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Schwimmen Wellbrock sehnt sich nach Wettkämpfen

Florian Wellbrock, Schwimmer vom SCM, muss die nächsten Schritte in die Normalität abwarten. Dabei hilft ihm auch ein Vierbeiner.

Von Daniel Hübner 30.06.2020, 01:01

Magdeburg l Florian Wellbrock ist auf den Hund gekommen. Oder vielmehr: „Ich habe mich breitschlagen lassen“, erklärt er lächelnd. Weil seine Lebensgefährtin Sarah Köhler sich einen Kindheitstraum erfüllen wollte, weil nach und nach Wettbewerbe national und international und inklusive der Olympischen Spiele abgesagt wurden, ist der lang gehegte Wunsch der 26-Jährigen mit einem Anruf beim und einer Fahrt zum Züchter in Erfüllung gegangen. Kojak heißt das neue Familienmitglied. Eine Französische Bulldogge. Und voller Stolz zeigt Wellbrock ein Bild, auf dem der kleine, braune Vierbeiner vor dem Panorama der Elbe zu sehen ist. Und er fragt: „Ist er nicht süß?“

So süß, dass er ein bisschen das Leben des Schwimmers vom SC Magdeburg verändert hat. „Ich bin von der Spielekonsole weggekommen“, sagt Wellbrock zum Beispiel. „Ich lerne vollkommen andere, vor allem ländliche Gegenden in der Umgebung von Magdeburg kennen, die ich vorher nie gesehen habe.“ Und nicht zuletzt: „Ich verbringe deutlich mehr Zeit mit Sarah und dem Hund.“ Wird Florian Wellbrock etwa erwachsen? Er lacht: „Das könnte man tatsächlich meinen, aber ich gehe ja auch schon auf die 23 zu.“

Wenn die Corona-Krise auch für den Schützling von Trainer Bernd Berkhahn etwas Gutes hat, dann dies: mehr Leben außerhalb des Beckens. Obwohl er dieses auch in den vergangenen Monaten nie verlassen hat. Mit einer Sondergenehmigung des Landesverwaltungsamtes durfte Wellbrock als Olympiakader in der Elbehalle weiter trainieren. Im Gegensatz zu der internationalen Konkurrenz.

Außerhalb des Medaillenkampfes hat sich längst eine familiäre Atmosphäre entwickelt unter den Langstrecklern wie Wellbrock, dem Italiener Gregorio Platrinieri, dem Ukrainer Michal Romantschuk, dem Norweger Henrik Christiansen. „Natürlich sind wir alle Einzelsportler. Aber dieses positive Miteinander ist eine Seite am Sport, die ich sehr schätze. Und gerade zu Beginn der Corona-Krise haben wir uns oft ausgetauscht“, sagt Doppelweltmeister Wellbrock.

Christiansen, der WM-Zweite des vergangenen Jahres über 800 Meter Freistil, hatte sogar eine Anfrage gestellt, beim SCM trainieren zu können. Das ging nicht, also richtete sich der 23-Jährige einen Kraftraum im Elternhaus ein. Romantschuk lief lange Zeit nur durch den Wald aus Mangel an Beckentraining. Gemeinsam übrigens mit seiner Ehefrau Maryna Bech-Romantschuk, Vizeweltmeisterin im Weitsprung. Und bei Paltrinieri war es ein Auf und Ab zwischen aktiven Einheiten im Wasser und langen Pausen an Land.

Wellbrock selbst hat indes zuletzt seinen ersten Testwettbewerb in der heimischen Halle bestritten. Und er war mit sich und seinen Leistungen zufrieden. 15:12,42 Minuten war er über 1500 Meter geschwommen. „Ich war aber längst nicht am Limit. Bei realen Wettkampfbedingungen mit internationaler Konkurrenz wäre eine Zeit um 14:55 Minuten möglich gewesen“, ist sich der 22-Jährige sicher.

Diese Sehnsucht nach dem internationalen Vergleich holt ihn öfter ein. „Ich kann mich natürlich jeden Tag mit meinen Jungs in der Trainingsgruppe messen, aber auf Dauer wird es ein bisschen langweilig. Da wünscht man sich schon einen Romantschuk und einen Paltrinieri an seiner Seite. Aber jetzt muss man vernünftig und geduldig bleiben.“ Geduldig bleiben, bis alle wieder in die Normalität zurückkraulen können. Zumindest ist der Weltcup in Berlin im Herbst noch nicht abgesagt. Und zumindest sucht der Deutsche Schwimmverband (DSV) noch nach einem Termin für die nationalen Titelkämpfe.

Die Verschiebung der Sommerspiele ins Jahr 2021 hat Wellbrock indes mit gemischten Gefühlen erlebt. „Jeder Sportler, der in meiner Position ist, der im Finale um eine Medaille mitgeschwommen wäre, hat ein bisschen über die Verlegung geweint“, ist sich Wellbrock sicher. „Trotzdem war es die definitiv richtige Entscheidung, weil man viel zu wenig über das Virus weiß. Weil es noch keinen Impfstoff gegen Corona gibt. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man solch ein großes Event unter den aktuellen Einschränkungen logistisch umsetzen sollte.“

So bleibt ihm nur: „Den Fokus behalten, im Training bleiben. Und im nächsten Jahr die Leistung zeigen, die ich 2019 gezeigt habe und die ich in diesem Jahr gezeigt hätte“, betont Wellbrock. Denn als Weltmeister über die 1500 Meter und über die zehn Kilometer im Freiwasser gehört er auch bei den Spielen in Tokio zu den Topfavoriten auf Gold. Olympiagold ist sein Karriereprojekt. Nicht nur in Tokio. Auch in Paris 2024 und womöglich in Los Angeles 2028.

Ein anderes Projekt hat Florian Wellbrock indes eingestellt: den mühevollen Versuch, eine Avocado zu züchten. „Ich habe es nie geschafft, dass aus dem Keim auch eine grüne Pflanze wurde“, erklärt er. Nach drei Anläufen hat er aufgegeben. Da kam Kojak eigentlich zur richtigen Zeit. Wellbrock sagt lächelnd: „Im Gegensatz zu einer Pflanze meldet ein Hund seine Bedürfnisse an. Man muss nur raten, was er gerade braucht. Aber mit ihm bin ich definitiv besser bedient.“