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Eindrücke vom Weihnachts-Orientierungslauf in Magdeburg "Geradeaus laufen kann jeder"

24.12.2010, 04:21

Leserin Almuth Steinhoff, selbst begeisterte Leichtathletik-Anhängerin, weilte kürzlich beim Weihnachts-Orientierungslauf (OL) in Magdeburg. In ihrem Erlebnisbericht schildert sie ihre Eindrücke von einer Sportart, für die meist nur eine Randnotiz bleibt. Ihr Tenor: "Orientierungslauf ist für Groß und Klein eine Herausforderung und macht großen Spaß".

Magdeburg. Übersichtlich war es, das Teilnehmerfeld des 20. Weihnachtsorientierungslaufes im Magdeburger Rotehornpark. Man kennt sich, viele Sportler sind auch freundschaftlich miteinander verbunden, und so ist der Charakter dieser Laufveranstaltung familiär, Konkurrenzgedanken stehen hinten an.

Trotz des plötzlich einsetzenden Tauwetters bedeckte nasser, schwerer Schnee die Wiesen und Wege um den Adolf-Mittag-See. Einen Vorteil, sich nach den Spuren vorher gestarteter Läufer zu richten, gab es dennoch nicht. Die meisten Teilnehmer kennen das parkähnliche Gelände wie ihre "Westentasche". Außerdem sollen sie sich mit Karte und Kompass orientieren. Streckenlängen von zwei Kilometer bis zum "langen Kanten" von 8,5 Kilometer standen den 70 Startern zur Auswahl.

Die Organisatoren um Christa Buerschaper, Burkhard Otto, Erik Riebeseel und Holger Jurack haben sich zur Jubiläumsveranstaltung sowohl in der Historie als auch in der Gegenwart orientiert und eine interessante Variante dieser Sportart gefunden.

Während bei herkömmlichen Laufveranstaltungen Streckenverlauf und Beschaffenheit des Bodens bekannt sind, gilt es beim Orientierungslauf, eine nur durch Posten (Anlaufpunkte) fixierte Strecke schnellstmöglichst zu absolvieren. Das Organisationsteam wählte eine Kombination von Posten-OL und Netz-OL und überraschte die Teilnehmer im ersten Streckenabschnitt mit Kartenskizzen aus dem Jahr 1974. Diese im Maßstab 1:10 000 gefertigten schwarz-weißen Raritäten wurden von Christa Buerschaper bereitgestellt und durch Erik Riebeseel eingescannt und vervielfältigt. So wurde vom ersten Posten an mit Lochzange "geknipst", die meisten Aktiven kennen diese Registrierung noch aus ihren "OL-Lehrjahren".

Den ersten Kartenwechsel vollzogen Starter auf der Insel im Adolf-Mittag-See. Die Pagode bot Schutz und Rundumsicht, ehe Teil zwei mit einer aus dem Jahr 2009 stammenden farbigen Karte in Angriff genommen wurde. Beim zweiten Stopp auf der Sternbrücke beziehungsweise Cracauer Brücke wartete eine weitere Herausforderung. Von einem Kartenmuster mussten die restlichen Postenstandorte auf die eigene Karte übertragen werden. Hier galt es, trotz der Erschöpfung ganz genau einzuzeichnen. Je nach Bahn waren das fünf bis neun Kontrollstellen.

Nach Art eines Netz-OL absolvierten die Läufer den dritten und letzten Abschnitt des Wettbewerbes. Der Empfang am Ziel durch "Weihnachtsmann" Burkhard Otto war Lohn und Abschluss eines mit Kreativität und Akribie vorbereiteten Wettkampfes, der am Ende nur Sieger hatte.

"Jeder Starter ist für uns wichtig, denn Orientierungslauf ist in Deutschland leider nur eine Randsportart", resümierte Erik Riebeseel, der wie einige andere jüngere OL‘er durch die Eltern herangeführt wurde. "Als Veranstalter sind wir froh, wenn wir 60 bis 70 Starter auf die Strecke schicken können. Wir wären froh, wenn diese den Kopf und die Ausdauer fordernde Sportart bekannter werden würde."

In den skandinavischen Ländern gehört Orientierungslauf zum Lehrstoff in den Schulen und ist so populär wie bei uns der Fußball. "Schwer vorzustellen, eine OL-Schlagzeile in den Sportnachrichten", scherzte der diesjährige Bahnenleger. Obwohl dies in zwei Jahren der Fall sein könnte, denn 2012 finden in Bad Harzburg die Weltmeisterschaften der Senioren im Orientierungslauf statt.

Irma Riebeseel, die in diesem Jahr beim Kartenwechsel half, will auf jeden Fall im kommenden Jahr in Ungarn und auch bei der heimischen WM an den Start gehen. Und was macht einen Orientierungsläufer aus? "Geradeaus laufen kann jeder", meint Riebeseel nicht abschätzig, sondern auf die Besonderheit dieses Sportes verweisend. Der Natur auf besondere Weise verbunden sein – trotz des Querfeldeinlaufens wird hier nichts zerstört – ist sehr oft als Motivationsgrund zu hören.

Bei der Jahresabschlussveranstaltung im Sportlerheim Seilerwiesen wurde nicht nur die Landesrangliste ausgewertet, sondern auch über die Idee gesprochen, mit benachbarten Bundesländern Laufveranstaltungen zu organisieren. Vielleicht tut sich hier ein Weg auf, der Stagnation im eigenen Bundesland entgegen zu wirken. Weitere Ansätze sind die Integration des OL-Gedankens bei einem Projekt an der Sportsekundarschule "Hans Schellheimer" Magdeburg. Hier verbindet die Lehrerin und ehemalige Orientierungsläuferin Antje Hermann traditionellen OL mit Verkehrserziehung. Holger Jurack gestaltete 2010 innerhalb eines Sponsorenlaufes an der Grundschule Möser eine Station Orientierungslauf und weckte damit das Interesse der Sportlehrer, die für 2011 eventuell einen OL-Projekttag für alle 280 Schüler planen wollen. Zaghafte Ansätze also, dieses zarte Pflänzchen zu hegen und zum Wachsen zu verhelfen.

Almuth Steinhoff, Lostau