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Leichtathletik Wierig, ein würdiger Nachfolger

Meister Martin Wierig und David Wrobel vom SC Magdeburg landen einen historischen Doppelsieg im Berliner Olympiastadion.

Von Daniel Hübner 05.08.2019, 08:30

Berlin l Am Vorabend dieses historischen Ereignisses wurde Steak mit Pommes und Pfifferlingen serviert. Dazu gab es ein kühles Getränk und ein gutes Gespräch. Es ging um das Ziel bei der deutschen Meisterschaft. Konkret benannt: um einen Doppelsieg. Armin Lemme wird seinen Schützlingen vom SC Magdeburg aufmerksam zugehört und kurz mal in der Erinnerung gekramt haben. Der 63-Jährige war selbst DDR-Meister im Diskuswerfen in den Jahren 1981 und 1982, der Einzige bislang, der in seiner Disziplin einen nationalen Titel für den SCM gewonnen hat.

37 Jahre nach seinem zweiten Coup führte er nun Martin Wierig am Sonnabend im Berliner Olympiastadion zu Gold und David Wrobel zu Silber. Einen SCM-Doppelsieg hat es noch nie gegeben. „Die Arbeit mit unserem Trainer wurde oft angezweifelt, jetzt haben wir die richtige Antwort gegeben“, sagte Wierig.

Vielleicht wurden die Zweifel in die falsche Richtung gesät, vielleicht war es oftmals der eigene Spannungsverlust, der Wierig und Wrobel abseits vom Weg zum oder beim Höhepunkt führte. Wierig war 2015 das letzte Mal in einem Endkampf bei einer Weltmeisterschaft, die Wrobel als Aktiver noch nie besucht hat.

In diesem Herbst werden nun beide zur WM nach Doha (Katar) fahren. Auch wenn sich der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) laut Nominierungsrichtlinien ein Sonderrecht bei der Athleten-Wahl unabhängig vom Ergebnis der Meisterschaften eingeräumt hat und die Nominierung noch aussteht. „Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht zur WM fahre“, sagte Wierig, der schon am Mittwoch zur Team-Europameisterschaft nach Bydgoszcz (Polen) reist. An die Möglichkeit einer Nichtberücksichtigung denkt Wrobel gar nicht: „Jetzt kann die WM erst recht kommen“, betonte der 28-Jährige.

Beide haben ja die Norm (65,00) schon mehrfach erfüllt. Und beide führten im Berliner Olympiastadion vor 26 200 Zuschauern einen Zweikampf. Olympiasieger Christoph Harting schoss sich bereits im Vorkampf mit drei ungültigen Versuchen aus dem Wettbewerb. Symbolisch für seine Saison: Im zweiten Wurf fiel er selbst über den Ring. Daniel Jasinski, Bronzegewinner von Rio 2016, zeigte bei zwei ungültigen Versuchen, dass er die 65,00 Meter erreichen kann, blieb aber mit 61,99 Metern letztlich weit hinter den Magdeburgern.

Wrobel hatte mit 63,87 Metern gleich mit dem ersten Wurf eine medaillenträchtige Marke erreicht. „Darauf wollte ich eigentlich aufbauen, aber ich habe übersteuert und kaum noch einen Wurf mit der Hüfte erwischt“, berichtete er. Wierig legte im vierten Durchgang die Siegerweite vor: 65,39 Meter – und ballte erstmals die Siegerfaust. Die letzte Runde wurde für den Zwei-Meter-Riesen nur noch ein Schaulaufen, vor der Familie, vor den Freunden, vor dem Trainer. „Alles Menschen, die auch in den schwierigen Zeiten immer hinter mir gestanden haben“, sagte Wierig. „Deshalb freue ich mich umso mehr, dass sie mit mir den Erfolg genießen konnten.“

Seinen persönlichen Erfolg genoss bei der Siegerehrung auf dem Podest unterhalb des Marathontores auch der Ex-Magdeburger Torben Brandt, der mit 62,59 Metern eine persönliche Bestmarke aufstellte und seine erste Bronzemedaille gewann.

Die schwierigen Zeiten sind nun für die SCM-Werfer vorbei: Für Wrobel, der am 7. September seine Eileen siebeneinhalb Monate nach der standesamtlichen Hochzeit auch festlich zum Traualtar führt, sowieso: „Natürlich ist die Medaille für mich eine Genugtuung“, sagte er. „Ich habe so viele Rückschläge in meiner Karriere kassiert, aber ich habe immer weitergemacht und wurde endlich belohnt.“ Und für Wierig, der nach bislang sechs Vizetiteln bei seinem nunmehr 13. Anlauf endlich deutscher Meister ist und dessen zum 31. Dezember auslaufender Vertrag beim SCM mit dem gelösten WM-Ticket verlängert wird.

Darauf haben Wierig, Wrobel, Lemme und auch Henrik Janssen, der mit 56,72 Metern Neunter geworden war, am Samstagabend angestoßen. Im Hotel Aster, das Lemme womöglich aufgrund seines weitreichend nostalgischen Charmes ausgesucht hatte. Aber ein bisschen Nostalgie war ja durchaus erlaubt an diesem Tag, an dem Lemme einen würdigen Nachfolger gefunden hat.