Sportart im Portrait Nordic Walking - Workout nur für Ältere?
Ich war blutjunge 25 Jahre alt, spielte ganz passabel Basketball und war - zumindest in meinen Augen - fit wie der berühmte Turnschuh.
Salzwedel l Zu dieser Zeit sah ich das erste Mal eine etwas betagtere Dame mit zwei Skistöcken durch die Gegend wandern. Ich traute meinen Augen nicht und belächelte sie sogar. Heute weiß ich - es ist Sport, richtiger Sport. Es ist Nordic Walking.
Mittlerweile bin ich 20 Jahre älter, habe im Sport so ziemlich alles ausprobiert, was irgendwie geht und besitze selbst zwei Nordic Walking Sticks. Natürlich hat sich auch die Denkweise verändert.
Das Bild der Dame hab ich aber immer noch genau vor mir - graue Haare, Stirnband und Gymnastikhose - und entschuldige mich irgendwie vor mir selbst. Hätte ich diese Dame heute getroffen, hätte ich wahrscheinlich respektvoll genickt und mich für sie gefreut, dass sie sich fit hält und richtigen Sport treibt.
Bei mir fing alles mit der - zugegebenermaßen immer nervenden - Frage von meiner Frau nach Spaziergängen an. Boahhh, schon wieder ne Wallrunde - meine Gedanken absolvierten im Zeitraffer die Strecke, natürlich mit Erzählpausen mit den Bekannten und Freunden, die man halt immer so trifft.
Okay Spazierengehen, statt der Mysterieserie auf Netflix. Aber es machte dennoch Spaß. Wir redeten über dies und das, und die Zeit verging widererwarten doch recht schnell. Die Sportuhr war scharfgeschaltet und zeichnete per GPS nicht nur die genaue Strecke, sondern auch Kalorienverbrauch, Auf- und Abstieg, die Pace und die Durchnittsgeschwindigkeit auf. Es war also ein Spaziergang mit sportlicher Note.
Und da meine Partnerin aus sportlicher Sicht leicht mitzureißen und auch für alles offen ist, kam mir der zündende Gedanke. Wir machen jetzt Nordic Walking. Ich hatte schon oft beobachtet, dass mittlerweile nicht nur die „betagteren Damen“ mit den Sticks unterwegs waren, sondern auch junge und optisch sportlich aussehende Menschen. Im Rahmen vieler Laufveranstaltungen - auch beim beliebten Elbe-Ohre-Cup - bieten viele Ausrichter auch eine Nordic Walking Strecke an. Zweistellige Teilnehmerzahlen, so wie zuletzt in Kuhfelde beim Frühjahrslauf, sind dabei keine Seltenheit.
Schaut man auf die Zeiten, die dort erreicht werden, darf man gern mal ein staunendes Gesicht aufsetzen. Ich kann mich nämlich noch sehr gut an meine eigenen Lauf-Anfänge erinnern, als ich froh war, über 5 Kilometer eine Zeit von knapp 40 Minuten erreicht zu haben, geschweige denn überhaupt durchgelaufen zu sein. Ich bin mir sicher, der eine oder andere Nordic Walker, ob weiblich oder männlich, schafft diese Zeit ganz ohne sich groß anstrengen zu müssen.
Okay, ich muss mich also näher mit dem Thema Nordic Walking beschäftigen. Einmal, um den für mich eher langweiligen und eintönigen Spaziergänge irgendwie aus dem Weg zu gehen, und zum anderen sportlich ein neues Fenster zu öffnen. Gesagt, getan. Ich erzählte meiner Frau von der Idee, das einmal auszuprobieren. Der erste Blick war eher reserviert, der zweite fragend, der dritte aber irgendwie doch interessiert. Jawohl, ich hatte ihre Neugier gepackt, meine sowieso.
Und womit beschäftigt man sich zuerst - na klar, mit den Sticks. Eigentlich sollte ein Blick in die Enzyklopädie bei Wikipedia an erster Stelle stehen. Was ist überhaupt Nordic Walking? Woher kommt es? Wie ist der Bewegungsablauf? Für wen ist das eigentlich geeignet? All diese Fragen waren - zumindest für mich - erstmal zweitrangig. Das Material musste stimmen und vor allem innerhalb der nächsten Tage geliefert werden. Ich wollte loslegen und probieren. Ich warf also die Suchmaschine an, musste aber schnell feststellen - so einfach ist das ganze Thema dann doch nicht.
Es gab nämlich viele Arten von Sticks. Feste aus Aluminium, aus Carbon, oder aber in der Teleskopversion. Die einen bis zu 1,40 Meter, die anderen nur bis 1,05 Meter lang. Nun stand ich da, ähnlich wie Otto Walkes in seinem ersten Kinofilm mit seinen drei Problemen.
Okay, also doch etwas genauer informieren. Der gemütliche Abend auf der Couch war gelaufen - für meine Frau jedenfalls. Ich hatte genug zu tun, informierte mich auf Internetseiten und Videoplattformen und war nach gut 180 Minuten schlauer, viel schlauer.
Das Material muss nämlich dem eigenen Körper genau angepasst sein, um die gewünschten Ergebnisse - sprich Spaß beim Walken - zu erreichen und um die richtige Technik ausüben zu können. Ich maß also Schrittlänge, gab meine Körpergröße in einen virtuellen Rechner ein und rechnete mit einer Zauberformel die für mich benötigte Stick-Länge aus. Das gleiche Prozedere musste natürlich auch meine Frau über sich ergehen lassen. Das machte sie aber mit Bravour, als Belohnung gab es ja zwei Nordic Walking Sticks.
Wir entschieden uns für feste Sticks mit vorgegebener Länge. Die Bewertungen der Teleskop-Sticks verunsicherten mich. Beim Transport sind sie zwar toll, aber beim Walken selbst könnten sie zusammenrutschen - so zumindest die Mehrheit der Kritiker.
Nach der Bestellung hatte ich also ein paar Tage Zeit, um mich dann doch genauer zu informieren - diesmal nicht hinsichtlich des Materials, sondern über die Sportart selbst. Und siehe da, im Internet fand ich hunderte, nein, tausende Seiten, die mich aufklären wollten und auch sollten. Wahllos klicke ich hin und her, vergleiche und filtere die für mich relevanten Informationen heraus. Nordic Walking ist also eine Ausdauersportart, bei der schnelles Gehen durch den Einsatz von zwei Stöcken im Rhythmus der Schritte unterstützt wird. Soweit, so gut. Der finnische Trainer Mauri Repo soll der erste gewesen sein, der ungefähr vor 40 Jahren Nordic Walking als Sportart definierte.
1997 wurden dann die ersten Gehstöcke vom finnischen Hersteller Exel produziert und auch auf den Markt gebracht. Der eigentliche Fachausdruck Nordic Walking an sich entstand aber erst 1999 und wurde im gleichen Jahr durch einen Werbeflyer der breiten Masse weltweit zugänglich gemacht. Mittlerweile locken sogar extra angelegte Nordic-Walking-Parks Anfänger und Profis in ganz Europa und darüber hinaus an, um ihren Sport auszuüben. Landschaftlich reizvoll - inklusive ausgeschilderter Streckennetze mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden - rufen dann aber auch Wanderer und sogar Läufer auf den Plan.
Es dauerte keine drei Werktage, bis der Postbote des Vertrauens bei mir klingelte und die heiß ersehnte Ware lieferte. Auspacken, Handschlaufen einziehen und Ausätze montieren. Morgen kann es also gleich losgehen. Zuvor überprüften wir natürlich die Längen der Sticks. Alles passte hervorragend - so unser subjektiver und völlig unbeleckter Eindruck. Immerhin sind wie ja Anfänger in dieser Sportart.
Am nächsten Tag versorgte ich wie gewohnt die Leserinnen und Leser der Volksstimme mit den neueste Sportinformationen für den kommenden Tag, doch am Nachmittag stand eine Runde Nordic Walkin an. Ich erinnere mich noch genau an das Wetter. Es war windig und auch einige kleine Tropfen fielen vom Himmel - egal. Wir zogen uns im Zwiebelschalenprinzip an und waren gut vorbereitet. Auch die Sportuhr war wieder mit dabei - schon wie beim Spazierengehen. Diesmal sollte sie aber nicht nur 13 Minuten pro Kilometer und einen Durchschnittspuls von nicht einmal 100 anzeigen, sondern ganz andere Werte.
Wir walkten also los, zuerst mit einem ganz komischen Gefühl. Es könnte uns ja jemand sehen und genau so wie ich damals über die betagte Dame denken. Aber egal, wir wollten walken. Gleich zu Beginn war zu merken, dass die Technik gar nicht so einfach ist. Linker Fuß, rechter Stick - rechter Fuß, linker Stick. Passgang wollten wir unbedingt vermeiden. Das gelang uns auch. Wir waren aber dennoch irgendwie zufriedener, als wir aus der Stadt und Richtung Wald und Wiesen unterwegs waren. Es ging um die psychologische Sicherheit, allein zu sein und ohne große Beobachtung. Ein erster Blick auf die Uhr verriet eine weitaus schnellere Zeit, als beim Spazierengehen. Ein bestätigendes ,Siehste’ gab ich in Richtung meiner Frau zum Besten. Sie kommentierte mit ,ja ja’. Was das heißen könnte, kann sich jeder selbst ausmalen.
Wir hatten also den Gardelegener Pflaumenweg erreicht, etwas Gegenwind und immer noch kleine Wassertropfen auf der Sportbrille. Dennoch zeigte die Uhr auf dem Weg nach Ipse eine Zeit von neun Minuten pro Kilometer an. Okay, das ist schon mehr als nur Spazierengehen. Nach den ersten Kilometern bemerkte ich auch - sicher durch den kontinuierlichen Armeinsatz - meine Schultern und die Oberarme. Ich spürte also, dass Nordic Walking ein echtes Ganzkörper-Workout sein muss.
Auch die Technik wurde von Meter zu Meter immer besser. Es lief quasi schon wie von selbst. Eine genaue Strecke hatten wir nicht geplant, aber zehn Kilometer sollten es schon sein. Und die waren dann auch schneller zu Ende, als uns lieb war. Das war sicher ein gutes Zeichen. Dinge, die schnell vorübergehen, sind meistens schön und machen Spaß. So auch Nordic Walking.
Wieder zu Hause angkommen wurden die Aufzeichnungen der Sportuhr ausgewertet. Die Statistiken waren durchaus beeindruckend. Der Pulsbereich war angenehmer als bei einem vergleichbaren Lauf, lag genau im optimalen Fettverbrennungsbereich und weniger Kalorien als bei einem Lauf hatte ich auch nicht verbrannt.
Und kaum in den eigenen vier Wänden angekommen, kam die Frage nach der nächsten Nordic Walking Tour auf - Die Probierrunde hat bei uns also einen bleibenden Eindruck hinterlassen.