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Insolvenzexperte: Notkredite gegen Corona-Folgen sinnvoll

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus beunruhigt nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft. Kann das geplante Paket der Bundesregierung betroffenen Unternehmen helfen? Sanierungsexperte Flöther sagt ja - und bringt einen weiteren Vorschlag ins Spiel.

09.03.2020, 12:59
Sebastian Willnow
Sebastian Willnow zb

Halle (dpa/sa) - Zur Abfederung negativer Folgen für die Wirtschaft durch das neuartige Coronavirus hält der Sanierungsexperte Lucas Flöther Notkredite für besonders betroffene Branchen für sinnvoll. Zugleich warb der Jurist aus Halle dafür, die Anmeldepflichten für Insolvenzen zu lockern. Die Regelungen seien in der Vergangenheit beispielsweise auch schon einmal bei Hochwasserlagen gelockert worden, um unverschuldet in Not geratenen Unternehmen Zeit zu verschaffen, sagte Flöther der Deutschen Presse-Agentur. Er begleitete zuletzt unter anderem die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin und die Rettung des Ferienfliegers Condor.

"Die aktuellen Fristen sind sehr strikt", sagte Flöther. Unternehmer, die die derzeit geltenden strikten Anmeldefristen brechen, machen sich strafbar und haften auch finanziell. Viele Unternehmen dürften wegen der einbrechenden Geschäfte derzeit nicht in der Lage sein, die Kriterien der langfristigen Finanzierung zu erfüllen, so der Experte.

Die Bundesregierung hatte sich in der Nacht zu Montag auf ein Maßnahmenpaket verständigt, um die Wirtschaft bei der Bewältigung der Folgen durch die Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus zu unterstützen. Dabei wurde unter anderem beschlossen, besonders betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Zudem sollen Firmen leichter Kurzarbeitergeld beantragen können - und dafür auch von den sonst üblichen Zahlungen an die Sozialversicherungen entlastet werden.

Flöther, der auch für den Gravenbrucher Kreis als Zusammenschluss führender Insolvenzverwalter spricht, warnte davor, dass das Coronavirus das Insolvenzrisiko deutlich erhöht. "Corona ist auf jeden Fall ein Katalysator." Er sei mit Blick auf die angespannte Lage in mehreren Branchen schon vorher verhalten-pessimistisch gewesen. "Jetzt sorgen die Auswirkungen und Ausfälle durch das Coronavirus dazu, dass die Unternehmen, denen es sowieso schon nicht besonders gut geht, jetzt besonders leiden und kippen." Das Coronavirus habe auf Firmen ähnliche Auswirkungen wie auf den Menschen: "Jene, die schon kränkeln, sind besonders gefährdet."

Neben offensichtlich betroffenen Branchen wie der Reise- und Tourismuswirtschaft gebe es viele weitere. "Dazu kommen Branchen, die sowieso schon in schwierigem Fahrwasser sind, etwa die Autoindustrie", sagte Flöther. Ähnliches gelte für den Mode- oder den Elektrohandel. Zudem setzten die Absagen von Messen und Großveranstaltungen vielen Messebauunternehmen erheblich zu.

Zuletzt waren große Messen, wie etwa die weltgrößte Tourismusbörse ITB in Berlin, abgesagt worden, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu vermeiden. Jetzt warb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen abzusagen. Auf den Finanzmärkten sind viele Aktienindizes auf Talfahrt, Airlines streichen ihren Flugplan zusammen und Unternehmen fürchten Unterbrechungen ihrer Lieferketten für Teile und Produkte.

Flöther hält ein differenziertes Vorgehen der Bundesregierung für sinnvoll. "Selbst wenn man es könnte, dürfte man die Hilfe nicht mit der Gießkanne ausschütten."