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Start der Landarztquote: Medizinstudium auch ohne Einser-Abi

Sachsen-Anhalt braucht dringend neue Mediziner, ganz besonders auf dem Land. Doch Arzt werden kann man bislang nur mit herausragendem Abitur. Sachsen-Anhalt bietet nun einen Sonderweg, um beide Probleme anzugehen.

Von Fabian Albrecht, dpa 13.02.2020, 13:43

Magdeburg (dpa/sa) - Etwa 300 Hausarzt-Stellen sind in Sachsen-Anhalt schon heute unbesetzt, fast doppelt so viele könnten es laut Kassenärzten in einem guten Jahrzehnt sein. Junge Mediziner, die einen der begehrten Studienplätze bekommen, gehen nach der Ausbildung eher in die Städte als in die Dörfer. Um mehr junge Ärzte aufs Land zu locken, bietet das Land einen Deal an: 20 Studienplätze sind für angehende Landärzte reserviert - die im Gegenzug das klassische Auswahlverfahren umgehen, bei dem es vor allem auf die Abinote ankommt, und auch durch medizinische Erfahrung punkten können.

Kriterien und Auswahlverfahren für die sogenannte Landarztquote stellten am Donnerstag Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Burkhard John, vor. Für die Studierenden geht mit dem Platz die Verpflichtung einher, nach Studium und Facharztausbildung mindestens zehn Jahre in einer ländlichen Gegend mit schlechter Versorgung an Hausärzten zu praktizieren.

Interessierte können sich bis zum 31. März über ein Onlineportal bewerben. Dabei spielt neben der Abinote auch die bereits gesammelte Berufserfahrung im medizinischen Bereich eine Rolle. Die Bewerber werden dann zu einem Studienfähigkeitstest eingeladen, der besonders auf die Eignung als Landarzt abzielt.

Am Ende werden die Bewerber nach einem Punktesystem bewertet: 50 Prozent der Punkte werden nach dem Test verteilt und 40 Prozent nach der Berufserfahrung. Nur 10 Prozent macht dann die Abinote aus, die in herkömmlichen Bewerbungsverfahren für ein Medizinstudium mit 70 bis 80 Prozent zu Buche schlägt. Die 20 Bewerber mit den meisten Punkten starten dann im Oktober ins Studium.

Grimm-Benne sagte am Donnerstag, sie sei überzeugt, dass es unter den vielen Pflegekräften, Notfallsanitätern und Hebammen ein erhebliches Potenzial für diese Plätze gebe "und dass man auch ohne Einser-Abitur ein empathischer, fachlich guter Landarzt werden kann".

Mit der starken Gewichtung der Berufserfahrung entspreche das Land auch einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem März 2019. Die Karlsruher Richter hatten geurteilt, dass die hohe Bedeutung der Abinote bei der Vergabe der Medizin-Studienplätze teilweise verfassungswidrig ist.

Die Quote sei sicher "kein Allheilmittel", sagte die Ministerin. Sie sei ein Versuch, den absehbaren Mangel an Landärzten einzugrenzen. John sprach von einem wesentlichen Baustein im Kampf gegen den Ärztemangel auf dem Land. Gerade in einem Land mit so alter Bevölkerung wie Sachsen-Anhalt seien Hausärzte wichtig für die ambulante Versorgung. Auch die Ärztekammer in Sachsen-Anhalt warnte vor dem Medizinermangel. Die Ausbildung von Nachwuchs reiche nicht, sagte Kammerpräsidentin Simone Heinemann-Meerz: "Die zukünftigen Mediziner müssen auch an das Land gebunden werden."

Die Landarztquote wird derzeit in vielen Ländern diskutiert. Am Mittwoch verabschiedete der saarländische Landtag ein entsprechendes Gesetz, in Rheinland-Pfalz und Bayern startet das Projekt wie in Sachsen-Anhalt im kommenden Wintersemester. Als erstes Land hatte Nordrhein-Westfalen die Quote eingeführt, dort starteten die ersten Landarzt-Studenten schon im laufenden Wintersemester.