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Zuwanderung Lehrer aus Halle schicken Haseloff Brandbrief

70 Prozent Migranten, fehlendes Personal - Lehrer einer Schule aus Halle greifen Ministerpräsident Reiner Haseloff scharf an.

Von Alexander Walter 24.07.2018, 01:01

Magdeburg l 397 Schüler, darunter 277 Migranten. Wenige Schulen in Sachsen-Anhalt haben so viele Zuwanderer wie die Hallenser Gemeinschaftsschule „Kastanienallee“ – fast 70 Prozent. Die Klassen sind randvoll, es fehlt an Personal. Schon im Frühling hatten die Lehrer sich mit einem Brief hilfesuchend an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gewandt.

Die Reaktion der Staatskanzlei ließ die Stimmung des Kollegiums allerdings in Wut umschlagen. Wie am Montag bekannt wurde, hat das Kollegium Haseloff kurz vor den Ferien ein zweites Schreiben, einen Brandbrief geschickt. „Wir fühlen uns nicht nur verraten, sondern auch ausgenutzt und alleingelassen“, schreiben die Lehrer. Und weiter: „Ihre Äußerungen helfen uns nicht.“ Es seien lediglich Hinweise zur Optimierung der Arbeit gegeben worden. Die aber habe man längst ausgeschöpft.

Das Antwortschreiben sei ein erschütterndes Zeugnis dafür, dass dem Verfasser nicht klar sei, unter welchen Bedingungen die Lehrer arbeiteten.

In den Klassen der Schule bilden Zuwanderer demnach längst die Mehrheit. Viele Schüler könnten nicht mal in der eigenen Muttersprache lesen. Andere hätten nie gelernt, sich an Regeln zu halten. Die Pädagogen ziehen Parallelen zur Berliner Rütli-Schule. Die Einrichtung war 2006 zum Symbol für das Versagen der Behörden bei Gewalt und Angst an Hauptschulen mit steigendem Migrantenanteil geworden.

Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt fordert rasch wirksame Hilfen. 30 bis 40 Schulen in Sachsen-Anhalt hätten einen Anteil nichtdeutscher Schüler von 25 Prozent und mehr, sagte Fraktionschef Thomas Lippmann. Solche „Migrationsschulen“ bräuchten gesonderte Unterstützung. Ein erster Schritt müsse eine erleichterte Verteilung von Zuwanderern auch an Schulen auf dem Land sein. Ein neuer Passus im Schulgesetz macht die Verteilung zwar möglich, infrage kommt sie bislang aber vor allem in den Großstädten, denn: Die Alternativschule sollte in der Nähe liegen.

Senken ließe sich der Zuwandereranteil auch damit aber nur langfristig. Die Linke fordert deshalb außerdem deutlich mehr Lehrer für „Migrationsschulen“: Aus einer aktuellen Ausschreibungsrunde für 600 Lehrer sollten 100 unbesetzt gebliebene Stellen für sogenannte Migrationslehrer neu ausgeschrieben werden, sagte Lippmann. Erneut erweise es sich als Riesenfehler, dass das Land ab 2016 die Stellen von 180 Sprachlehrern ohne Not auslaufen ließ.

Im Haushalt 2019 will die Linke drittens Geld für 100 zusätzliche Schulsozialarbeiter einstellen. Nicht zuletzt fordert die Fraktion einen Hauptschulabschluss unter erleichterten Bedingungen an Migrationsschulen. Zuwanderer könnten sich damit auf Kernfächer wie Deutsch und Mathe konzentrieren, hieß es.

Sachsen-Anhalts Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner hält wenig von den Vorschlägen: „Pauschale Forderungen nach mehr Mitteln können keine individuellen Lösungen ersetzen.“ Eine gesonderte Absenkung von Bildungsstandards komme nicht infrage, ergänzte Feußner mit Blick auf den Vorschlag eines erleichterten Hauptschulabschlusses.

Die CDU-Politikerin verwies auf vorhandene Maßnahmen: So würden landesweit 50 Sprachlehrer vor allem an Schulen mit hohem Zuwandereranteil eingesetzt. Migranten erhielten zu Beginn ihrer Schulzeit ein gesondertes Förderstunden-Kontingent. Entspannung für die Kastanienallee verspricht sich Feußner zudem von Gesprächen zwischen Schulaufsicht und Schulleitung. Derzeit arbeiteten beide Seiten an einem Konzept.

Die Staatskanzlei hat den Brandbrief der Hallenser Lehrer derweil beantwortet. In die Personalzuteilung des Bildungsressorts könne man nicht eingreifen, teilte Sprecher Matthias Schuppe mit. Man hoffe aber auch auf Entlastung durch eine millionenschwere Sanierung, für die sich Haseloff nach einem Besuch im November eingesetzt habe. Was die Hallenser Kollegen davon halten, war wegen der Ferien nicht zu erfahren. An der inzwischen erfolgreich arbeitenden Rütli-Schule war es übrigens ein Brandbrief der Lehrer, der die Wende einleitete.

Zum Kommentar "Land muss einzelne Schulen mehr unterstützen" von Alexander Walter