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Rodel-Ikone "Lillehammer war perfekt" - Hackl kritisiert IOC

Rodel-Ikone Georg Hackl kritisiert den Gigantismus bei den Olympischen Spielen. Der 52-Jährige wünscht sich, dass sich das IOC wieder auf die Werte besinnt, die den olympischen Gedanken ausmachen.

Von Interview: Stefanie Sandmeier, dpa 12.02.2019, 04:00

Düsseldorf (dpa) - Als Sportler war Georg Hackl einer der erfolgreichsten Rennrodler der Welt. Dreimal gewann er olympisches Gold. Heute geht er mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hart ins Gericht. Die Entwicklung der Olympischen Spiele passt dem Diplom-Trainer überhaupt nicht.

Vor 25 Jahren haben Sie in Lillehammer zum zweiten Mal olympisches Einzel-Gold gewonnen. Welche Bedeutung hat dieser Erfolg?

Georg Hackl: Es war eine sehr hart erkämpfte Goldmedaille, das macht sie auch deshalb besonders. Markus Prock und ich lieferten uns einen Zweikampf, der an Dramaturgie kaum zu überbieten war. Die Führung wechselte hin und her. Nach zwei Durchgängen lag ich knapp mit nur einer Hundertstelsekunde vorne. Prock schlug mit Laufbestzeit zurück und fuhr im dritten Durchgang einen Vorsprung heraus. Am Ende war ich mit wenigen Tausendstelsekunden der strahlende Sieger. Solch ein Duell zu gewinnen war einfach nur schön.

Besitzt dieses zweite Gold eine höhere Wertigkeit?

Hackl: Ein Olympiasieg ist immer etwas Herausragendes. Wenn man aber einen solchen Erfolg wie in Albertville in Lillehammer bestätigen und vier Jahre später in Nagano sogar wiederholen kann, dann schafft man damit etwas für die Geschichtsbücher.

Sie haben zwischen 1988 und 2002 an fünf Winterspielen teilgenommen. Waren Lillehammer die schönsten Spiele?

Hackl: Für mich waren sie perfekt. Das schöne Wetter, die winterliche, heimelige Atmosphäre, die Begeisterung der Norweger - das Gesamtbild hatte Postkarten-Idylle. Mit dem Kufenstüberl gab es überdies eine Begegnungsstätte, wo ich viele schöne Momente erleben durfte. Dieser Gigantismus - dieses immer höher, schneller, weiter, dem die Spiele inzwischen unterliegen - war noch nicht so spürbar. Ich sehe die Entwicklung sehr problematisch.

Inwiefern?

Hackl: Die Spiele sind zu einem gigantischen Medienereignis geworden, von dem aber ausschließlich die Sponsoren des IOC profitieren und ansonsten weder die Sportler noch die nationalen Verbände oder Ausrichterorte etwas vom Kuchen abbekommen. Die Haupt-Protagonisten, die Sportler, werden dagegen extrem beschnitten, dürfen kaum private Sponsoren tragen, damit die Partner des IOC noch mehr im Mittelpunkt stehen. Auch bei der Vergabepraxis für die Spiele ist das IOC in ein Fahrwasser geraten, das nicht mehr gut ist.

Was kritisieren Sie?

Hackl: In freiheitlichen Gesellschaften hat die olympische Idee offenbar Probleme, noch Anklang zu finden. Wenn demokratische Länder wie Deutschland es nach Bürgerentscheiden ablehnen, Olympische Spiele auszurichten, finde ich das bedenklich. Ich würde mir wünschen, dass man sich innerhalb des IOC wieder den eigenen Werten besinnt, die den olympischen Gedanken ausmachen.

Trauern Sie der Münchner Bewerbung nach?

Hackl: Ich finde es nach wie vor schade, dass die Bürger dagegen gestimmt haben. Aber man muss sich auch fragen, warum haben sie das? Die Skepsis gegenüber dem Event und seiner Auswüchse ist zunehmend zu spüren. Das IOC verdient an TV- und Werbe-Einnahmen Milliarden. Dann kann es doch nicht sein, dass der Steuerzahler des Veranstalterortes dafür geradestehen muss. Das ist einfach nicht mehr in Ordnung und den Menschen auch nicht zu vermitteln. Ich weiß auch, dass es nicht immer klug ist, so offen Kritik zu äußern. Aber wenn wir nur noch eine Gesellschaft von Leisetretern sind, werden wir in der heutigen, unseren Welt nichts erreichen. Doch ich sage auch: Gerade wir in Deutschland mit unseren gewachsenen Wintersportorten und Strukturen könnten nachhaltige Spiele veranstalten.

Sollte sich Deutschland noch einmal bewerben?

Hackl: Unter bestimmten Voraussetzungen ist es einen Versuch wert, aber das muss die Bevölkerung mehrheitlich wollen. Und dann muss eine Bewerbung auch Sinn machen. Da steckt viel Arbeit drin und verschlingt horrende Summen. Das sollte man nur investieren, wenn man realistische Chancen auf einen Zuschlag hat. Die Münchner Bewerbung hat mich dahingehend etwas desillusioniert. Es wurden enorme Klimmzüge gemacht, um dem IOC und seinen Vorgaben bei der Wahl und Entfernung der Sportstätten Rechnung zu tragen. Letztlich gingen die Spiele nicht nur zweimal in Serie nach Asien, sondern auch an Orte, wo die Wettkampfstätten teils weiter auseinanderliegen.

Lässt sich das Rad wieder zurückdrehen?

Hackl: Die Frage ist: Ist das überhaupt gewollt? Wenn ja, sollte das IOC damit anfangen.

Anders gefragt: Ist Olympia noch zu retten?

Hackl: Olympia ist ein weltweites Sportereignis. Im Moment muss man sich um den Fortbestand keine Sorgen machen. Problematisch wird es dann, wenn mal ein Wettbewerber auftritt, der Olympische Spiele besser, schöner und lukrativer für die Sportler anbietet.

Trotz allem freuen Sie sich noch auf die Spiele.

Hackl: Natürlich, weil es eine geniale Erfindung ist, die inzwischen aber einen negativen Ruf hat. Das Sportereignis Olympische Spiele als solches ist wunderbar, das Größte für einen Sportler. Die Spiele haben zu einem sehr großen Teil mein Leben bestimmt. Ich möchte die Zeit nicht missen.

Sind Sie froh, nicht mehr als Sportler dabei sein zu müssen?

Hackl: Jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile. Zu meiner aktiven Zeit war der Sport noch nicht so kommerzialisiert wie heute, wobei im Rodeln auch weiterhin nicht die großen Gelder verdient werden. Wir sind eine schöne kleine Sportlerfamilie. Wir alten Haudegen, die früher Gegner waren, laufen uns inzwischen in anderen Funktionen über den Weg.

Inzwischen geben Sie ihr Wissen als Technik-Trainer der deutschen Nationalmannschaft weiter und haben Natalie Geisenberger oder Felix Loch zu ihren Olympiasiegen mitverholfen.

Hackl: Ich bin als Trainer weiterhin gerne dabei. Was ich in dieser Funktion mit unseren Sportlern für Erfolge feiern durfte und miterlebe, macht mich stolz und ist sehr erfüllend.

Trauen Sie Felix Loch zu, dass auch er noch sein drittes olympisches Einzel-Gold gewinnt?

Hackl: Ich bin davon überzeugt: Felix wird eine neue Chance bekommen. Er ist ein begnadeter Athlet mit sehr hohem Potenzial. Wenn er das voll ausschöpft, ist er nicht zu schlagen.

Wie lange machen Sie als Trainer weiter?

Hackl: Ich gehöre als Trainer weiterhin der Sportfördergruppe der Bundeswehr an. Womöglich kann ich dort in etwa zweieinhalb Jahren in Pension gehen. Dem Rodelsport werden ich danach bestimmt erhalten bleiben - vielleicht in anderer Funktion. Ich strebe an, meinen Aufgabenbereich etwas flexibler zu gestalten.

ZUR PERSON: Georg Hackl war bis zum Ende seiner Karriere im Jahre 2006 einer der bekanntesten deutschen Rennrodler und gewann dreimal Gold bei Olympischen Winterspielen. Heute gibt er als Trainer sein Wissen weiter.

Rodeln bei Olympischen Winterspielen