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Sportart im Portrait Wandern ist doch nicht nur des Müllers Lust

Wie heißt es so schön in einem alten deutschen Volkslied? „Das Wandern ist des Müllers Lust!“.

Von Thomas Koepke 05.05.2020, 08:00

Salzwedel l In unserer Serie Freizeit-Sportarten vorgestellt treten wir heute den Beweis an, dass das Wandern eben nicht nur des Müllers Lust, sondern für Jedermann geeignet ist.

Was haben wir sie als Kinder nicht geliebt - die Wandertage, die durchaus eine willkommene Abwechslung zum so anstrengenden Schulalltag bildeten. Und damals, zu meiner Grundschulzeit, waren diese Tage auch noch echte Wandertage.

Ich selbst erinnere mich noch genau an Tagesausflüge nach Lindenthal oder in die Hellberge bei Zichtau. Sicherlich stand dabei die Abenteuerlust und die schulfreie Zeit im Fokus, heute ist es der reine Genuss in einer tollen Naturumgebung mit einem Hauch Sportlichkeit. Ja, Sportlichkeit.

Denn aktives Wandern, und dabei kann es gern einmal über Stock und Stein gehen, fordert den Körper und treibt den Puls nach oben. Und da Wanderungen durchaus auch mal gut und gern mehr als nur zwei Stunden dauern können, kommt man schnell einmal auf 10 000 Schritte oder mehr.

Die erste Wanderung, die mir bewusst in Erinnerung blieb, war die in Klasse 3 nach Lindenthal. Meine Mama packte mir Marschverpflegung. Zwei Eier in der dafür vorgesehene Plastikdose, eine Trinkflsche mit rotem Deckel, der gleichzeitig als Trinkbecher dienen sollte, und natürlich das belegte Brot. Das alles fand Platz in meinem karierten Rucksack mit kleinen Lederriemchen, die sich über die Schulter zogen.

Wir trafen uns an der Schule. Meine Klassenlehrerin Frau Awolin stand natürlich ausgerüstet wie ein echter Profi schon längst da und erwartete ihre Schüler. Ich glaube, sie ging öfter mal Wandern.

Danach machten wir uns - mehr oder weniger in der verordneten Lautstärke - auf den Weg in Richtung Lindenthal. Unterwegs machten wir Halt an der Station Junger Naturforscher. Vielen ist das Gelände in Gardelegen heute als Schullandheim bekannt. Dort erwartete uns Walter Eisenhut, ein großer Mann mit wohliger Stimme. Das Haaröl sorgte dafür, dass die Pracht ordentlich in Richtung Rücken platziert war. Irgendwie hatte er etwas von einem amerikanischen Schauspieler, vielleicht hätte er auch Präsident sein können. Aber Herr Eisenhut war unser Wanderbegleiter.

Wie sich schnell herausstellen sollte, wusste er auch sehr viel über Wald und Wiesen. Nein, Herr Eisenhut wusste alles. Er hatte auf jede noch so nervige Frage von uns eine Antwort und gab sein Wissen mit viel Ruhe und absoluter Sicherheit preis.

So erkundeten wir Bäume, bestimmten Art und Alter und betätigten uns an den Gerätschaften des Naturlehrpfades. Natürlich hatten wir auch Freizeit und durften etwas toben. Herr Eisenhut mahnte aber an: „Nicht so laut und nicht so schnell“. Wir könnten Tiere erschrecken oder verjagen.

Heute weiß ich, dass diese Anweisung wichtig war, früher hatte ich sie mehr oder weniger überhört, als ich mit voller Power um den kleinen Lindenthaler Teich gelaufen bin.

In Klasse 4 gab es einen Ausflug in die Zichtauer Hellberge. Im Gegendsatz zur Lindenthal-Wanderung kamen mir die Hügel vor wie die Alpen. Natürlch führte uns unser Weg auch auf den Stakenberg, einer der höchsten Erhebungen in der Altmark. Ein Hinweisschild zeigte an, dass wir uns 148 Meter über Null befanden und einen tollen Blick in Richtung Kalbe/Milde hatten. Auch die Moose und Farne in den Hellbergen sahen faszinierend aus. Es hatte alles so ein bisschen was von den Gewächsen im Film Avatar - natürlich mit Kinderaugen gesehen.

Die Kinderaugen wurden aber mit der Zeit wandermüde. Wir wurden älter und die Wandertage zweckentfremdet. Natürlich waren auch immer noch Ausflüge geplant - auch in die Natur - doch die waren nun eher langweilig und nur willkommen, weil wir kein Mathe oder Bio pauken mussten.

Irgendwann später ging es zum ersten Mal in den Harz. Das war natürlich schon eine ganz andere Hausnummer als die Hellberge. Allerdings hielt sch auch hier die Begeisterung als junger Mensch in Grenzen. Erst als die ersten Arbeitsjahre auf dem Buckel waren und ich die Ruhe und Schönheit der Natur zu schätzen wusste, kam das Wandern wieder ins Freizeitprogramm.

Ein tolles Wandergebiet liegt mit dem Naturpark Harz quasi direkt vor der heimischen Tür. Eine kleine Autofahrt von nicht einmal zwei Stunden und man steht in einem der schönsten Wandergebiete Deutschlands.

Für viele ist der Harz irgendwie auch der Brocken. Er ist nicht nur der höchste Berg Sachsen-Anhalts, sondern auch absoluter Magnet bei Wanderern und Radfahrern. Doch Wandern geht im Harz auch ohne Brocken. Touren gibt es zuhauf, eine schöner als die andere mit ungeahnten Höhepunkten und Ausblicken auf Täler oder Wiesen.

Heute sehe ich das Wandern auch als Sport. Wetterfeste Kleidung, entsprechendes Schuhwerk, ein leichter und vor allem gut belüfteter Rucksack gehören für mich ebenso dazu, wie die GPS-Uhr, die Schutzbrille oder auch der Wanderstock. Mit ihm kann man sich abstützen, oder auch behelfen, wenn es mal etwas steiler wird. Auch sollte immer ein Karte - ob aus Papier oder im Smartphone gespeichert - mit an Bord sein.

Allerdings sind die Wanderwege im Harzer Naturpark sehr gut beschildert. Ein Verlaufen ist quasi kaum mehr möglich. Aber man weiß ja nie.

Sehr bekannt unter den Wanderern dürfte auch die „Harzer Wandernadel“ sein. Auf zahlreichen Routen und Touren gilt es, exakt 222 Stempelstellen zu erreichen. Schafft man das, darf man sich offiziell Harzer Wanderkaiser nennen.

Wir probierten kürzlich selbst zwei Wanderrouten aus. Zum einen ging es einmal um den Oderteich, zum anderen rund um das Torfhausmoor. Beide Strecken sind ungefähr 5 Kilometer lang und damit auch für Wanderanfänger gut geeignet. An der nördlichen Wendeschleife des Oderteiches fanden wir auch eine Stempelstelle. Es war die Nummer 217. Weil wir natürlich noch keinen Wanderpass hatten, sollte der Aufdruck aber zumindest für einen Tag auf dem Handrücken seinen Platz finden.

Die Wanderung am Oderteich hatte ohnehin viel zu bieten. Zum einen ging es über einen verwurzelten Pfad und über Holzbrücken entlang in Richtung Norden. Auf der anderen Seeseite ging es dagegen am Ufer entlang wieder in Richtung Parkplatz. Immer wieder windeten sich kleine Trails rechts und links in die Berge, oder aber kleine Wasserläufe luden zum Verweilen ein.

Auch eine kleine Pause direkt am Ufer des Sees durfte nicht fehlen. Allerdings fanden das auch die ansässigen Stockenten sehr reizvoll und warteten geduldig auf eine Brotkrumen oder ähnliches. Den eigenen Müll muss man natürlich selbst wieder mitnehmen und zunächst im Rucksack verstauen, da es dafür keine Entsorgungsmöglichkeiten gibt. Das ist aber auch okay so.

Die nächste Etappe führte uns also in Richtung Torfhausmoor. Unser Wandereinstieg befand sich genau am Anfang des Goethe-Weges. Nach nur wenigen hundert Metern an einem kleinen Wasserlauf entlang, erreichten wir auch schon das Moor. Auf einem Holzsteg führte uns der Weg direkt durch das Moor, das an manchen Stellen nur ansatzweise verriet, wie morastig und tief es sein könnte.

Was aber auffiel, ist die absolute Trockenheit und der Borkenkäferbefall. Damit hat der Harz schon seit längerer Zeit zu tun. Ein Aufhalten des Baumsterbens scheint unmöglich. Auch weisen einige Schilder darauf hin, dass die Natur sich selbst überlassen wird und der Altbaumbestand dazu dient, um die natürlich Aufforstung zu unterstützen. Teilweise hatte der Anblick der toten Bäume schon etwas mystisches.

Den Brocken ließen wir in östlicher Richtung liegen und bogen links Richtung Torhaus ab. Dort kamen wir noch am Luchs-Denkmal vorbei. Zum Ende der Wanderung wurde es noch einmal anstrengend, der Puls stieg auf über 140 Schläge die Minute. Das Wandern kann also auch fordern.

Und egal ob Harz, Hellberge oder gar „nur“ Lindenthal - eine Wanderung durch die Wälder gibt einem Wanderer auch immer etwas zurück.