswerk-Geschäftsführer Thomas Uhle von der Aktion "Kollegen helfen Kollegen", die von der Dachstiftung der Diakonie in Kästorf bei Gifhorn organisiert wird: "Diese Aktion ist noch nicht abgeschlossen, aber schon jetzt ist die Spendensumme enorm."

Das alles wird den Heckels helfen, um bald in ein neugebautes Haus zu ziehen. Und dann wird Anke ein Zettel schreiben und in die Veranda legen: "Wir sind wieder da."