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Handball Aus der Badewanne zum Torjäger

Fabian Damerau prägte über Jahre den Handball in Haldensleben mit.

Von Christian Meyer 27.02.2021, 04:00

Haldensleben l Als Linksaußen steuerte er viele Treffer zum erfolgreichen Abschneiden der Herrenteams bei. In seiner Top 7 stellt er seine besten Mitspieler vor. Bereits in jungen Jahren interessierte sich Damerau für den Handballsport. „Für mich war seit dem sechsten Lebensjahr Handball ein fester Bestandteil in meinen Leben, ich würde sogar behaupten, dass es mein Leben war. Mannschaftssport ist wichtig, denn hier lernt man neben den sportlichen Aspekten auch viele lebensprägende soziale Dinge wie Zusammenhalt, Gewinnen, Verlieren, Freundschaften, Emotionen, Glück und Schmerz.“

Eine Auswahl zu treffen, fiel dem Linksaußen nach so vielen aktiven Jahren deshalb nicht leicht. „Ich möchte erstmal betonen, dass es in meiner aktiven Handballlaufbahn viele gute Spieler und Trainer gab. Leider kann ich nicht alle erwähnen, dennoch hat jeder einen positiven Eindruck bei mir hinterlassen.“

Axel Bollfraß: Der sicherlich stärkste Torhüter mit dem ich zusammengespielt habe war Axel Bollfraß. Eine absolute Kante im Tor mit dem Blick zur Wurfhand. Bolle sagte immer zu mir, dass er mein Vater sein könnte aufgrund des großen Altersunterschiedes. Demnach war schnell klar, dass Bolle für mich nur noch Papa war. Papa, so nannte ich ihn, war mit seiner puren Erfahrung und seinem nicht aufhörenden Siegeswillen ein absoluter Führungsspieler. Er hatte auch in seinem doch eher hohen Handballalter maßgeblichen Anteil am Aufstieg in die Verbandsliga 2008. Mit ihm verbinde ich das Spiel gegen den MTV Weferlingen in der ausverkauften Ohrelandhalle (Haldensleben gewann das Nordliga-Spitzenspiel und stieg später auf, Anm. d. Red.). Nach jeder Trainingseinheit waren Papa Bolle und ich noch lange auf dem Feld und übten aus sehr kleinen Winkeln die Würfe von der Linksaußenposition. Er „hasste“ meine Dreher und gab mir Tipps. Bolle hat eine Eigenschaft gehabt, die nicht viele Torhüter hatten. Ich konnte noch so weit und lang von außen springen, Bolle machte keine Bewegung. Er wartete so lange, bis der Ball meine Hand verließ.

Arne Büttner: Arne war und ist eine Handballikone in Haldensleben. Als ich noch in der Jugend aktiv war und Arne in der Oberliga der Männer spielte, sangen die Zuschauer bei jedem Heimspiel: „Es gibt nur ein Arne Büttner“ und „Und wir haben ein Idol“. Ein Eigengewächs wie es im Buche steht. Arne war bekannt für seinen „Arne Büttner Gedächtnisheber“. Er war schnell, flink, kräftig und absolut eine Waffe von der rechten Außenposition. Arne war zwar Rechtshänder, doch das spielte keine Rolle. Er brachte mit seinen strammen und platzierten Würfen viele Torhüter zur Verzweiflung. Das besondere an Arne ist, dass er eine große Truppe immer zum lachen bringen kann. Seine humorvolle und glückliche Art wirkte sich auch aufs Team aus. Besonders in Erinnerung bleibt die Ansprache vor dem Spiel gegen MTV Weferlingen. Den Inhalt kann ich zwar noch wiedergeben, dennoch wird es ein Kabinengeheimnis bleiben.

Hannes Kruse: In meinem Rückraum Links, auf der Königsposition, kann es nur einen geben: Hannes Kruse. Hannes ist ein absoluter Vollsportler. Wenn man Hannes kennt, könnte man denken, er sei Profi. Er ernährt sich gesund, er trinkt so gut wie nie Alkohol und hat das Gardemaß für einen Sportler. Das einzige, was ich Hannes noch beibringen würde, wäre öfter das Abspiel auf die Linksaußenposition. Hannes war durchtrainiert, obwohl er sich nie mehr bewegte als ich. Er hat einen unglaublichen Wurf, gepaart mit einer Sprungkraft. Das besondere an Hannes ist, dass er so hoch und soweit springen kann, dass er mehrmals im Sprung den Ball von der rechten in die linke Hand legen konnte und somit viele Verteidiger alt aussehen ließ. Hannes kam unter Fister auch aus seiner schüchternen Rolle raus. Er wurde immer offener und ich bin sehr froh ihn heute noch als einer meiner besten Freunde zu haben. Hannes schaffte das, was viele nicht in der Bundesliga schafften, er warf gegen den SC Magdeburg in der Barleber Sporthalle neun Tore gegen die Profis. Auch Dario Quenstedt, heute Champions League Sieger mit dem THW Kiel, bekam das bitter zu spüren. Er setzte ihm aus dem Rückraum einen Scheitelwurf. Bennet Wiegert war sichtlich zu einem begeistert, zum anderen sehr sauer auf sein Team.

Nick Blume: In meinen letzten aktiven Jahren wurde Nick Blume ein Mitglied unseres Teams. Nick integrierte sich sehr schnell und wir beide haben privat und auch auf dem Spielfeld keine Anlaufschwierigkeiten gehabt. Nick ist vom Körper her ein Kleiderschrank, der aber nicht statisch ist, sondern im Angriff eine unfassbare variantenreiche Wurfquote hat. Mit ihm auf der Platte fühlte ich mich immer ein Stück stärker. Auch wenn uns das Äußerliche nicht ähnelt, haben wir doch beide denselben Charakter, was uns zu einem guten Team machte. Ein positiver Nebeneffekt hatte der Wechsel von Nick, denn sein Vater Volker Blume wurde Betreuer des Teams und war nicht nur für seinen guten Apfelkuchen und frischen Kaffee in der Kabine beliebt.

Sascha Kruse: Wer an Handball in Haldensleben denkt und sich schon lange mit diesem Thema befasst, der wird automatisch den Namen Sascha Kruse nicht aus den Erinnerungen bekommen. Sascha ist auf dem Feld wie ein Tier. Seine linke „Klebe“ aus der Hüfte schlug öfter in den Winkel ein. Sascha, der weiße Riese, mischte oft Beton in der Abwehr an und war in seinen Aktionen auch nicht zimperlich. Ich war immer froh, ihn in meinem Team zu haben, denn ihm als Gegenspieler gegenüberzustehen wollte ich wahrhaftig nicht. Er kannte auf dem Spielfeld keine Freunde. Neben der Platte ist Sascha das absolute Gegenteil. Ein liebevoller und sehr freundlicher Mensch. Das Highlight zwischen uns beiden ist nach wie vor die Freundschaft, denn wer kann schon behaupten mit einem „kräftigen Bären“ eins-zwei-Tipp getanzt zu haben.

David Stolze: Ein Mann zwischen Genie und Wahnsinn ist David „Lunte“ Stolze. Lunte begleitete meine letzten vier Handballjahre. Der selbsternannte „Malle König“ war ein unfassbarer Spieler. Er musste nicht mehr viel trainieren, denn er hatte vieles in die Wiege gelegt bekommen. Entweder Lunte hatte 10 bis 17 Tore und wir gewannen das Spiel oder er hatte 10 bis 17 Fehlwürfe, ja auch mal von der Mittellinie, und wir verloren das Spiel. Mit seiner doch sichtbaren Finte, legte er so manchen Spieler aufs Korn. Auch mich traf es immer wieder im Training. Stolze war der beste Transfer den Haldensleben je hatte. Er ist Teil dieser großen Familie und ein aus handballerischer Sicht riesen Vorbild für die jungen Nachwuchsspieler, denn zu ihm schauen sie auf. In der Kabine war für Lunte immer eines klar, entweder es läuft die Partymusik aus Mallorca oder Heino. Ich denke und hoffe, dass David eines Tages Trainer der 1. Männermannschaft in Haldensleben wird, denn unser Capitano hält die Mannschaft zusammen und kann sie zum absoluten Erfolg führen.

Fabian Damerau: In all den Jahren, die ich gespielt habe, bin ich vielen Linksaußenspielern begegnet, die einfach sehr stark waren. Aber ich habe einmal zu meinem Trainer gesagt: „Wenn ich mich nicht selber aufstellen würde, dann höre ich auf.“ Deshalb würde ich mich selber in mein Team wählen. Das mag jetzt für den ein oder anderen arrogant klingen, wer mich aber gut kennt, weiß, dass es absolut nicht so ist. Ich war schon eine „kleine“ Diva auf dem Feld und habe es gehasst ausgewechselt zu werden. Da wurde auch das ein oder andere Mal eine Wasserflasche durch die Gegend geschossen. Zum Glück habe ich das Alter und die Reife erreicht, dass dies heute nicht mehr so ist. Natürlich entwickelt man als Sportler einen gewissen Aberglauben und Macken. Ich habe in den Jahren meiner Handballlaufbahn immer ein und dieselbe Balltüte (von einem Discounter) gehabt. Diese besitze ich tatsächlich heute noch, meine Glückstüte. Neben der Tüte war mein Ritual vor dem Spiel immer klar. Badewanne und das nicht nur eine Stunde zum Ärger meiner Frau. Ich möchte mich bei allen bedanken, die Teil meiner Handballwelt waren, damit meine ich nicht nur die Spieler und Trainer, sondern auch Zuschauer, Familie, Gegenspieler und Vereinsvorsitzende. Eine Zeit, an die ich gern zurückschaue und die nun ihren Abschluss findet.

In meinen Handballerleben gab es zwei Trainer die ich nie vergessen werde. Dieter Reichart aus Klüden war der erste Trainer, der überhaupt eine handballerische Anlage bei mir gesehen hat. In meiner Jugend spielte ich unter anderen Trainern kaum eine Rolle. Dieter Reichart wurde uns in der Saison 2003/2004 als neuer A-Jugend-Trainer vorgestellt. Keiner im Verein kannte ihn, er war Spieler in der damaligen DDR-Oberliga und hatte auch die A-Lizenz. Im Verein gab es keinen weiteren Kandidaten, der uns trainieren wollte.

Doch Dieter übernahm das Zepter und ich dachte einfach nur: „Neuer Trainer, neues Glück“. Endlich hat keiner Vorurteile gegenüber meiner Leistung und diese Chance wollte ich endlich nutzen. Es gab mal eine Person im Verein, die zu mir meinte, dass ich nie ein Handballer werden würde. Doch der graue Wolf aus Klüden sah das Potenzial in mir. Heute sagt er, dass ich einer der Spieler war, die das größte Potenzial hatten, die er je trainiert hatte. In meinem ersten Spiel, Pokalspiel gegen den BSV 93 Magdeburg, warf ich unter Reichart elf Tore und das sollte in dieser Saison so weiter gehen. Dieter Reichart hat den größten Anteil an meiner Laufbahn und ich verdanke ihm alles, was ich je erreicht habe im Handballsport. Unter seiner Laufbahn wurden wir Pokalsieger in der Nordstaffel im A-Jugendbereich.

In meiner Zeit als Spieler in Haldensleben gab es wirklich viele Trainer. Doch im Männerbereich gab es nur einen, der ein Team schaffte. Carsten Fister war der beste Trainer in meiner Zeit bei den Männern. Dies sage ich nicht nur, weil Fissi ein sehr guter Freund und Mitspieler war. Carsten hat geschafft, was viele vor ihm nicht geschafft haben. Er hat uns durch seine Art zu einer Familie, einer Einheit geformt. Wir waren nicht das beste Team der Liga, dennoch waren wir die stärkste Einheit. Es gab keine Grüppchenbildung und auch keine Einzelgänger. Jeder war gleich und jeder war Teil des Teams. Hätte man „Fissi“ noch länger die Chance gegeben, Trainer der 1. Männer-Mannschaft zu sein, wären wir in den nächsten Jahren auch aufgestiegen. Die Art und Weise wie das damals gelaufen ist, war sehr unglücklich. Dennoch ist die Zeit unter Fister eine prägende, positive Zeit in der Handballhistorie in Haldensleben.