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Sportart im Portrait Strongman: Gewisses Maß an Kraft ist nötig

Es sollte so sein, dass Sportreporter sich in vielen Sportarten auskennen. Immerhin ist es ihr Job.

Von Stefan Rühling 22.05.2020, 03:00

Stendal l Natürlich kann nicht jeder auch alle Sportarten kennen. In loser Abfolge stellen wir verschiedene Sportarten vor, berichten über vermeintliche Randsportarten oder starten Selbstversuche.

Welcher Junge träumte nicht einmal davon, der stärkste der Welt zu sein und megaschwere Dinge zu bewegen, beispielsweise einen LKW zu ziehen oder einen großen Reifen zu bewegen. Aus dem Fernsehen ist dafür beispielsweise Heinz Ollesch bekannt, der beispielsweise im Jahr 2007 ein Flugzeug auf dem Düsseldorfer Flughafen ziehen wollte. In Deutschland ist er einer der Vorreiter der Sportart Strongman.

Diese hat ihren Ursprung in der Antike und ihrer Gladiatorenkämpfe sowie dem traditionellen Zehnkampf, den Wikingerspielen, Highland Games oder anderen bis heute erhaltenen Traditionen. In den 70er Jahren erlebte die Strongman-Bewegung in Amerika einen Anschub. Sportler verschiedener Disziplinen wollten den stärksten Mann der Welt ermitteln. Daraus entstanden Wettkämpfe, welche unterschiedlichste Anforderungen an Körper- und Muskelgruppen stellten. Gegenstände aus dem alltäglichen Gebrauchsbereich wurden herangezogen, um diese zu tragen, zu heben, zu stemmen, zu halten oder zu ziehen.Auch im Deutschen Fernsehen waren Ende der 80er Jahre zwei Mutige in der ZDF-Sendung „Wetten, dass?“ zu sehen, die einen LKW mit zwei Angeln ziehen wollten.

In den 90er Jahren wurde die Sportart auch in Deutschland populärer. Ollesch etwa startete 1994 damit und wurde danach elf Jahre in Folge stärkster Mann der Bundesrepublik. Es gibt mittlerweile sogar einen Verband, die German Federation of Strength Athleths (GFSA), der Ollesch als Präsident vorsteht. In Sachsen-Anhalt gibt es einen Sportler, der sich dem Strongman verschrieben hat. Er kommt aus Stendal: Matthias Hörning. Ich habe ihn kürzlich getroffen, um mir ein konkreteres Bild davon zu machen, ob das auch ein Sport für mich sein könnte. Natürlich wurde mir schnell klar, dass das nicht der Fall ist.

Zuerst habe ich ihn gefragt, welche Voraussetzungen ich mitbringen müsste und nach seiner Antwort „Willen und Ehrgeiz“ war ich noch optimistisch. Denn das beides habe ich. Als er dann mit einem gewissen Maß an Kraft um die Ecke kam, war mir bewusst, dass ich gar nicht weiter über diesen Sport für mich nachdenken muss. Ich spürte aber, wie er dafür brannte und mich durch seine Berichte in seinen Bann zog. Selbst hat Hörning, der von Haus aus schon Kraftsportler war, im Jahr 2011 mit dem Strongmann-Sport begonnen. „Lars Schmidt aus Döbbelin hat mich dazu gebracht“, sagt er. Bis dato war er im Powerlifting beheimatet und fuhr auch 2012 und 2016 noch tolle Erfolge ein: Er wurde Weltmeister im Kreuzheben mit Deutschem Rekord von 295 Kilogramm. Vier Jahre später wiederholte er seinen Weltmeistertitel in der Senioren-Klasse mit einem Weltrekord von 285 Kilogramm.

Heute kann Hörning, der mit seinen 117 Kilogramm einer der leichtesten Strongman-Sportler ist, bereits auf so manche Erfolge im Strongman zurückblicken. Beispielsweise nur einem Jahr nach seinem Start hat er zusammen mit Schmidt im Team für Sachsen-Anhalt den vierten Rang bei den Deutschen Meisterschaften belegt.

Aktuell ist Hörning der einzige Strongman-Sportler in Sachsen-Anhalt und hält hier jährlich beispielsweise beim Rolandfest mit einem Wettkampf die Fahnen hoch. Denn es gibt mittlerweile auch eine Bundesliga sowie eine 2. Liga. Wenn sich dann doch mal jemand ernsthafter für Strongman interessiert, nimmt Hörning diesen unter seine Fittiche. Zuerst steht ein physischer Test auf dem Plan, in dem die Kraftwerte ermittelt werden. Nach etwa einem Jahr Grundlagentraining schickt er sie zu dem jährlich in Hannover stattfindenden „Beginner-Cup“. „Dort kann man mit einfachen Gewichten einmal Luft in verschiedenen Disziplinen schnuppern und sich ausprobieren“, so der Stendaler. In Summe gibt es über 50 verschiedene Möglichkeiten, sich im Rahmen des Strongman-Sports zu messen.

Die bekanntesten sind Truck Pull – das ziehen von LKW, Logfit - das stemmen von Baumstämmen, Wheelflip – das bewegen von schweren Reifen sowie Farmerswalk – das zurücklegen einer bestimmten Strecke mit schweren Koffern in beiden Händen. „Bei dem Event in Hannover wurden schon so manche Talente entdeckt“, berichtet Hörning. Je Wettkampf werden in der Regel vier bis sechs Disziplinen abverlangt.

Ich habe Matthias Hörning im Gespräch angemerkt, wie sehr sein Herz für den Sport schlägt. Anders ist es kaum machbar, auch in Stendal beim Rolandfest immer wieder Wettbewerbe auf die Beine zu stellen. „Das kostet nicht nur viel Arbeit, sondern auch einen mittleren, vierstelligen Betrag.“

In diesem Jahr findet das Rolandfest nun nicht statt, doch es gibt vielleicht eine kleine Hoffnung, den Strongman-Wettbewerb, der auch immer viele Zuschauer anzog, im September nachzuholen. Neben Stendal fallen aktuell aber noch 27 weitere Veranstaltungen der Pandemie zum Opfer, so dass die Strongman-Sportler auch dazu verdammt sind, sich zu Hause fit zu halten.

Das Einstiegsalter für den Strongman sieht Hörning bei Anfang/Mitte 20, wobei er selbst schon in den 30ern war. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht.

Wer Interesse hat, sich selbst einmal auszuprobieren, kann dies mit Matthias Hörning beim ESV Lok Stendal tun.