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Caffier für Diskussion über Trennungsgebot

Zum 70. Jubiläum des Grundgesetzes diskutieren Verfassungsschützer, Politiker und Wissenschaftler in Schwerin, was die wehrhafte Demokratie bedroht. Innenminister Caffier will über das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz reden - ohne Schaum vor dem Mund.

23.05.2019, 15:05

Schwerin (dpa/mv) - Angesichts veränderter Gefahren hat Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Diskussion über zeitgemäße Ermittlungsmethoden angemahnt. Die Welt sei schnelllebiger geworden, weshalb auch über Verfassungsfragen und neue staatliche Ermittlungsmethoden diskutiert werden müsse, sagte Caffier am Donnerstag bei einem Treffen der ostdeutschen Verfassungsschutzbehörden in Schwerin.

So habe sich am Beispiel eines in Schwerin festgenommenen Syrers, der einen Bombenanschlag vorbereitet hatte, gezeigt, dass das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz "mitunter ein enormes Hindernis" bei der Zusammenarbeit sei. Darüber, ob das noch zeitgemäß sei, müsse ruhig und ohne Schaum vor dem Mund geredet werden können. Wenn etwas passiere, sei das Trennungsprinzip den Bürgern nicht mehr zu vermitteln.

Bei dem Symposium wollten die Geheimdienstler anlässlich des 70. Verfassungsjubiläums am 23. Mai über aktuelle und mögliche künftige Bedrohungen für die Demokratie diskutieren. Caffier betonte die Bedeutung des Verfassungsschutzes hierfür, gestand aber auch ein, dass der Geheimdienst Fehler gemacht habe.

"Ich bin überzeugt davon, dass Deutschland eines der sichersten Länder der Welt ist", sagte Jürgen Peter, Abteilungspräsident des Staatsschutzes im Bundeskriminalamt (BKA), obwohl das Gefühl bei vielen Menschen ein anderes sei. Hauptgefahr bleibe der Islamismus, der sich weiter ins Internet verlagern werde. Einzeltäter radikalisierten sich nicht nur über das Netz, sondern würden zunehmend über Messenger-Dienste angeleitet, sagte Peter. Auch im Ausland inhaftierte deutsche Dschihadisten stellten eine wachsende Herausforderung dar. Derzeit sammele das BKA Beweise gegen solche Kämpfer, um sie im Falle ihrer Rückkehr in Deutschland verhaften und anklagen zu können.

Umfassend vernetzt und in der Lage, aus aktuellen politischen Entwicklungen Kapital zu schlagen, sei die rechte Szene. Ihre Ideologie und Sprache seien im Netz und auf der Straße präsent. "Ich sehe die Gefahr, dass rechte Ideologie in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist", sagte Peter. Besorgniserregend sei außerdem die Zunahme antisemitischer Straf- und Gewalttaten, die in der Masse rechts motiviert seien.

Im Linksextremismus gebe es klandestine Strukturen, die in der Lage seien, bedeutende Straftaten zu begehen. Als Beispiele führte Peter einen Brandanschlag auf Strom- und Telefonkabel im letzten Jahr in Berlin an, der zu einem großflächigen Stromausfall führte und eigentlich dem Flughafen Tegel gegolten habe. Auch Angriffe auf Polizisten im Zuge der Proteste im Hambacher Forst (NRW) hätten gezeigt, dass es diese Strukturen gebe.

Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin berichtete von Studien, denen zufolge viele Schüler nicht richtig zwischen Demokratie und Diktatur unterscheiden könnten. Ihnen sei nicht bewusst, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit sei.

MV-Verfassungsschutz-Chef Reinhard Müller betonte, es müsse allen klar sein, dass Freiheit und Sicherheit die Voraussetzungen für Wohlstand seien. "Wir stellen schon fest, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat sinkt", sagte er. Auch das Gewaltmonopol des Staates werde zunehmend infrage gestellt. "Demokratie ist anstrengend, sie ist gelegentlich störend, manchmal sogar verstörend", hatte Müller zum Auftakt des Symposiums erklärt, nachdem ein inszenierter "Störungsversuch" kurzzeitig für Aufregung gesorgt hatte. Fünf Schüler einer Theaterklasse eines Schweriner Gymnasiums hatten Proteste in einer Saalveranstaltung nachgespielt.