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Fußball Guderitz: Kraft aus dem Umfeld gesammelt

Eines haben die Relegationsspiele am Ende dieser Saison alle gemeinsam.

Von Florian Bortfeldt 13.07.2020, 05:00

Halberstadt l Egal ob 1. gegen 2. Bundesliga, 2. gegen 3. Bundesliga oder Meister der Regionalliga West gegen Meister der Regionalliga Nordost: Sie sind bis in die Schlussminute extrem spannend und werden durch eine Subtilität entschieden. Der Halberstädter Fabian Guderitz, seit Januar in Diensten des 1. FC Lok Leipzig, hat das hautnah miterlebt. Im Gespräch mit Volksstimme-Redakteur Florian Bortfeldt gibt der 23-Jährige Einblicke.

Volksstimme: Die Relegationsspiele gegen den SC Verl sind passé, Sie haben wieder fußballfrei. Was macht man als Kicker in der von einem Virus dominierten Zeit?

Fabian Guderitz: Aktuell ist es sehr ruhig, wir bei Lok Leipzig haben Urlaub. Dagegen sind ja die meisten Regionalligisten schon wieder in der Vorbereitung. Wir alle hatten ja schon vier Monate Pause. Jetzt geht‘s darum, sich fit zu halten, körperlich muss jeder was machen. Ein bisschen laufen, meist durch den Wald, und das Fitnessstudio stehen bei mir im Fokus. Es ist ja schön, dass man die wieder nutzen kann. Ich persönlich lege auch Wert auf ein paar Treppenläufe. Größtenteils passiert das allein, aber mit Alysson Varga habe ich im FSZ Halberstadt auch einen ehemaligen Teamkollegen, mit dem ich mich aktiv austausche.

Sie haben eine sehr emotionale Relegation mit Lok Leipzig gespielt. Zahlreiche Halberstädter Fußballfans und natürlich der immens große Fananhang der Probstheidaer hat Ihrem Team die Daumen gedrückt. Rein sportlich gab es nach dem 2:2 und 1:1 keinen Sieger, mit Lok aber dennoch einen Verlierer. Wie haben Sie das erlebt?

Ich glaube nach dem Abpfiff habe ich das bisher bitterste Gefühl meiner Karriere durchlebt. Beide Partien gingen nicht verloren, unter dem Strich bist du allerdings doch der Verlierer. Der Verein und die Mannschaft haben lange darauf hin gearbeitet, den nächsten Schritt zu gehen. Wenn man drüber nachdenkt, zweimal Unentschieden, es ist hart. Ich war definitiv das erste Mal direkt von so einer Dramatik betroffen.

Öffentlich wird das Thema Relegation zwischen den verschiedenen Regionalliga-Meistern kontrovers diskutiert. Was sagen Sie dazu, dass zwei Staffelsieger der 4. Ligen gegeneinander antreten müssen, um den finalen Drittliga-Aufsteiger zu ermitteln?

Wie gesagt, es ist hart. Man arbeitet eine lange Zeit darauf hin. Das Argument vom Verband, dass in der 1. und 2. Bundesliga auch Relegation gespielt wird, sehe ich differenziert. Es ist etwas anderes, wenn du als Dritter um den Aufstieg spielst. Wir sind Erster geworden, haben eine überragende Saison gespielt und alles hängt dann davon ab. Es ist sicher eine andere Lösung möglich.

Ihr Fehlgriff im Hinspiel gegen den SC Verl, der zum 2:2 führte, wurde medial sehr beleuchtet. Auch ich komme nicht daran vorbei, da es ja von großer Tragweite war. Wie sind Ihre Mannschaftskameraden mit Ihnen im Nachgang umgegangen? Was sagt einem der Trainer da. Will man danach überhaupt mit irgendjemandem reden?

Die Mannschaft stand zu 100 Prozent hinter mir. Vom Trainerstab habe ich einen Megazuspruch erhalten. Auch viele private Nachrichten direkt nach dem Spiel dienten als Aufmunterungen. Das Problem ist, dass Fehler eines Torhüters meist direkt mit einem Gegentor enden. Dann stehst du im Fokus. Persönlich habe ich dadurch noch mal extra erfahren, es ist ein besonderes Spiel, keine normale Ligabegegnung. Es wurde breit getreten. Aber die Lok-Verantwortlichen haben mich alle unterstützt. Ich habe viele Gespräche geführt mit Trainer Wolfgang Wolf. Das war mehr als vorbildlich.

Ich sage auch mal so: diesen Fauxpas lieber im Hinspiel, als im Rückspiel – logischerweise am liebsten gar nicht. Positiv war so aber, es blieben ja noch 90 Minuten. Viel schlimmer wäre es doch gewesen, wenn es die letzte Aktion gewesen wäre. Dann gehst du mit einem richtig schlechten Gefühl in die Sommerpause. Im Rückspiel habe ich mich gut präsentiert. Es war eine schlechte Aktion in der gesamten Relegation, die zwar komplett alles zerstört, ich habe aber auch vieles richtig gemacht. Jetzt gehe ich trotzdem nicht mit einem guten Gefühl in die Pause, aber es ist akzeptabel.

Ihr Torwarttrainer Maik Kischko bringt als ehemaliger Bundesliga- und Zweitliga- keeper viel Erfahrung mit. Wie konnte er Ihnen in dieser Situation helfen?

Auch mit ihm habe ich viel gesprochen, am nächsten Tag noch mal telefoniert. Er meinte, das ist schon so vielen Torhütern vor mir passiert – auch in wichtigen Spielen. Und es wird auch nicht mein letzter Fehler gewesen sein. Recht aktuell zeigt ja das Beispiel Lukas Hradecky (Bayer Leverkusen/d. Red.) im DFB-Pokal-Endspiel, welche Bürde die Position des Torwarts mit sich bringen kann. Fehler werden bei uns oftmals direkt bestraft.

Im Nachgang haben sich einige telefonisch gemeldet und unterstützt. Tomislav Piplica, mein Torwarttrainer in Nordhausen, der ja selbst ein ähnliches Eigentor erlebte, hat mit mir gesprochen. Auf der Torhüterposition findet viel im Kopf statt, meinte er. Er hat mir Mut zugesprochen. Man kann nach so einer Aktion viel Kraft aus dem Umfeld ziehen. Sebastian Kischel (Torwarttrainer Germania Halberstadt/d.Red.) hat auch bestätigt, dass man sich da selbst wieder rauszieht, einfach indem man auf dem Feld seine Leistung zeigt. Auch mit ihm pflege ich noch engen Kontakt. Das alles zeigte mir, dass ein paar Leute meinen Werdegang verfolgen, ich finde das aller Ehren wert.

Bei „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, einer satirisch kommentierten Fernsehsendung des WDR, gibt es die Rubrik „Kacktor des Monats“. Der Gegentreffer zum 2:2 vom Hinspiel gegen den SC Verl ist da für Juni nominiert und liegt aktuell auf Platz zwei. Wie ordnen Sie so etwas ein?

Stolz bin ich nicht, es ist halt so. In der heutigen Zeit rutscht man schnell auch mal in solch eine Kategorie. Ich bin da aber nicht auf dem aktuellsten Stand.

Ihr Vertrag bei Lok Leipzig endete am 30. Juni. Wie geht es für Sie weiter?

Das wird man sehen, die Gespräche werden noch geführt. Mit Almedin Civa ist nun ein neuer Trainer da, es gilt, sich erstmal kennenzulernen. Ich lass mich überraschen. Ganz allgemein kann ich sagen, dass ich es als eine Ehre empfinde, für Lok Leipzig zu spielen. Das ist mit der größte Verein in der Liga, mit einer riesigen Fanbasis dahinter. Bei einem Angebot wie diesem überlegt man nicht lange. Ich würde hier gerne weitermachen.

Sie haben die 3. Liga hauchdünn verpasst. Hat sich da in den letzten Tagen der ein oder andere Verein aus diesem Klassement gemeldet?

Nein. Mein erster Ansprechpartner ist auch der 1. FC Lok.

Vor einem Jahr haben Sie den Schritt zur Konkurrenz FSV Wacker 90 Nordhausen gewagt. Als waschechter Halberstädter, der sein Leben lang bisher nur für die Germania auflief, war das sicher nicht leicht. Für die Germania-Fans war es ein schwerer Verlust, gehörten Sie doch als absolute Identifikationsfigur zum Vereinsbild. Wie war das für Sie?

In jedem Fall kein einfacher Schritt. Ich habe lange überlegt, ob es der richtige Moment ist. Ich wollte aber neue Reize setzen, also war es der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt. Es gab im Vorfeld Gespräche mit Heiko Scholz (damaliger Wacker-Trainer/d.Red.) und Tino Berbig (Sportlicher Leiter/d. Red.), die haben mich überzeugt. Und dass man mit Piplica einen top Torwarttrainer bekommt, das gibt es auch nicht alle Tage. Im Juli 2019 war ja nicht absehbar, dass es so extrem in Nordhausen ausgeht (Insolvenz im Dezember 2019/d. Red.). Ändern kann man das nicht, das halbe Jahr hat mir in meiner Entwicklung extrem geholfen. Ich habe viele Leute kennengelernt, darunter auch neue Freunde, es war trotzdem eine schöne Zeit. Als klar war, dass der Verein zahlungsunfähig ist, habe ich überlegt, wie geht‘s jetzt weiter. In der Phase haben sich Wolfgang Wolf und Co-Trainer Nicky Adler gemeldet. Wir haben die Gesamtsituation betrachtet. Ich bin zum Entschluss gekommen, dass ich das machen muss – zum 1. FC Lok Leipzig wechseln.

So eine Anfrage erfüllt einen mit Stolz, oder?

Das macht es. Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet. Bei mir kreisten diese Gedanken: „Da wechselt man einmal nach 18 Jahren den Verein, und dann geht der neue Klub prompt pleite. Gehe ich wieder nach Hause?“ Dann kam aber Lok.

Was ist der Hauptunterschied zwischen dem VfB, Wacker und Lok, abgesehen vom Geld.

In Nordhausen war das Gehalt kein Argument zum Wechsel. Es kam mir auf meine Entwicklung an. Mit Kollege Jan Glinker und Trainer Piplica war das aber schon ein anderes Niveau, auch die Mitspieler. Für meine Entwicklung waren die Bedingungen optimal. In Halberstadt habe ich mit fünf Jahren angefangen, das ist mein Herzensverein. Ich habe hier jede Nachwuchsmannschaft durchlaufen, bin zum Regionalspieler gereift. Lok Leipzig war nach Nordhausen ein weiterer Schritt nach vorne. Hier herrscht ein enormes Umfeld, im Schnitt kommen etwa 3000 Zuschauer zu den Heimspielen.

Ihr Wohnsitz ist Halberstadt. Die Fußballfans sehen Sie also weiter zwischen Klusberge, Dom und Friedensstadion?

An freien Tagen bin ich auf jeden Fall weiterhin zuhause, wenn auch nicht sieben Tage die Woche. Meine Freundin und Familie sind hier und ich studiere. Und dann gibt es wie gesagt noch das Fitnessstudio.