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Leichtathletik Weltmeisterin im Wettkampf

Unter 54 Sekunden bleiben, an der EM teilnehmen: Langsprinterin Justine Wehner vom SCM hat sich für die neue Saison einiges vorgenommen.

Von Daniel Hübner 08.03.2020, 09:50

Magdeburg l Einmal pro Woche macht Justine Wehner etwas völlig anderes, das sich zugleich Leidenschaft nennt. Die 16-Jährige trainiert dann in der Leichtathletik-Halle am Magdeburger Olympia-Stützpunkt den Hochsprung. „Das macht mir wirklich Spaß“, sagt sie. Hat es schon immer gemacht. Bis sie sich im März 2018 verletzte.

Wehner zeigt auf ihr rechtes Knie. Innenband. Mehrere Monate Ausfall. „Ich konnte nicht springen“, berichtet sie. Nachdem sie zurückkehrte ins Training, stieg sie auf den 300-Meter-Lauf um. Und für ihren Trainer Marco Kleinsteuber war alsbald klar: „Im Langsprint ist ihre Erfolgsaussicht und Perspektive eher gegeben als im Hochsprung.“

Jetzt sprintet Justine Wehner also. Und das wiederum sehr schnell. Und sehr beeindruckend für ihren Coach: „Man spricht immer vom Trainingsweltmeister. Justine ist eine Wettkampf-Weltmeisterin. Ihre Performance ist unglaublich, es macht einfach Spaß, ihr zuzuschauen.“ Auch wenn der 45-Jährige zuweilen etwas Sorge um sie hatte. „In den ersten Rennen ist sie so über sich hinausgegangen, dass ich ein bisschen Angst um sie hatte“, erinnert er sich an Wettbewerbe, in denen sich Justine Wehner völlig verausgabt hatte.

Woher sein Schützling allerdings das Talent hat, darüber haben sie lange in der Familie im heimischen Möser gegrübelt. Der Vater hat ein bisschen Fußball gespielt, der Bruder hat sich im Studium der Informatik gewidmet. Die Mama meinte, im Sport gut gewesen zu sein. Aber letztlich hat es ihr an der Lust gefehlt, ihr Talent auszubauen, sagt die Tochter lachend. Justine Wehner ist drangeblieben, sie ist 2017 vom Gymnasium Burg zum Sportgymnasium Magdeburg gewechselt, von der TSG Grün-Weiß Möser zum SCM.

Inzwischen ist sie deutsche U-18-Meisterin über 400 Meter. Inzwischen steht ihre persönliche Bestzeit bei 54,50 Sekunden, mit der sie die nationale Rangliste in ihrer Altersklasse in der vergangenen Saison angeführt hat. Eine Zeit, die ihre Perspektive in jener Disziplin bestätigt, so Kleinsteuber: „Ich bin davon überzeugt, dass sie es zunächst in die nationale Spitze bei den Frauen schaffen kann.“

Dafür will sie sich Jahr für Jahr steigern. „Ich möchte die 400 Meter gerne unter 54 Sekunden sprinten“, sagt das Mädchen mit den überaus langen Haaren über die neue Saison. „Und ich würde mich riesig freuen, wenn ich es zu den Europameisterschaften nach Rieti schaffen würde“, ergänzt sie mit einem Unterton der Begeisterung. Den Weg dorthin, so ist zu vermuten, kann ihr allenfalls das Coronavirus versperren. Italien ist das davon am stärksten betroffene Land in Europa. Viele Veranstaltungen und Trainingslager sind bereits gestrichen worden.

Weg vom Virus, hin zur Möglichkeit: Bei der U-18-Gala am 13. Juni im badischen Walldorf muss sie das Ticket für die europäischen Titelkämpfe vom 16. bis 19. Juli lösen. 55,50 Sekunden werden von ihr verlangt. Erste oder Zweite muss sie in Walldorf außerdem werden, dann findet die EM mit Justine Wehner statt. Die Norm liegt also noch um einiges über ihrem Zeitziel.

Aber ist dieses tatsächlich realistisch? „Eine halbe Sekunde unter der bisherigen Bestzeit zu bleiben, das ist nicht wenig“, sagen Wehner und Kleinsteuber. „Ich denke aber, dass ich es schaffen kann“, erklärt die Athletin und begründet: „Im vergangenen Jahr habe ich mich von Winter bis Sommer um zwei Sekunden gesteigert.“ Kleinsteuber plant: „So häufig ist sie die 54,50 Sekunden noch nicht gelaufen, unser Ziel ist es deshalb, diese Leistung zu stabilisieren und sie zum Höhepunkt zu steigern.“

Bis dahin gehen noch Wochen der Vorbereitung und der Wettkämpfe ins Land. Bis dahin wird Justine Wehner noch einige Bücher verschlingen. Sie liest am liebsten Fantasy-Romane und aktuell: „Der Spion des Königs“. Einen historischen Abenteuer-Roman von Magnus Foster. Sie mag in der Schule die Fächer Psychologie, ja sogar Mathe. Und Musik. Singen kann Justine Wehner also auch? Sie lacht: „Für den Unterricht reicht es.“ Kleinsteuber würde dazu sagen: Sie hat eine größere Perspektive auf der Tartanbahn als auf der Showbühne. Und wohl auch: die größere Leidenschaft.