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Magdeburger kämpft um die europäische Vereinskrone Schmelzer lebt seinen Traum

Von Daniel Hübner 25.05.2013, 03:10

Magdeburg. Magdeburger Bescheidenheit zieht an diesem Sonnabend ins Londoner Wembley-Stadion ein, wenn Marcel Schmelzer mit Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München um die europäische Vereinskrone kämpft. Das Lebensmotto des 25-Jährigen ist dabei längst Gesetz: "Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben."

"So Leute ..." So steigt Marcel Schmelzer in die Kommunikation mit den Fans auf seiner offiziellen "Facebook"-Seite häufig ein. So Leute, heute spielen wir hier, morgen siegen wir dort. Für den normalen Bundesliga-Alltag findet der 25-Jährige zuweilen wenige Worte. Was soll er auch ankündigen, außer einen Sieg? Bereitet er allerdings die Gemeinschaft via soziales Netzwerk auf einen Wettbewerb namens Champions League vor, dann hat auch Schmelzer mehr zu sagen, dann fragt er zum Beispiel: "Wie geil ist das denn bitte?", wenn der Gegner seiner Borussia zum Beispiel Real Madrid heißt. Dann ist es für "Schmelle" kein Alltag, sondern eine sonderbare, wunderbare reale Welt, in der er 2005 - als Stürmer aus Magdeburg zu den Schwarz-Gelben gewechselt und dann vom A-Jugend-Coach Heiko Herrlich zum Defensiv-Mann umfunktioniert - allenfalls in einem Traum links verteidigte.

Schmelzer erachtet zwar das Handy als die tollste Erfindung überhaupt, aber die Kommunikation mit ihm ist so eine Sache. Unzählige Male ist der Versuch eines Kontakts zu ihm über das Handtelefon gescheitert, eine SMS unbeantwortet geblieben, ebenso eine Nachfrage über jene "Facebook"-Seite. Man sagt, er sei eher zurückhaltend, kein Akteur also, den es in die Öffentlichkeit zieht. Er ist auch nicht medienwirksam vorgeprescht, als er seine Jenny am vergangenen Donnerstag heiratete. Und während man über den Geschmack seines Lieblingsessens Chili con Carne oder selbst über seine Vereinszugehörigkeit streiten kann, ist jene Bescheidenheit unbestritten sympathisch.

So war er immer, erklärte Matthias Kahl, "ein ruhiger Spieler, der sich in seinem Wesen bis heute nicht verändert hat". Kahl ist Pressesprecher des 1. FC Magdeburg, und er war einst Schmelzers Trainer in der B-Jugend der Blau-Weißen. "Marcel war schon damals ein sehr schneller und technisch starker Spieler mit einem großen Willen", so Kahl. Und einer, der schweigend, aber offenkundig seinen Traum lebte. "So lange ich mich erinnern kann, trug Marcel oft ein schwarz-gelbes Trikot, meistens von Dede." Dede, langjähriger brasilianischer Volksheld im Stamm der Borussen. Linksfuß. Verteidiger. Entthront von Marcel Schmelzer. Was für eine Geschichte.

Bis zum Freitagabend vor dem Champions-League-Finale gegen die Bayern im Londoner Wembley-Stadion hatte Schmelzer auf seiner "Facebook"-Seite keine Geschichte mehr zu erzählen. Das letzte Interview mit ihm zu diesem Thema datiert vom 2. Mai, geführt wurde es von "Sport.1", es stand unter dem Titel: "Herr Schmelzer, werden Sie Bayerns Saison verderben?" Und Herr Schmelzer sagte: "Vielleicht werden viele von uns nie wieder so weit kommen, deshalb wollen wir das Finale auf jeden Fall gewinnen."

Schmelzer hat bislang das Einfachste getan, er ist seinem Lebensmotto gefolgt: "Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben." Er ist zweimal deutscher Meister geworden, er hat den DFB-Pokal gewonnen. Er ist Nationalspieler, und er hat als dieser auch eine schwierigere Zeit überwunden, nachdem er in der WM-Qualifikation im September 2012 beim 2:1-Sieg gegen Österreich einen gebrauchten Tag erwischt hatte. "Danach war ich wirklich geknickt", erinnerte sich Schmelzer im Interview mit dem "Tagesspiegel". Die Medien betrachteten den Linksfuß kritisch, weil auch Bundestrainer Joachim Löw seine Kritik an Schmelzer unglücklich formuliert hatte ("Ich kann mir keine Linksverteidiger schnitzen"). Kurz darauf erzielte Schmelzer beim 2:1 der Dortmunder in der Gruppenphase der Champions League gegen Real Madrid den Siegtreffer. Er sagte: "Vielleicht wollte mir das Schicksal was Gutes tun." Vor allem wollte es, dass sein Traum nicht endet. Er geht für "Schmelle" gegen Bayern weiter - allein, weil es das Finale um die europäische Vereinskrone ist.

Sein Spitzname "Schmelle" ist noch ein Relikt aus Magdeburger Zeiten. "Mir gefiel in den Jugendmannschaften nicht, dass wir Spieler immer beim Nachnamen gerufen wurden. Deshalb habe ich dann das ,Schmelle\' eingeführt", berichtete er der "Süddeutschen Zeitung". Magdeburg selbst sieht er in der Sommerpause oder über Weihnachten, dann gastiert Schmelzer in der Heimat. Beim nächsten Besuch wird allerdings wohl kaum die Zeit reichen, um alle Impressionen der vergangenen Wochen, Monate und natürlich des Spiels vom heutigen Sonnabend wiederzugeben. Vielleicht belässt er sein Fazit bei ebenso wenigen Worten wie auf seiner offiziellen "Facebook"-Seite, wenn er nach den Siegen der Dortmunder schlicht verkündet: "Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa... Borussia, Borussia, Borussia."