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Hertha-Profi Die kranke These zu Rassismus im Stadion

Nach dem Rassismus-Eklat um Hertha-Profi Jordan Torunarigha sagt ein Professor: "Fußballer müssen rassistische Beleidigungen ertragen."

25.02.2020, 12:12

Berlin l Es gibt diese Momente als Journalist, in denen man selber ungläubig auf den Bildschirm starrt und Zeile für Zeile noch einmal lesen muss. Um zu verstehen. Nur, um dann auch nach dem zweiten Mal Lesen festzustellen: Nein, geht nicht. Ein solches Beispiel hat Professor Stefan Chatrath am Montag mit seinem Beitrag "Die Leiden des jungen Torunarigha" in der Zeitschrift "Novo Argumente" geliefert. Darin stellt er die These auf, dass Bundesliga-Profis rassistische Beleidigungen ertragen müssen.

Sein Fallbeispiel: Jordan Torunarigha. Der Bundesliga-Profi von Hertha BSC Berlin wurde im DFB-Pokal-Achtelfinale auf Schalke rassistisch beleidigt, Affenlaute hallten von den Rängen. Der 22-Jährige brach noch auf dem Feld in Tränen aus. Chatrath stellt nun ernsthaft die Frage: "Wie kommt es zu dieser emotionalen Überreaktion von Jordan Torunarigha?" Weil, naja, weil man doch als Absender von Worten keine absolute Kontrolle über deren Wirkung beim Empfänger habe, schreibt Chatrath. Der ist, ganz nebenbei bemerkt, Studiengangsleiter für Sport und Event Management an der University of Applied Sciences Europe in Berlin. Und wurde außerdem 2017 vom Landessportbund Berlin in dessen Wissenschaftliche Kommission berufen. Ein "Offizieller", einer, dem man aufgeklärtes Denken zutraut.

Chatrath aber belehrt uns eines Besseren. Er halte es für falsch, dass Torunarigha im Nachgang Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt habe. Ein Fußballer, das soll bitte der harte Kerl mit emotionalem Stahlpanzer bleiben, der jede Häme, jede Beleidigung, jede zutiefst menschenunwürdige Beschimpfung an sich abperlen lässt. Doch Chatrath wird noch unverschämter. Er fragt: "Wäre es nicht möglich, dass Jordan Torunarigha sich verhört hat?" Beweise gebe es keine, kein Mitspieler hätte die von ihm wahrgenommenen Affengeräusche bestätigt. Falsch. So bestätigte Niklas Stark direkt nach Spielende die Affenlaute von der Tribüne. "Wir brauchen objektive Belege", schreibt Chatrath. Aber eigentlich benötigt er die nicht, weil sie nicht in sein Narrativ passen.

Chatrath entlarvt sich selbst, als er nur einen Absatz weiter gar keine Zweifel mehr an den wahrgenommenen Affenlauten hegt, indem er nach gruseligen Schutzbehauptungen für Rassisten sucht. Chatrath schreibt: "Es könnte zudem gut sein, dass die Absender selbst von der Wirkung ihrer Affenlaute überrascht sind und diese jetzt bereuen." Problem nur: Wer sich rassistisch äußert, darf sich nicht beschweren, als Rassist bezeichnet zu werden.

Nur mit einem Satz – aber auch nur, wenn man ihn aus dem Kontext reißt - hat Chatrath Recht: „Worte sind immer Symbole, die interpretiert werden müssen." Das stimmt. Affenlaute sind eine sehr klare Botschaft. Eine, die noch immer in erschreckender Regelmäßigkeit durch europäische Stadien weht. Keine aber, die auch nur den geringsten Zweifel an der persönlichen Einstellung seiner Sender aufkommen lässt. Wenn Chatrath also schreibt, dass man als Absender der Worte keine absolute Kontrolle über deren Wirkung beim Empfänger hat, dann ist das schlichtweg Dummstellen mit Ansage.

Torunarigha muss rassistische Beleidigungen nicht ertragen. Er darf sie nicht erfahren. Dass Chatrath das anders sieht, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Der Landessportbund Berlin sollte ihn abberufen.

 

Noch heute will das LSB-Präsidium über den Verbleib von Chatrath in der Kommission entscheiden. Die University of Applied Sciences Europe in Berlin reagierte umgehend auf die Aussagen Chatraths und erklärte gegenüber der Volksstimme: "Als Hochschule distanzieren wir uns ganz klar und deutlich von den Aussagen von Professor Chatrath. Als internationale Hochschule stehen wir für Pluralismus und Diversität. Wir haben für solcherlei Aussagen keinerlei Verständnis." Die Hochschulleitung werde sich intern mit Chatrath auseinandersetzen und eruieren, warum er diese Aussagen getroffen hat. (Meinung)