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Fußball Spielerischer Befreiungsschlag

In einer spannenden Partie drehte Kleinmühlingen in der Landesklasse zweimal einen Rückstand und gewann gegen Stahl Aken mit 5:3.

Von Enrico Joo 23.09.2018, 23:01

Kleinmühlingen l Emotional erschöpft stand Christoph Berlau an der Seitenlinie ans Geländer gelehnt, seufzte und fasste sich mit einem Lächeln ans Herz. Eine eindeutige Symbolik lag in der Geste des Trainers vom Landesklasse-Team TSV Grün-Weiß Kleinmühlingen/Zens nach dem 5:3 (0:1)-Erfolg am Sonnabend gegen Stahl Aken. Der erste Saisonerfolg war mit viel Herzblut, Kampfgeist und zitternden Zähnen erkämpft. Wohl dem, der schon graue Haare hat und am Wochenende also keine neuen dazu bekommen konnte. „Für die Zuschauer war‘s gut“, sagte Berlau. Er selbst hätte aber auch mit entspannteren 90 Minuten leben können. Denn die 65 Zuschauer in Kleinmühlingen kamen auf ihre Kosten. Drei Elfmeter, ein bemerkenswertes Comeback des Gastgebers, ein Fallrückzieher aber auch haarsträubende Fehler in der Defensive bildeten nicht einmal die gesamte Bandbreite der Ereignisse ab.

Dabei sah es lange so aus, als ob der TSV trotz einer erneut engagierten Vorstellung wieder mit leeren Händen dastehen würde. Nach einem reflexartigen Handspiel von Brian Ostwald gingen die Gäste aus Aken durch Patrick Belger schon früh in Führung (2.). Doch trotz Feldüberlegenheit und mehr Ballbesitz wollte dem Gastgeber der erlösende Ausgleich nicht gelingen. „Die Chancenverwertung war nicht gut“, meinte Berlau im Nachgang. „Aber die Körpersprache war gut.“ Beim Seitenwechsel war Zuversicht da. Mit Jonas Ehme für den angeschlagenen Marcel Klöhn und Maurice Hertel für Felix Iwan brachte Berlau zwei frische Kräfte. Doch der Frust wuchs zunächst. Denn nach einem krassen Torwartfehler von Pierre Angermann, der sich bei einer Flanke völlig verschätzte, erhöhte Dennis Bär auf 2:0 für die Gäste (49.).

Bemerkenswert war, wie der TSV diese Nackenschläge wegsteckte. Innerhalb kürzester Zeit kämpfte sich Kleinmühlingen zurück ins Spiel. Nachdem der Schiedsrichter nach einem Foul von Tobias Westermann an Jonas Ehme auf Strafstoß entschieden hatte, erzielte Norman Möbes den Anschlusstreffer (53.). Per Kopfball markierte Kevin Junge nur drei Minuten später nach einer Möbes-Flanke den Ausgleich (56.).

Besonders das Offensivduo Möbes/Junge wirbelte die Abwehr der Gäste immer wieder durcheinander, war ein ständiger Gefahrenherd. Nach Stationen in höheren Ligen waren beide Stürmer im Sommer zum kleinen TSV Kleinmühlingen zurückgekehrt. In der wieder erlangten Wohlfühlzone auf dem Dorf blühen sie wieder auf, obwohl beide laut Berlau noch Luft nach oben haben. „Norman ist nicht in Topform“, sagte Berlau, „bringt aber durch seine Athletik immer wieder belebende Elemente ins Spiel. Kevin hat Probleme mit der Leiste, da fehlen noch ein paar Prozente. Aber sein Motor geht ja nicht aus.“ Berlau lacht. Schnell ist Kevin Junge auch, wenn er angeschlagen ist. Und so war dem TSV auch nicht bange, als Angermann einen zweiten Strafstoß für Aken verursachte und Belger mit seinem zweiten Treffer die Gäste erneut in Führung brachte (71.).

Auf Möbes und Junge konnte sich Kleinmühlingen zu 100 Prozent verlassen. Flanke Möbes, Junge stieg hoch und knallte die Kugel mit einem formvollendeten Fallrückzieher in die Maschen: 3:3 (80.). Weil auch Möbes seine Bewerbung für das Tor des Monats abgeben wollte, legte sich der Kapitän die Kugel in der 83. Minute vier Meter vor der Torauslinie auf der linken Seite kurz vor dem Strafraum zurecht. Der 27-Jährige, schaute, zielte und versenkte den Ball direkt im Winkel. Nicht nur Toni Kroos würde anerkennend seine Unterlippe nach vorn schieben für diesen Kunstschuss. Jonas Ehme setzte in der 89. Minute nach einem perfekten Pass von Junge den Schlusspunkt unter die Partie.

Der Rest war Jubel beim Befreiungsschlag der Kleinmühlinger. „Wir hatten Druck. Ich habe auch Druck gemacht vor dem Spiel. Wir mussten gewinnen“, gab Berlau nach dem Spiel Einblick ins Seelenleben des Teams. „Aber wie die Mannschaft sich zweimal zurückgekämpft hat, zeigt, dass sie intakt ist.“ Spielerisch hat der TSV schon öfter überzeugt. Am Sonnabend war Kleinmühlingen aber auch moralischer Sieger. Und besonders Angermann wird sich bei seinen Teamkollegen wohl nicht nur einmal bedanken, die ihm den sprichwörtlichen Arsch retteten und dafür sorgten, dass die zwei groben Patzer folgenlos blieben für das Punktekonto. Wobei Berlau den Ersatz für den verletzten Sebastian Brandt freilich auch in Schutz nimmt. „Der Junge ist 18 Jahre alt“, sagte der Coach. „Solche Fehler passieren. Ist eben nur doof, dass solche bei einem Torwart sofort bestraft werden.“ Trotzdem bekommt der Nachwuchs-Keeper weiter das Vertrauen. Er soll und wird mit seinen Aufgaben wachsen. Am Sonnabend durfte er erst einmal zusammen mit seinen Teamkollegen den ersten Saisonsieg feiern.

Kleinmühlingen: Angermann – St. Brandt, Möbes, Klöhn (46. J. Ehme), Schmidt, Junge, Schmoldt (77. T. C. Stüber), Ostwald, T. N. Stüber, Durrhack, Iwan (46. Hertel)

Tore: 0:1 Patrick Belger (2., HE), 0:2 Dennis Bär (49.), 1:2 Norman Möbes (53., FE), 2:2 Kevin Junge (56.), 2:3 Patrick Belger (71., FE), 3:3 Kevin Junge (80.), 4:3 Norman Möbes (83.), 5:3 Jonas Ehme (89.); ZS: 65