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Rufe nach Lockerungen: Haseloff bei Corona-Schalte

Den ganzen Winter über galt ein strenger Lockdown, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Jetzt neigt sich der Winter dem Ende zu - und der Lockdown? Sachsen-Anhalts Regierungschef will bei den Bund-Länder-Beratungen zum Thema frühzeitige Öffnungen durchsetzen.

03.03.2021, 04:55
Klaus-Dietmar Gabbert
Klaus-Dietmar Gabbert dpa-Zentralbild

Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff will bei den Beratungen mit seinen Amtskollegen von Bund und Ländern über weitere Lockerungen des Corona-Lockdowns trotz hoher Infektionszahlen verhandeln. Der CDU-Politiker geht mit zahlreichen Vorschlägen in die Bund-Länder-Schaltkonferenz am heutigen Nachmittag (14.00 Uhr). Sein Ziel ist es, weitere Öffnungen auch für den Inzidenz-Bereich von 50 bis 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern und Woche durchzusetzen, wie Haseloff im Vorfeld ankündigte.

So könnten die Kontaktregeln gelockert werden. Denkbar wäre auch, dass Einzelhändler mit Kunden Termine für das Einkaufen in kleinen Gruppen im Laden vereinbaren und Museen wieder öffnen. Bisher gilt die Verabredung, dass erst bei weniger als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner und Woche weitere Lockerungen des Lockdowns möglich sind. Sachsen-Anhalt liegt mit einem Landesschnitt von zuletzt mehr als 94 weit über dieser Schwelle und gehört zu den am stärksten betroffenen Bundesländern.

Damit reagiert Haseloff auch auf zahlreiche Einwände von Vertretern aus Wirtschaft, Kultur und Freizeit. So hatten etwa die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern den Fokus auf die Grenzwerte von 50 oder 35 Fällen je 100 000 Einwohnern und Woche als "Abwarteszenario" oder "Open-End-Lockdown" kritisiert. Es brauche eine realistische Perspektive, hieß es immer wieder.

Das sehen auch Gastronomen und Hoteliers so. Ihr Vorschlag: Öffnungsmöglichkeiten ab April, dem Monat der mit den Osterfeiertagen beginnt. Es brauche einen Fahrplan, der nicht allein am Infektionsgeschehen hänge, sagte der Landeschef des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Michael Schmidt, der Deutschen Presse-Agentur. So könnte zum Beispiel das Wetter ein Indikator sein. Im Außenbereich sei die Ansteckungsgefahr viel geringer, der Frühling könnte erlauben, dass Gastwirte ihre Freisitze öffnen.

Das Beherbergungsgewerbe sei sogar noch weniger vom Wetter abhängig, sagte Schmidt. Mit guten Hygienekonzepten und Schnell- oder Selbsttests beim Einchecken könnte auch hier das Verbreitungsrisiko gering gehalten werden. "Ähnlich wie voriges Frühjahr könnten Hotels und Ferienwohnungen auch zunächst nur für Einheimische öffnen", sagte Schmidt. Die Branche dürfe jedoch nicht vergessen werden, sonst drohe ein Totalschaden.

Davor warnt auch Michael Wiecker. Der Landesinnungsmeister der Konditoren betreibt in Wernigerode ein Café und hat mit seinen Berufskollegen in mehreren Städten Aktionen organisiert, um am Mittwoch auf die Situation der Betriebe aufmerksam zu machen. Er selbst will auf dem Markt seiner Heimatstadt 100 Stühle und Tische aufstellen, versehen mit der Botschaft "Außengastronomie mit Abstand öffnen". Ähnliche Aktionen seien in Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau geplant. Ziel sei es, dass Cafés und Restaurants ab April ihre Außenbereiche für Gäste öffnen dürfen. Auch er schlug dafür Ende März oder Anfang April als Starttermin vor. Die Gastronomen bräuchten eine Perspektive. "Vielen kleinen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals", sagte er.

Auch die Handwerkskammer Magdeburg dringt auf einen schnell greifenden Stufenplan, der aus dem Lockdown führt. Die bisherigen Pläne gingen nicht weit genug. "Einerseits sollen im Privaten mehr Kontakte zugelassen werden, andererseits bleibt die Wirtschaft weiterhin von umfangreichen Einschränkungen betroffen, obwohl das Infektionsgeschehen hier geringer sein dürfte", teilte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Burghard Grupe, mit. Derzeit geschlossene Handwerksbetriebe wie Uhr- und Schuhmacher, Goldschmiede, Autohäuser und Motorradhandel sowie Fotografen sollten sofort öffnen dürfen. Der Handelsverband und mehrere große Einkaufscenter fordern per Anzeigenkampagne, dass der Einzelhandel ab 8. März wieder seine Türen öffnen darf.

Ob sich Haseloff mit seinen Vorstellungen durchsetzen konnte, will er am späten Mittwochabend nach den Bund-Länder-Beratungen berichten. Ministerpräsidenten anderer Länder kündigten bereits an, keine großen Spielräume für Lockerungen bei weiter hohen Infektionszahlen zu sehen. Auch Haseloffs Koalitionspartner haben Bedenken. "Ich habe große Sorge, dass wir mit den von einigen geforderten Lockerungen und ohne gleichzeitig konsequentes regelmäßiges Testen, FFP2-Masken überall und deutlich erhöhtem Impftempo, in eine 3. Welle laufen, die besonders jüngere Menschen an Gesundheit und Leben bedroht", schrieb etwa der Grünen-Landeschef Sebastian Striegel auf Twitter.

© dpa-infocom, dpa:210302-99-659950/3