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Polizist soll Hakenkreuz beseitigt haben

Ein Beamter vernichtet ein Hakenkreuz vor einem Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Halle, die im Herbst 2019 Ziel eines Attentats war - der Vorwurf wiegt schwer.

05.06.2020, 17:58
Jens Wolf
Jens Wolf dpa-Zentralbild

Halle (dpa/sa) - In Halle wird gegen einen Polizisten ermittelt, der vor einem Gebäude der Jüdischen Gemeinde auf ein aus Zellstoff gefertigtes Hakenkreuz getreten und es stillschweigend beseitigt haben soll. Gegen ihn seien strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt eingeleitet worden, teilte die Polizeiinspektion Halle am Freitag mit. Es laufen zudem disziplinarrechtliche Ermittlungen. Der Polizei wurde in eine andere Dienststelle versetzt. Der Vorgang hat Bestürzung ausgelöst.

Das Hakenkreuz wurde vor dem Sitz der Jüdischen Gemeinde gefunden, deren entfernt gelegene Synagoge im Oktober 2019 Ziel des Anschlags eines Rechtsextremisten war.

Dieser hatte am 9. Oktober 2019 - am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur - schwer bewaffnet versucht, in die Synagoge einzudringen. Er schoss auf eine Holztür und warf Sprengsätze. Als er es nicht schaffte, in die Synagoge zu gelangen, erschoss er auf der Straße eine Frau und einen Mann. Der Prozess gegen Stephan B. soll im Juli beginnen. Ein gescheiterter Fluchtversuch des 28-Jährigen sorgt derzeit für Schlagzeilen und hat eine Sondersitzung des Rechtsauschusses des Landtages in der kommenden Woche zur Folge.

Im aktuellen Fall waren nach den Angaben der Polizist und ein Kollege am Dienstagabend mit dem Streifenwagen zum Ereignisort geschickt worden. Dort war das Hakenkreuz auf dem Gehweg gefunden worden. Gemeinsam mit einem Kollegen meldete der Polizist, er habe nichts festgestellt. Die Videoüberwachung wurde den Angaben zufolge ausgewertet und zeigte, wie der Polizeibeamte auf das Zellstoff-Hakenkreuz trat und es veränderte, nachdem es an seinem Schuh haftete.

Schon am Sonntag hatte ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde in der Großen Märkerstraße der Polizei ein ähnliches Hakenkreuz übergeben, das er zuvor gefunden hatte. Die Polizei sucht nach Zeugen. Eine weitere jüdische Gemeinde in Halle, die Synagogengemeinde, hatte Ende Mai Strafanzeige erstattet, weil sie einen Brief mit beleidigendem und volkshetzendem Inhalt erhalten hatte. Der polizeiliche Staatsschutz hatte die Ermittlungen übernommen, Schutzmaßnahmen wurden erweitert.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Landtag, Henriette Quade, zeigte sich schockiert. "Dass ein Polizeibeamter Antisemitismus offenbar nicht ahndenswert findet und bereit ist, schwerwiegende Dienstvergehen zu begehen, die Ahndung einer Straftat zu vereiteln und dadurch sogar selbst eine Straftat zu begehen, muss uns alarmieren." Das zeige, dass Antisemitismus kein Problem gesellschaftlicher Ränder sei, sondern weit verbreitet ist.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Sebastian Striegel, teilte mit: "Sollte sich der Verdacht gegen den Polizeibeamten bestätigen, ist das absolut bestürzend". Der besorgniserregende Vorgang müsse zügig aufgeklärt werden. "Ich begrüße daher, dass das Innenministerium schnell und umfassend informiert hat und dass gegen den Polizeibeamten Straf- und Disziplinarverfahren eingeleitet wurden."

Pressemitteilung der PI Halle

Pressemitteilung der Grünen-Landtagsfraktion

Pressemitteilung Linke-Landtagsfraktion