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Kanu SCM-Kanute Müller ist erleichtert

Michael Müller vom SCM hat noch 466 Tage Zeit, seine Schwächen zu schwächen und seine Stärken zu stärken.

Von Daniel Hübner 13.04.2020, 17:52

Magdeburg l Die Gedanken des Michael Müller waren in den Wochen vor der Verschiebung der Olympischen Spiele nicht besonders frei. Sie drehten sich natürlich um die sportliche Herausforderung, an den Spielen in Tokio oder an der Weltmeisterschaft der nicht- olympischen Disziplinen in Szeged teilzunehmen. Sie drehten sich darum, seinen Status als Olympiakader des Deutschen Kanuverbandes (DKV) über die Saison hinaus zu halten und Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr zu bleiben. Und darum, eine berufliche Zukunft zu finden, wenn der erste Plan nicht funktioniert.

Die Gedanken haben sich nach der Entscheidung für die Verlegung der Spiele auf das Jahr 2021 (23. Juli bis 8. August) allerdings vertagt. Und der Kanute vom SCM klingt darüber erleichtert.

Müller ist bekanntlich einer der stärksten Canadier-Fahrer in Deutschland. Man wird ja nicht müde, dies immer wieder zu erklären. Auch in der Hoffnung, dass er seinem Ruf in den wichtigsten Rennen folgt. Das hofft Trainer Detlef Hummelt. Und selbst Clubgefährte Yul Oeltze, mit dem Müller im direkten Konkurrenzkampf um den Start in Tokio steht, hat erklärt: „Wenn sich einer die Teilnahme verdient hat, dann ist es ,Kowalle‘.“

„Kowalle“ Müller muss immer ein bisschen schmunzeln über so viele Komplimente. Denn womöglich blickt der 27-Jährige dann zurück auf seine bisherigen Erfolge, und in dieser Liste steht ein vierter Platz bei der WM vor zwei Jahren im nichtolympischen C4 ganz oben. Zumindest in der Elite. „Ich weiß nicht, warum ich meine Trainingsleistung im Wettkampf nicht umsetzen konnte“, sagt Müller über die vergangenen Jahre. Womöglich lag das tatsächlich an den vielen Gedanken im Kopf. Ganz sicher lag es jedenfalls nicht an der Qualität seiner Einheiten.

Aus dem jüngsten Trainingslager in Montemor (Portugal) im März hat er weitere Erkenntnisse mitgebracht, die ihm in den nächsten Monaten helfen sollen, Schwächen zu schwächen und Stärken zu stärken. „Wir haben festgestellt, dass ich das Boot bremse“, berichtet Müller. Dabei wurden die Länge seines Schlags und die Bewegung seines Oberkörpers analysiert. „Ich habe jetzt die Zeit, die Defizite abzuarbeiten“, sagt Müller. „In jedem Fall muss ich an meiner Technik arbeiten und alles verbessern, was zu verbessern geht. Und dabei gesund bleiben, das ist das Wichtigste.“

Gerade hat er das Privileg, als Olympiakader nach wie vor auf der Elbe trainieren zu dürfen und mehrere hundert verlorene Kilometer aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls über den Jahreswechsel wieder aufzuholen. „Trotzdem habe ich intensiver und auf einem hohen Niveau trainiert“, sagt Müller. Für seine Gedanken hat er indes mal die Magdeburger Sportpsychologin Christine Stucke aufgesucht. Und dann festgestellt: „Ich bin davon nicht überzeugt, deshalb funktioniert es nicht.“

Überzeugt ist er schon seit Jahren, dass es zu den Saisonhöhepunkten immer „ziemlich schwer ist, in eine olympische Klasse reinzukommen“, das hat man von ihm regelmäßig und mit Hinweis auf die dominierenden deutschen Canadier-Fahrer Sebastian Brendel, Oeltze und Peter Kretschmer gehört. „Wir haben eben nur zwei Olympia-Strecken mit drei Teilnehmern.“

Weshalb sich seine Aufgabe auch nicht ändern wird bei der ersten und zweiten Rangliste, der nationalen Olympia-Qualifikation im nächsten Jahr: „Ich muss der beste Rechtsfahrer sein, dann habe ich gute Chancen, den Ausscheid zu fahren.“ Den Ausscheid mit einem Partner im Canadier-Zweier gegen Oeltze/Kretschmer nämlich. Müller blickt voraus: „Ich muss einfach mein Ding machen – wie im Training.“

Auf dem Training liegt nun sein Fokus. Wettkämpfe wird es nämlich vorerst keine geben. Aber bei so vielen Aufgaben kann er sich auch mal von einem Gedanken befreien: „Ich bin jetzt im 19. Jahr beim Kanu. Das ist schon ein Brett. Und manchmal fühle ich mich müde, auch wenn es mir nach wie vor Spaß macht.“

Aber Michael „Kowalle“ Müller sagt auch: „Wäre mir mein Sport egal, hätte ich schon längst aufgehört, aber ich quäle mich weiterhin jeden Tag.“ Es sind noch 466 Tage. bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio. Und es wären tatsächlich seine ersten.