Nachwuchs-Handball: Christin Conrad aus Hecklingen feiert mit der A-Jugend des HC Leipzig ihren größten Triumph "Die letzten vier Minuten waren unbeschreiblich"
Hecklingen (sam). Ob in der Leichtathletik, im Fußball oder zuletzt im Handball - Christin Conrad hat Erfolg. Wie andere Briefmarken, sammelt die Hecklingerin Medaillen. Eine glänzt schöner als die andere. Gezählt hat sie ihre Goldschätze noch nicht, dafür bleibt nur wenig Zeit. Vor kurzem kam eine weitere Medaille hinzu, die alle anderen bei weitem überstrahlt. Die 16-Jährige erkämpfte sich mit den A-Jugend-Handballerinnen des HC Leipzig beim Final-Four-Turnier in Blomberg den Meistertitel. Es ist ihr bisher größter Triumph, weitere sollen folgen.
Ihr Traum, bei der gegenwärtigen U 17-Europameisterschaft im tschechischen Zlin im Kader des Teams von Bundestrainerin Ute Lemmel zu stehen, war hingegen schnell vorbei. Eine Verletzung warf Christin Anfang des Jahres zurück. Ihre Lymphknoten waren angeschwollen, die drückten dann auf einen Muskel. Die Schmerzen wurden unerträglich, so dass sie sich nach dem Saisonende einer Operation unterzog und der Tross ohne sie nach Zlin fuhr.
Trost gaben ihr die jüngsten Erfolge. Erst Anfang Mai feierte Christin ihren 16. Geburtstag und schaffte zugleich den Sprung in den Kader der A-Jugend des HCL. Ihren ersten großen Auftritt hatte sie nur wenige Tage später. Das war im Rückspiel der Süddeutschen Meisterschaft gegen die TSG Ketsch, als Christin einen Treffer zum 41:36-Sieg beisteuerte und ihren ersten großen Titel mit den Youngsters feierte. Der nächste Höhepunkt sollte Mitte Juni folgen, als sich Christin mit dem Team um Trainerin Dr. Marion Mendel für das Final-Four-Turnier in Blomberg qualifiziert hatte. Es waren nicht nur für sie, sondern auch für ihre Eltern zwei aufregende Tage, die sie wohl nicht so schnell vergessen werden.
Bereits am Freitag reiste der HCL nach Ostwestfalen. Christin überbrückte die fast fünfstündige Busfahrt mit Schlafen, Musikhören und Singen. Noch spürte sie keine Anzeichen von Nervosität. Dieses Gefühl bekam sie erst einen Tag später, als der Anpfiff der Halbfinalpartie gegen den Gastgeber, die HSG Blomberg-Lippe, immer näher rückte. Die Aufregung stieg, spätestens, als sich beide Teams bei der Erwärmung vor dem Spiel zum ersten Mal gegenüberstanden. Bisher kannte der HCL seinen Gegner nur vom Video. "Beim Anblick der Spielerinnen wussten wir, dass es nicht leicht werden würde. Sie waren uns körperlich überlegen", schätzte Christin ein. Die nötige Motivation holte sich der HCL in der Kabine. Mendel gab die letzten Anweisungen, ein Kreis wurde gebildet und das Team stimmte sein selbst komponiertes Lied an und ging voller Optimismus in die Partie. In der Halle sorgten dagegen die mitgereisten HCL-Fans sowie die Eltern für eine Gänsehaut-Atmosphäre. Ein Block war für den Anhang reserviert, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. "Es waren wohl um die 100 Fans, die für eine phänomenale Atmosphäre sorgten", schätze Thomas Conrad, ihr Vater, ein. Diese Kulisse motivierte die Mannschaft zusätzlich. Christin nahm aufgrund ihrer Verletzung zunächst auf der Bank Platz. Sie litt am Spielfeldrand mehr, als wenn die Rechtsaußen selbst auf der Platte gestanden hätte. "Es war eine sehr nervenaufreibende Partie", sagte sie. Zumal zu Beginn die taktischen Vorgaben nicht griffen. So verlief das Match sehr ausgeglichen. Das bessere Ende verbuchte der HCL für sich (33:31) und sicherte sich das Final- ticket. Es herrschte Freude pur, nicht nur auf dem Parkett, sondern auch im Fanblock. Für die HCL-Mädels klang der erste Tag bei einem gemeinsamen Abendessen mit Salat und Nudeln aus. "Wir saßen noch gemütlich zusammen, haben erzählt und sind dann gegen 22 Uhr ins Bett gegangen."
Der zweite Tag wurde kein Zuckerschlecken, denn im zweiten Halbfinale hatte sich die TSG Ketsch durchgesetzt. Dieses Team kannte der HCL schließlich. Im dritten Aufeinandertreffen sollte es wesentlich spannender zugehen. Am Ablauf der Vorbereitungen änderte der HCL nichts. Nach dem Frühstück ging es gleich in die Halle. "Wir haben ein bisschen Fußball und Volleyball gespielt." Nach der Einheit ging es wieder zurück ins Hotel zum Mittagessen. Als Einstimmung auf das große Finale schaute sich der HCL das Spiel um Platz drei an und ging danach in die heiße Phase der Vorbereitung über. Die Situation war bekannt, denn bereits zum dritten Mal in Folge stand das Team im Endspiel, es hatte bisher zweimal das Nachsehen.
Als Einstimmung auf die Partie stimmte der HCL zunächst in der Kabine sein Lied an, in der Halle sang er lautstark die Deutsche Nationalhymne mit. Lautstark ging es auch auf dem Parkett zu. Nach anfänglichen Problemen im Abschluss setzte sich der HCL Mitte der ersten Hälfte auf drei Treffer zum 9:6 ab. Es lief alles nach Plan, doch in der Schlussphase bekam die TSG Aufwind und enteilte zum 13:16-Halbzeitstand. Christin fieberte, wie bereits wie im Halbfinale, an der Seitenlinie mit. Die zweite Hälfte sollte die erste noch toppen. Insbesondere die letzten vier Minuten "waren unbeschreiblich". Der HCL drehte eine zwischenzeitlich fast schon verloren geglaubte Partie noch in einen 29:28-Erfolg. "Alle sind auf das Feld gelaufen und haben angefangen zu weinen", hatte Thomas Conrad beobachtet. Ihn hatte die Partie ebenfalls gehörig mitgenommen. "Ich hatte keine Stimme mehr, es war auch nicht gut fürs Herz." Er und seine Frau Bettina zeigten sich richtig stolz, als ihre Tochter die Goldmedaille umgehängt bekam.
Auf die Meisterschaftsshirts wartete der HCL allerdings vergeblich, denn im vergangenen Jahr waren diese bereits gedruckt und der Titeltraum zerplatzte. Stattdessen überreichte Manager Kay-Sven Hähner jedem eine Rose. Die Rückfahrt trat Christin mit ihren Eltern an und träumte auf der Rückbank wohl schon von ihren nächsten großen Zielen. "Mein großer Traum ist an den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen teilzunehmen." Auf eine Teilname würden Manfred und Bärbel Reinicke, die beiden Großeltern, die gestern Goldene Hochzeit feierten, mit Sicherheit ebenso stolz sein wie auf den Meistertitel in der A-Jugend.