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Team-Europameisterschaft Das schwere Erbe der Ära Boll: Tischtennis-Team heiß auf EM

Der bekannteste Spieler hat aufgehört. Die großen Namen spielen jetzt für Frankreich oder Schweden. Das deutsche Team steht vor einer schweren EM - ist aber gerade deshalb besonders motiviert.

Von Sebastian Stiekel, dpa 09.10.2025, 12:01
Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf beim Training mit Nationalspieler Dang Qiu.
Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf beim Training mit Nationalspieler Dang Qiu. Rolf Vennenbernd/dpa

Düsseldorf - Alles im Trainingszentrum der deutschen Tischtennis-Nationalmannschaft erinnert an die Erfolge der vergangenen 20 Jahre. Direkt in der großen Trainingshalle in Düsseldorf hängt ein Foto, das Timo Boll mit seiner letzten WM-Medaille 2021 in Houston zeigt. Auf dem Flur sind großformatige Bilder von diversen Olympischen Spielen zu sehen.

Neun Mannschafts-EM-Titel, sechs WM-Finals und vier olympische Medaillen im Team-Wettbewerb: Das ist die stolze Ausbeute der Ära Boll/Ovtcharov im deutschen Tischtennis. Und daran wird die neu formierte Nationalmannschaft auch weiter gemessen, wenn an diesem Sonntag im kroatischen Zadar die erste Team-EM seit dem Karriereende des Rekord-Europameisters Boll beginnt.

„Wenn man die letzten 20 Jahre so viele Erfolge feiern konnte, ist es schwierig, den Spielern nur zu sagen: Wir wollen dort eine Medaille holen“, sagt Bundestrainer Jörg Roßkopf. „Die beste Mannschaft in Europa zu sein: Da wollen wir wieder hin.“ Nach der Endspiel-Niederlage 2023 in Schweden sowie dem Viertelfinal-Aus bei der Team-WM und den Olympischen Spielen 2024 steht sein Team aber vor einigen Herausforderungen.

Die internationale Konkurrenz

Die Deutschen treten in Zadar zwar mit den Nummern 8, 14 und 15 der aktuellen Weltrangliste an. Doch die langen Karriereverläufe des Ruheständlers Boll (44) und des bei dieser EM geschonten Dimitrij Ovtcharov (37) haben zur Folge, dass ihre Nachfolge-Generation auch nicht mehr die jüngste ist: Benedikt Duda (31), Dang Qiu (28) und Patrick Franziska (33) führen jetzt das Team.

„Die Unterschiedsspieler, die wir über Jahre immer in Deutschland hatten“, spielen jetzt für andere Nationen, sagt der viermalige Team-Europameister Franziska vom Champions-League-Sieger 1. FC Saarbrücken. Er meint damit vor allem die Franzosen mit den Brüdern Alexis Lebrun (Einzel-Europameister) und Felix Lebrun (Olympia-Dritter). Oder den Titelverteidiger Schweden, der bei dieser EM allerdings kurzfristig auf den verletzten Grand-Smash-Sieger und Olympia-Zweiten Truls Möregardh verzichten muss.

Und auch der deutsche Sportvorstand Richard Prause betont: „Es ist nicht mehr so, dass wir zu einer Europameisterschaft fahren, alle erstarren, den Schläger fallenlassen und uns zum Sieg gratulieren.“ Genau diese Erkenntnis plus das enttäuschende Ende der vergangenen Turniere spornen Bolls Erben aber offenbar an. „Wir sind Deutschland. Warum sollten wir nicht Gold anvisieren?“, sagt Franziska. „Du merkst schon seit Wochen auch in unserer WhatsApp-Gruppe: Jeder Einzelne ist heiß auf das Turnier.“

Die interne Konkurrenz

Jahrelang stand das deutsche Frauen-Team bei einer EM oder WM im Schatten der noch erfolgreicheren Männer. Das könnte sich bei diesem Turnier ändern. Junioren-Weltmeisterin Annett Kaufmann ist das mit Abstand größte und meist beachtete Talent Europas. Die aktuelle deutsche Nummer eins, Sabine Winter, schaffte dazu etwas, das in dieser detailverliebten und hochkomplexen Sportart vorher noch nie jemand auf diesem Niveau gewagt hat: Sie stellte im Alter von 32 Jahren erfolgreich Schlägerbelag und Spielweise um.

Besonders im Blickpunkt wird in Zadar aber die deutsche Bundestrainerin stehen: Tamara Boros (47) ist Kroatin, ehemalige Nummer zwei der Weltrangliste und bis heute die letzte Europäerin, die 2003 in Paris eine Einzelmedaille bei einer Weltmeisterschaft gewann. „Das ist das erste Mal, dass ich als Bundestrainerin ein Turnier in Kroatien spiele. Das ist etwas Besonderes für mich“, sagte Boros. „Hoffentlich spielen wir nicht gegen Kroatien.“

Die Zukunft der Team-EM

Im April gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, dass die Team-Wettbewerbe der Frauen und Männer bei Olympischen Spielen künftig durch einen gemischten Mannschafts-Wettbewerb ersetzt werden. Was das in Zukunft für die im Jahreswechsel ausgetragenen Team-Welt- und Team-Europameisterschaften bedeutet, ist noch nicht entschieden. Die Deutschen hoffen jedoch, dass es sie auch weiterhin geben wird.

„Ein Mannschafts-Wettbewerb ist ein Herzstück des Tischtennis und hat eine unglaublich lange Tradition“, sagt Prause. „Wir tun im Tischtennis gut daran, Dinge, die sich gut entwickelt haben, auch weiter zu bespielen.“