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Boxen Aus dem Ghetto auf den EM-Thron?

Agit Kabayel boxt bei der SES-Gala am 4. Februar im Maritim-Hotel um die vakante EM-Krone im Schwergewicht.

Von Janette Beck 28.01.2017, 00:01

Agit Kabayel. Boxer. Sagt vielen nichts. „Noch nicht“, betont der in Leverkusen geborene Schwergewichtler. Mit Volksstimme-Redakteurin Janette Beck plauderte der 24-jährige Essener, der bei der SES-Gala am 4. Februar im Maritim-Hotel um die vakante EM-Krone boxt, über sein Leben, seinen Migrationshintergrund und eine Karriere abseits des Rampenlichts.

Kabayel über seine türkischen Wurzeln: Meine Familie stammt aus dem kurdischen Teil der Türkei. Im Zuge der gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der PKK sind viele nach Deutschland geflüchtet. Ich bin aber in Leverkusen geboren. Auch wenn bei uns Familie groß geschrieben wird, besteht mein Freundeskreis nicht nur aus der türkischen Community, ich habe auch sehr viele deutsche Freunde und auch Fans.

... über seinen Vater: Er hat nie auf der faulen Haut gelegen oder auf staatliche Hilfe gewartet, sondern immer hart gearbeitet. Erst als Metallschneider im Ruhrpott, dann hat er sich als Wirt mit eigenem Restaurant selbstständig gemacht. Er hat immer gesagt: „Metall, das arbeitet, kann nicht rosten. Also Junge, arbeite!“ Also habe ich die Realschule abgeschlossen und was Anständiges gelernt. Ich bin Facharbeiter im Gleisbau. Gearbeitet habe ich aber nie in dem Beruf, ich wollte es im Sport weit bringen. Um Geld zu verdienen, habe ich nebenbei lange als Türsteher gejobbt.

... über seine Kindheit und Jugend: Auf der Straße, im Ghetto im Ruhrpott, da musst du kämpfen, dich gegen den Dreck durchsetzen. Irgendwie standest du immer mit einem Bein auf dem falschen Weg. Aber ich wollte raus aus dem Ghetto. Über das Profiboxen habe ich es geschafft, darauf bin ich stolz.

... über seinen größten Fan: Das ist mein Cousin. Der ist als „KC Rebell“ bekannt und eine große Nummer in der Rapper-Szene. Sein aktuelles Album „Abstand“ belegt sogar Platz eins in den deutschen Charts.

... über Fremdenhass in Deutschland: Natürlich geht mich dieses Thema etwas an. Es bewegt mich. Mich stört dabei, dass alle über einen Kamm geschoren werden. Aber es ist nun mal ein Unterschied, ob ich ein Wirtschaftsflüchtling bin, ein in Deutschland Geborener mit türkischen Wurzeln oder meine Heimat verlassen habe, weil dort Krieg herrscht. Für mich kommt zuerst der Mensch, und wenn der Hilfe braucht, dann sehe ich zu, wie ich helfen kann.

... über seine sportliche Laufbahn: Ich bin relativ spät zum Boxen gekommen, mit 17 ungefähr. Davor habe ich Fußball gespielt, und als ich da nicht mehr weiter vorangekommen bin, habe ich es mit Kickboxen versucht. Aber ich wollte lieber richtig boxen, das lag mir und hat auch mehr Spaß gemacht.

... über seine Sparringspartner: Ich habe schon mit Tyson Fury, den aktuellen Klitschko-Herausforderer Anthony Joshua, Europameister Kubrat Pulev oder dem finnischen Riesen Robert Helenius Sparring gemacht. Manche sagen, das ist verrückt, aber wenn ich der Beste werden will, muss ich mit den Besten trainieren. Nur das bringt mich wirklich weiter.

... über seine Träume: Ich will erst Europa-, dann Weltmeister werden. Damit könnte ich anderen ein Vorbild sein und zeigen, dass man aus seinem Leben etwas machen kann. Später ein eigenes Gym zu haben und anderen das Boxen beizubringen, das wäre eine geile Sache.