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Fußball Liebscher begründet den Mädchenfußball

Vor zehn Jahren war der Frauen- und Mädchenfußball in aller Munde.

Von Stefan Rühling 17.11.2020, 03:00

Wolmirstedt l In Deutschland bereitete man sich auf die FIFA Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 vor und sprach von erneuter Titelverteidigung der deutschen Nationalmannschaft. Auf dem Weg dorthin sprießen diverse Mädchenmannschaften aus dem Boden – so auch in Wolmirstedt.

Die Deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft zählt zu den erfolgreichsten der ganzen Welt. Das war auch schon vor über zehn Jahren so. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaften 2003 und 2007 sollte das Triple 2011 im eigenen Land perfekt gemacht werden. Daraus wurde bekanntlich nichts, da das Team der damaligen Trainerin Silvia Neid im Viertelfinale gegen Japan ausgeschieden ist.

Dennoch hat sich in Deutschland etwas entwickelt: Mädchenfußball. Was in den alten Bundesländern schon einige Jahre weit verbreitet war, erhielt in unseren Regionen einen Aufschwung, so auch in Wolmirstedt. „Es muss im Jahr 2010 gewesen sein“, erinnert sich Franziska Schlenker, „als die Anzahl der Mädchen in meinem Alter stark zugenommen hat.“ Die 22-Jährige war von der ersten Stunde beim damaligen SV Kali dabei. „Wir hatten zuerst eine gemischte Mannschaft, waren aber überwiegend Mädchen“, berichtet die Mittelfeldspielerin weiter. Das Team wurde seinerzeit von Marcel Liebscher trainiert und mischte im Nachwuchsfußball des Kreisfachverbands (KFV) Fußball Börde mit.

Mit weiterem Verlauf der Zeit wuchs der Mädchenanteil in der Altersklasse der D-Junioren so stark an, dass Liebscher die Idee hatte, eine eigene Mannschaft daraus zu gründen. Allein am Spielbetrieb fehlte es zunächst noch. Das sollte sich im Jahr der Frauenfußball-Weltmeisterschaft aber ändern. Aus dem Norden Sachsen-Anhalts ereilte Holger Weichelt, damals Verantwortlicher für Mädchenfußball beim KFV Börde, die Idee einer eigenen Liga für C-Juniorinnen. Sogleich informierte er Marcel Liebscher und im Frühjahr 2011 ging es in die Planung. In Tangermünde fanden sich Vertreter aus Havelberg, Bismark, Gardelegen, Haldensleben sowie eben Wolmirstedt zusammen, um zu beraten. Schnell war die „Altmark-Börde-Liga“ geboren. „Ich finde die Eigeninitiative der drei Kreise wirklich toll“, sagte damals Elfie Wutke, Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball beim Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) gegenüber der Volksstimme.

In diesem Zeitraum erhielten die Kali-Kickerinnen auch Zuwachs im Trainerstab. „Marcel hat mich angesprochen und gefragt, ob wir das zusammen machen wollen“, erklärt Peter Lauenroth. Der 39-Jährige ist somit als gleichberechtigter Übungsleiter eingestiegen und noch heute für die Frauenmannschaft verantwortlich. Unmittelbar nach der Frauen-WM ging es los. Katrin Kunert, damalige Bundestagsabgeordnete, übernahm dabei nicht nur die Schirmherrschaft und die damit verbundenen Kosten für diesen Spielbetrieb, sondern führte auch den symbolischen Ehrenanstoß zur ersten Partie zwischen Havelberg und Oebisfelde durch – am Wochenende des Havelberger Pferdemarktes Anfang September 2011.

Die Wolmirstedterinnen bildeten eines von insgesamt sechs Teams, welche in der Premieren-Saison teilgenommen haben. Ihr erstes Spiel führte sie direkt in die Altmark, genauer gesagt nach Bismark. In weißen Trikots, die Franziska Schlenker und Co. beinahe noch etwas zu groß waren, ging es um die ersten Punkte im neugeschaffenen Wettbewerb. Mit 3:1 setzten sich die Spielerinnen des Trainer-Gespanns Liebscher/Lauenroth seinerzeit durch und deuteten an, dass sie das Potenzial dazu hatten, in diesem Wettbewerb oben mitzuspielen. Über die Saison verteilt haben sich alle Mannschaften je drei Mal gegenübergestanden, so dass 15 Spieltage absolviert wurden. Dazwischen wurde ein Hallenpokal ausgetragen, bei dem Kali Wolmirstedt eine regelrechte Serie startete: Hinter Gardelegen belegte das Team Rang zwei, genau wie am Ende der Saison. Im Pokal-Wettbewerb schieden die Kali-Mädchen zwar früh aus, waren dennoch bei einem historischen Moment dabei: Auf der Sportanlage Am Küchenhorn richtete der Klub das erste Endspiel zwischen Oebisfelde und Bismark, dem deutlichen Sieger, aus.

In dieser ersten Saison reinen Mädchenfußballs waren neben Schlenker, die auch Kapitänin das Teams war und noch heute bei den Frauen ist, Lena Höding, Katja Peters, Janine Baum sowie Sophie Niedel mit dabei, die aktuell noch dem runden Leder nachgehen.

Im zweiten Jahr der Altmark-Börde-Liga bestätigten die Wolmirstedterinnen ihre Leistungen stetig und setzten sich gegen den Dauerrivalen aus Gardelegen in der Endabrechnung durch. Dennoch kam das Liebscher/Lauenroth-Team nicht über den zweiten Rang hinaus. Die neu dazu gekommene Reserve des Magdeburger FFC schob sich noch vor das Team aus der Börde. Im Pokalfinale kam es ebenso zum direkten Duell zwischen beiden Mannschaften, bei dem das Team aus der Landeshauptstadt erneut die Nase vorn behielt. Nach zwei Spielzeiten standen somit schon vier Vize-Titel auf der Habenseite. Ein echter Triumph blieb bis hierhin aus.

„Diese Altmark-Börde-Liga war für uns sehr angenehm, da die Fahrstrecken sich im Großen und Ganzen noch im Zaun gehalten haben“, sagt Peter Lauenroth. „Mit den anderen Mannschaften hat es zudem sehr viel Spaß gemacht, unter den Verantwortlichen hatten wir stets ein sehr gutes Verhältnis, welches teilweise bis heute aufrechterhalten werden konnte.“

Die landesweite Entwicklung im Mädchenfußball der mittlerweile B-Juniorinnen sah dann so aus, dass es nun neun Mannschaften gab. So wurde ein gemeinsamer Spielbetrieb unter Federführung des FSA als Landesliga durchgeführt. In der Nord-Staffel blieben für Kali die Gegner mit Gardelegen, Kalbe, Bismark sowie Haldensleben aber die gleichen. Hier setzten sich die Wolmirstedterinnen als Staffelsieger durch. Das Duell um die Landesmeisterschaft gegen den Gewinner der Süd-Staffel, dem Magdeburger FFC II, konnte allerdings nicht gewonnen werden, so dass eine Trophäe weiterhin ausblieb.

In der Saison 2014/2015 startete Kali ein letztes Mal im Nachwuchs, es gab aber nur noch vier Teams bei den B-Juniorinnen. Ein regelmäßiger Spielbetrieb kam nicht zustande. Damit ereilte die Mannschaft ein unschönes Schicksal: einige Mädchen haben das Interesse am Fußball verloren. Dennoch ging es auch danach weiter. Das Team wurde für den Frauen-Spielbetrieb in der damals neu-eingeführten Sachsen-Anhalt-Liga auf Großfeld gemeldet und erhielt weitere Unterstützung: Harald Liebscher übernahm fortan die Funktion des Betreuers und damit der guten Seele der Mannschaft. Der negative Trend aus dem Vorjahr setzte sich trotzdem fort, Kali wurde nur Letzter nach 22 Spieltagen.

Ab der Spielzeit 2016/2017 gab es dann eine große Veränderung beim Wolmirstedter Frauenfußball. Denn die gesamte Sektion verließ den SV Kali und gründete einen neuen Verein: Ohrekicker. Seither sind die Vereinsfarben grün-blau und die Mannschaft erhielt mit neuen Spielerinnen auch ein anderes Gesicht. In der Landesliga bedeutete dies am Ende Rang acht. Im darauffolgenden Jahr 2017/2018 steigerte sich das Team dann noch einmal und wurde sogar Sechster.

Mit dem Ende der Spielzeit endete dann auch eine Ära: Marcel Liebscher hat sich nach sieben Jahren im Frauen- und Mädchenfußball zurückgezogen, die Verantwortung für die Mannschaft lag nun vor allem auf Lauenroth, die Truppe weiter zusammenzuhalten. Da die Personaldecke nicht dicker geworden ist, spielen die Wolmirstedterinnen seither auf verkürztem Großfeld in der Regionalklasse.

Von sechs bis sieben Mädchen, die von Beginn an dabei waren, wuchs der Kader so auf über 20 zu Zeiten der Frauen-Landesliga an. Heute sind noch 17 Spielerinnen aktiv, von denen Lauenroth regelmäßig etwa elf zur Verfügung hat. „Die Entwicklung ist in den vergangenen Jahren leider stark rückläufig, da auch die Interessen bei den Frauen sich verändert haben. So ist der Niveau-Unterschied innerhalb der Spielklassen auch sehr stark“, sagt der Ohrekicker-Trainer. „Es sind aktuell auch in den Nachwuchsmannschaften weniger Mädchen, als noch vor zehn Jahren. Allerdings könnten wir Mädchen heute gar nicht so einen Spielbetrieb wie damals in der Altmark-Börde-Liga bieten, da flächendeckend weniger Kickerinnen aktiv sind.“ Immerhin gibt es gegenwärtig auch eine Trainingsgruppe von zehn- bis 14-jährigen Mädchen in Wolmirstedt. „Was daraus wird, werden wir sehen“, so Lauenroth.

Wie man der Entwicklung entgegentreten und sie vielleicht wieder umkehren kann, weiß der Wolmirstedter Coach aber auch nicht so richtig. „Das ist eine gute und zugleich schwere Frage. Ich denke, es fehlt die Werbung für den Sport, beispielsweise durch den Tag des Mädchenfußballs, wie er früher jährlich ganz groß in Sachsen-Anhalt stattgefunden hat. Denn wir als kleine Vereine können das allein nicht leisten. Zudem glaube ich, dass man große Spiele der Frauen, zum Beispiel Endspiel im Landespokal, zusammen mit Partien der Herren austragen sollte.“

Lauenroth spielt damit auf den DFB-Pokal der Frauen an, der dies über Jahre vor gemacht hat. „Die Frauen haben in Berlin vor den Männern gespielt. Erst als ein großes Interesse da war, wurde ein separates Endspiel in Köln geboren.“ Darüber hinaus denkt er, dass auch an den Schulen wieder mehr für den Fußball getan werden muss. „Da muss aber der FSA als Verband mehr machen. Wir Trainer können das nicht leisten.“