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Fußball Auf den Spuren von Kießling und Chicharito

Angreifer Tim Queckenstedt aus Buchhorst im Bördekreis spielt bei Bayer 04 Leverkusen in der U19 und möchte dort zum Profi reifen.

Von Florian Schulz 31.12.2015, 04:00

Buchhorst/Leverkusen l Ob der 1. FC Oebisfelde beim Blick auf Tim Queckenstedt nun eher weinen oder lachen sollte, ist schwer zu beurteilen. Einerseits trauern die Allerstädter dem großen Talent, das einst Spiele fast im Alleingang entschied, noch immer nach, andererseits dürfen sie sich aber auch freuen, womöglich einen kommenden Profi mit ausgebildet zu haben. Mit dem Wechsel vom 1. FC Magdeburg zu Bayer 04 Leverkusen in die A-Jugend-Bundesliga erhöhten sich die Chancen für den 17-Jährigen, irgendwann ganz groß heraus zu kommen, noch weiter.

Michael Frank, der Onkel von Tim Queckenstedt, schien es früh geahnt zu haben, dass sein Neffe großes Potenzial hat. Kaum konnte der junge Buchhorster laufen, schon bekam er seinen ersten Fußball geschenkt. Gekickt wurde so oft es ging – ob nun auf dem Bolzplatz oder auch im Garten, das spielte keine große Rolle. Queckenstedt war einfach nur froh, wenn er die Kugel am Fuß hatte. Gerade mal sechs Jahre jung war das Talent, da spielte es zum ersten Mal im Verein. Da seine gesamte Familie – auch Vater Ingo spielte früher erfolgreich für den Verein – große Sympathien für den SV Oebisfelde (heute: 1. FC Oebisfelde) hatte und ihn von dieser Sportart überzeugte, startete Tim 2004 seine Laufbahn an der Aller. Trainer war dort auch direkt sein Onkel Michael Frank. „Ich habe damals eigentlich überall gespielt. Mich haben schon immer meine Schnelligkeit, Schussstärke und Übersicht ausgezeichnet“, verrät der 17-Jährige. Mutter Jana ergänzt stolz: „Tim hatte von Beginn an ein gutes Spielverständnis.“ Kein Wunder also, dass sich der junge Queckenstedt schnell zum Leistungsträger entwickelte. Dass er zudem ein Sprinter war, sprach sich herum. Der Haldensleber SC wollte den Rand-Oebisfelder in seine Leichtathletiksparte holen. „Ich wollte allerdings nichts anderes als Fußball“, erklärt der Youngster. Mit einem Schmunzeln denkt er an seine Anfangszeit zurück. „Da wollte ich einfach nicht spielen. Ich habe dann aus Angst immer geweint“, erzählt Tim. Dabei brauchte er sich schon damals mit seinen Fähigkeiten ganz sicher nicht zu verstecken.

In den Punktspielbetrieb stieg Tim Queckenstedt in der F-Jugend des SVO ein. Der Anhänger des Rekordmeisters FC Bayern München, der speziell Lionel Messi und Franck Ribéry bewundert, wusste von Beginn an, wo das gegnerische Tor steht und ließ es darin nicht selten klingeln. Schon im F-Junioren-Alter wurde Queckenstedt unter der Leitung des Trainergespanns Günther Seitz/Andreas Vogt zum ersten Mal Torschützenkönig, zudem in der Folge auch mehrfach bester Spieler bei Hallenturnieren. Der Techniker (Mutter Jana: „Er hatte damals viele Freiheiten und wurde nur selten gebremst“) war gar so talentiert, dass er bereits eine Altersklasse höher – bei den Jahrgängen 1996 und 1997 – aktiv war. „Das hat mir einfach mehr Spaß gemacht, mein Jahrgang war leider nicht so gut“, erinnert sich der 17-Jährige zurück. Später hießen seine Trainer Olaf Heßler und Peter Böse. Letztgenannter ist es auch, dem der Youngster viel zu verdanken hat. „Er hat mich am meisten gefördert“, dankt Tim Queckenstedt seinem früheren Lehrmeister. Im Alter von zehn Jahren nahm Böse, der dort zusammen mit Dieter und Mario Förster das Training leitete, den Buchhorster mit in den DFB-Stützpunkt nach Klötze. Auch im Verein war Peter Böse bis zur D-Jugend Queckenstedts Coach. Die Landesliga-Truppe, die im Folgejahr noch einmal Kreispokalsieger wurde, stand unter anderem 2009 im Landespokalfinale gegen den 1. FC Magdeburg und verlor auf heimischem Geläuf trotz 1:0-Führung gegen den großen Favoriten mit 2:5. Auf dem „Gehege“, der sportlichen Heimat des FCO, trifft man den 17-Jährigen noch heute ab und an bei Partien an. „Wenn ich in der Heimat bin, schaue ich meist auch meinen ehemaligen Kollegen zu“, verrät das Offensivtalent, das allerdings keinen echten Einblick mehr ins fußballerische Leben an der Aller hat. „Am meisten fehlen mir die vielen Hallenturniere, bei denen wir früher immer sehr erfolgreich waren“, erzählt Tim, der sich mittlerweile eher als „Stadtmensch“ bezeichnet.

Das war er genau genommen bereits als Zwölfjähriger. Denn dort wagte Tim Queckenstedt den Wechsel auf das Sportgymnasium sowie zum 1. FC Magdeburg. Mit der Klötzer Stützpunktauswahl nahm der Torjäger an vielen Sichtungsturnieren in Osterburg oder auch in Magdeburg teil. Landesauswahltrainer Frank Gifhorn als ständiger Scout zögerte nicht lange, holte den Youngster in sein Team, für das er übrigens bis zu einem Wechsel nach Leverkusen spielte, und empfahl ihn auch an den FCM weiter. 2010 absolvierte Tim einen Aufnahmetest in Magdeburg und bestand ihn auch auf Anhieb. Damit war die Bahn für einen Wechsel in die Landeshauptstadt frei. „Das war allein Tims Entscheidung. Wir haben ihn unterstützt. Sicherlich fiel es schwer, ihn ziehen zu lassen, aber wir wussten um sein großes Talent“, erinnert sich Mutter Jana zurück. „Ich wollte einfach höherklassig spielen und besseres Training haben, um mich weiterzuentwickeln“, begründet der junge Queckenstedt seinen großen Schritt. „Anfangs fiel es natürlich noch schwer, allein zu wohnen, doch mit der Zeit wurde es dann zur Normalität“, erzählt der 17-Jährige. Er wusste: Der 1. FC Magdeburg ist eines der Aushängeschilder in Sachsen-Anhalt, was auch für ihn eine große Chance war. Für die U13 (D-Jugend) des FCM war Tim seinerzeit unter der Regie des Trainergespanns Tino Garbisch und Holger Gaudian in der Landesliga aktiv. Der Tag für den jungen Kicker aus der Börde, der im Internat untergebracht war, hatte es durchaus in sich. Nach dem Aufstehen um 6.15 Uhr sowie dem Frühstück begann bereits um 7 Uhr die Schule. Zweimal wöchentlich wurde vormittags zwei Stunden lang trainiert. Die Schule endete zumeist gegen 14.45 Uhr. Eine weitere Trainingseinheit schloss sich um 15.30 Uhr an und endete gegen 17 Uhr. Anschließend blieb bis 21 Uhr – dann war Nachtruhe angesagt – Zeit für Hausaufgaben und private Dinge. „Das war natürlich schon eine große Umstellung für mich, doch ich habe mich recht schnell daran gewöhnt“, denkt der Youngster zurück.

In Magdeburg hat Tim Queckenstedt einige tolle Erfolge gefeiert. Ein wichtiger war der Landespokalsieg 2011 in der D-Jugend. Dort bezwangen die Landeshauptstädter den SSV 80 Gardelegen auf dessen Geläuf mit 8:1. Noch bedeutender war allerdings der Aufstieg in die B-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost in der Saison 2013/2014, als man sich in der Relegation gegen den FC Eintracht Norderstedt durchsetzte. Unter der Regie von Trainer Marco Kurth, mit dem auch Queckenstedt zwei „tolle Jahre“ erlebte, spielten die Magdeburger 2014/2015 im deutschen Oberhaus. „Das war äußerst spannend, gegen Jugendmannschaften von Bundesligisten zu spielen“, verrät der 17-Jährige. Der FCM musste hart um den Klassenerhalt kämpfen, den er am Ende allerdings packte. Ein weiteres Highlight für den Goalgetter in der Landeshauptstadt war 2013 der Auftritt mit der C-Jugend beim Pape-Cup in der Hermann-Gieseler-Halle in Magdeburg. „Wir haben zwar mit dem Turniersieg nichts zu tun gehabt, doch es war ein tolles Erlebnis, vor so einer großen Kulisse zu spielen“, sagt Tim. Der erzielte in der vergangenen Saison in der B-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost für seinen FCM erstaunliche 18 Treffer und stand damit weit vorn in der Torschützenliste. „Ohne Tim wären sie wohl abgestiegen“, ist sich Vater Ingo fast sicher.

Die Interessenten für Tim Queckenstedt standen nun fast Schlange. Letztendlich entschied sich das Talent für Bayer 04 Leverkusen. Beim Werksclub ist der Angreifer, der zuletzt aber meist auf der linken Außenbahn zum Einsatz kam, seit Beginn dieser Spielzeit für die U19 in der Bundesliga West unterwegs. „Das Angebot aus Leverkusen habe ich über das Internet erhalten. Ich war zunächst gleichzeitig überrascht, aber auch etwas unsicher. Ich habe es dann an meinen Berater weitergeleitet“, verrät Tim, der zuvor von den Rheinländern gesichtet wurde. Die gesamte Familie machte sich, als die „Echtheit“ des Angebots ermittelt wurde, auf den Weg nach Leverkusen, um sich ein Bild von den Gegebenheiten zu machen. „Wir wurden eingeladen und schauten uns das Stadion, die Schule, aber auch Gastfamilien an“, erzählt der 17-Jährige. Der Gymnasiast, der 2017 sein Abitur ablegen möchte, wohnt zusammen mit zwei weiteren Jungs in einer Gastfamilie ganz in der Nähe der BayArena. „Ich möchte hier natürlich dauerhaft in der Bundesliga spielen und mich noch weiter verbessern“, erklärt der Youngster. Sein klares Ziel ist es, eines Tages Profi zu sein. „In Leverkusen wird natürlich professioneller gearbeitet als in Magdeburg. Die Trainingsqualität ist besser, zudem ist das Betreuungsteam größer und es stehen auch mehr Trainingsmaterialien zur Verfügung“, gibt Queckenstedt einen kleinen Einblick. In der A-Jugend des Bundesligisten wird der 17-Jährige von Peter Hyballa trainiert. „Er hat sehr viel Ahnung, das merkt man sofort. Es kann manchmal schon etwas anstrengend mit ihm sein, er fordert und fördert zugleich“, verrät Tim Queckenstedt. „Wir haben in unserer Truppe ein hohes Niveau. Ich bin froh über jede Minute, die ich spielen darf“, spricht Tim über seine Mannschaft, in der mehrere Junioren-Nationalspieler aktiv sind. Das Klima in der Truppe bezeichnet das Talent als „angenehm“, die Spieler verstehen sich untereinander gut. „Tim hat schnell Anschluss gefunden und sich gut integriert“, sagt auch Mutter Jana.

Sportlich bleibt für den ältesten Bayer-Nachwuchs, der direkt neben den Profis trainiert, allerdings noch Luft nach oben. In der Bundesliga wollten die Leverkusener schon möglichst unter die ersten Drei gelangen, laufen diesen Erwartungen im Mittelfeld des Klassements („Da würde sicherlich mehr gehen“) allerdings momentan noch hinterher. Auch in der Youth League sind Queckenstedt & Co. bereits ausgeschieden. „Da haben wir drei Matchbälle vergeben“, verrät der junge Kicker aus der Börde. Neben den Niederlagen gegen den AS Rom und den FC Barcelona gab es gegen BATE Borisov „nur“ ein Remis, was nicht zum Weiterkommen reichte. Auch im DFB-Pokal sind die Leverkusener nicht mehr dabei. Gegen Werder Bremen schied man kürzlich nach Elfmeterschießen aus. In diesem Wettbewerb hatte Tim in dieser Saison schon ein tolles Erlebnis, erzielte nach seiner Einwechslung in der 87. Minute nur eine Zeigerumdrehung später das 1:1-Ausgleichstor gegen Fortuna Düsseldorf. In der Verlängerung setzte sich Bayer dann durch. Auch im ersten Saisonspiel in der Liga gegen den MSV Duisburg hatte Tim Queckenstedt getroffen, sich dann aber im kommenden Duell gegen die Düsseldorfer Fortuna verletzt. Diagnose: Eine Kapselverletzung und ein Bänderriss im Fußgelenk. „Ich war sechs Wochen raus, musste dann jeden Tag um die zwei Stunden zur Reha“, verrät Queckenstedt. Auch wenn es schwer fiel, hat sich der junge Buchhorster mittlerweile zurückgekämpft.

Tim Queckenstedt kam gar schon in den Genuss, im November bei den Bayer-Profis mitzutrainieren – auch wenn es erst eine Einheit war. „In einer Länderspielpause waren die Nationalspieler unterwegs, so dass die Profis ihren Kader beim Training mit A-Jugendspielern aufgefüllt haben. Unser Trainer Peter Hyballa sagte uns, dass wir dort mittrainieren dürfen. Es war echt cool und hat eine Menge Spaß gemacht. Ich würde gern öfter dabei sein“, erzählt der 17-Jährige. Von Trainer Roger Schmidt gab es dann auch noch ein Lob für die jungen Akteure. „Er sagte uns, dass wir unsere Sache gut gemacht haben. Gegen Spieler wie Stefan Kießling, Christoph Kramer, Julian Brandt oder auch Bernd Leno zu spielen, ist natürlich schon etwas anderes. Sie sind technisch besser und körperlich auch robuster“, staunt Queckenstedt, der sich bereits auf den Spuren von Kießling oder auch Javier „Chicharito“ Hernàndez befindet. In Leverkusen beginnt die Schule später, endet entweder mittags oder eben nachmittags. „Im Falle, dass wir zur Mittagszeit Schulschluss haben, wird ein Tagesinternat angeboten, wo wir unsere Hausaufgaben erledigen, Mittag essen oder uns auch Nachhilfe holen können“, verrät der Youngster. Trainiert wird nur noch einmal vormittags, abgesehen vom Freitag wird täglich einmal nachmittags eine zweistündige Einheit durchgeführt. Die Partien steigen dann zumeist am Wochenende, während in der Youth League unter der Woche gespielt wird. Die Freizeit nutzt Tim, um mit Freunden nach Köln oder Düsseldorf zu fahren. „In Leverkusen ist nicht gerade viel los“, sagt der Offensivakteur, der zu Fuß nur fünf Minuten von seinem Zuhause bis zum Stadion benötigt.

In Leverkusen fühlt sich Tim Queckenstedt pudelwohl. „Auch wenn ich noch Kontakt zu einigen ehemaligen Mitspielern aus Magdeburg habe und auch ab und an zurückdenke an diese Zeit, war es für mich der richtige Schritt“, ist sich der 17-Jährige sicher. Auch die Zuneigung zum Werksclub ist nach dem Wechsel noch größer geworden. „Wir bekommen für jedes Heimspiel der Profis Karten, ich persönlich gehe regelmäßig und sehr gern ins Stadion“, erzählt der Angreifer. Doch was fehlt dem Youngster noch zum Profi? Was muss er womöglich noch verbessern? „Ich denke, ich muss körperlich noch etwas zulegen. Zudem muss ich den Ball besser behaupten und auch noch an meinem Passspiel arbeiten“, erklärt Tim. Den Torriecher hat das Talent bereits, diesbezüglich muss sich wohl nicht viel verbessern. „Ich konzentriere mich jetzt voll auf Leverkusen und werde sehen, was herauskommt“, so der Ex-Oebisfelder, der nebenbei aber auch seinen Fokus auf die Schule legen muss. 2017 steht das Abitur an. Zu diesem Zeitpunkt könnte der Elftklässler unter Umständen schon Profi sein, wofür der Offensivakteur alles geben möchte. „Mein Ziel ist es, irgendwann Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger zu werden. Zudem würde ich in der nächsten Saison gern wieder in der Youth League und später dann im Herrenbereich auch in der Champions League spielen“, verrät Tim.

Zu Gast in seiner Heimat ist Tim Queckenstedt („An einem spielfreien Wochenende versuche ich immer, nach Hause zu kommen“) im Schnitt nur noch alle zwei Monate. Allerdings nutzen seine Eltern jede Möglichkeit, ihren Sohn in Leverkusen zu besuchen. „Wir fahren durchschnittlich einmal im Monat zu ihm und schauen ihm bei seinen Spielen zu“, erzählt Jana Queckenstedt. „Für den Verein würde ich mir mal eine Deutsche Meisterschaft oder einen DFB-Pokalsieg für die Herren wünschen, um das Image von ‚Vizekusen‘ abzulegen. Der Nachwuchs bei Bayer ist sehr gut organisiert. Auch da hoffe ich, dass es so weitergeht“, gibt der 17-Jährige, der auch nach seiner aktiven Laufbahn dem Sport („Das fasziniert mich einfach“) erhalten bleiben möchte, zu verstehen. Seinem Ex-Verein aus Oebisfelde würde der Youngster wünschen, dass der Spielbetrieb dort erfolgreich bestehen bleibt und auch die FCO-Herren um Trainer Peter Böse irgendwann wieder höherklassig, womöglich auf Landesebene, spielen. Bei diesem Unternehmen wird der ehrgeizige und erfolgshungrige Tim Queckenstedt (vorerst) nicht mithelfen können, denn er möchte zukünftig mit Bayer 04 Leverkusen in ganz anderen Sphären um Punkte kämpfen und sich damit seinen ganz großen Traum erfüllen.