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"Branche in Schock" Unabhängige Verlage suchen Wege aus der Krise

Es ist eines des beherrschenden Themen der Buchmesse. Die Insolvenz des Buchgroßhändlers KNV beschäftigt die Branche. Kleine Verlage sind hart getroffen. Doch es gibt Zuversicht.

Von Birgit Zimmermann, Franziska Höhnl und Gerd Roth, dpa 22.03.2019, 15:48
Auf der Leipziger Buchmesse. Foto: Hendrik Schmidt
Auf der Leipziger Buchmesse. Foto: Hendrik Schmidt dpa-Zentralbild

Leipzig (dpa) - Die unabhängigen Verlage suchen nach der Insolvenz des Buchgroßhändlers KNV Wege aus der Krise. Vor allem die kleinen Unternehmen säßen auf einem Berg offener Rechnungen, sagte Sebastian Wolter, Geschäftsführer des sächsischen Verlages Voland & Quist, am Freitag während der Leipziger Buchmesse. In seinem Haus seien zwölf Prozent des Jahresumsatzes 2018 dahin, bei anderen Kollegen seien es bis zu 20 Prozent.

Die Verlage nutzen die Buchmesse, um Aufmerksamkeit für ihre Situation zu schaffen. Andreas Illmann, Gründer des Berliner Schaltzeitverlages, hat die Aktion #Wirmüssenjetztstrampeln ins Leben gerufen. Damit will er über soziale Medien auf die Umsatzeinbußen hinweisen - und letztlich den Buchverkauf ankurbeln. Über die Messe hinaus überlegen sie, welche Konsequenzen sie aus dem Debakel ziehen.

KNV hatte im Februar Insolvenz angemeldet. Unter anderem sollen "Anlaufschwierigkeiten" in dem 2014 neu eröffneten Logistikzentrum in Erfurt (Thüringen) die Schieflage der Stuttgarter ausgelöst haben. Das Unternehmen fungiert als Zwischenhändler zwischen Verlagen und Buchläden. Es hatte rund 570.000 Titel in seinen Lagern, mit denen mehr als 5000 Buchhandlungen beliefert wurden.

Für die Verlage sei die Krise aus heiterem Himmel gekommen. "Es konnte keiner ahnen, dass der Marktführer Insolvenz anmeldet", sagte Wolter. KNV wickelte 50 Prozent des sogenannten Barsortiments ab. Libri und Umbreit sind zwei weitere Zwischenhändler.

Alle beschäftigt nun die Frage, wie es weitergeht. Optimismus sei angesagt, meinte Wolter: "Wir können nur hoffen, dass 2019 ein gutes Jahr wird." Vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und auch vom Insolvenzverwalter kamen zuletzt Einschätzungen, dass der Betrieb langfristig weitergehen werde.

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, sieht "die gesamte Branche in Schock versetzt". Es gebe kaum ein Unternehmen, das nicht mit KNV zu tun habe. "Die Insolvenz von KNV trifft das Herz der Branche." In der unsicheren Lage habe ihn aber die große Solidarität beeindruckt. "Viele Buchhandlungen und Verlage haben sich solidarisch mit KNV gezeigt. Andere Zwischenbuchhändler sind in die Bresche gesprungen", stellte Riethmüller während der Buchmesse fest.

Auch am KNV-Stand herrschte Zuversicht. "Die Stimmung ist sehr gut, auch bei den Kunden", sagte KNV-Vertriebsleiter Jürgen Klapper der dpa. "Die Solidarität bestätigt sich auch auf der Messe und die Kunden finden es toll, dass wir da sind." Auf der Messe gehe es um neue Formate, mit denen sich Buchhandlungen für ihre Kunden attraktiver machen könnten. Kleinere Verleger kämen auch "mit völlig nachvollziehbarer und verständlicher Frustration". Dabei gehe es um die Zukunft. "Viele Kunden können sich einen Buchhandel ohne KNV kaum vorstellen." Die gesamte Verflechtung mit dem Markt sei sehr groß.

Die Kulturminister der Länder wollen in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein kleine Buchverlage mehr unterstützen. "Die unabhängigen Verlage tragen wesentlich zur literarischen Vielfalt in Deutschland bei", sagte der Vorsitzende der neuen Kulturministerkonferenz, der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD), nach einem Treffen am Freitag mit dem Börsenverein in Leipzig. "Sie sind nicht nur wirtschaftliche Unternehmen, sondern produzieren auch kulturelle Werte." Nun sollen gemeinsam Vorschläge zur Stärkung der Verlage und der Literaturproduktion entwickelt werden.

Aus Sicht des Börsenvereins geht es dabei nur um kleine und mittlere Verlage. Insgesamt gehe es der Branche gut, es gebe keine Krise, sagte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis der dpa nach dem Treffen. Nun müsse geschaut werden, in welche Richtung es gehen könne. Denkbar sei etwa eine Förderung von Verlagen auf Basis ihrer Programme.

Brosda verwies darauf, dass dies von Seiten der Branche wohl nicht mehr als Hürde gesehen werde. "Wir können jetzt gemeinsam über solche Modelle nachdenken", sagte Brosda der dpa. Zudem könne geschaut werden, wo Marktbedingungen verbessert werden könnten.

Verleger Wolter sagte, das Problem seien lange Zahlungsziele für das Begleichen von Rechnungen gewesen. Die Verlage hätten Bücher an KNV geliefert, die aber ab Ende des Jahres nicht mehr bezahlt worden seien. Damit sei das wichtige Weihnachtsgeschäft getroffen worden. Voland & Quist bringt pro Jahr 15 bis 20 Titel heraus und verlegt unter anderem die Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer. Hoffnungen, die ausgefallenen Umsätze aus der Insolvenzmasse zu bekommen, haben die Verlage nicht. Höchstens drei bis fünf Prozent seien zu erwarten.

Die Verleger sehen kaum Alternativen zu den Zwischenhändlern. An die 80 Prozent der Bücher seien über die Unternehmen abgesetzt worden, heißt es von Voland & Quist und Schaltzeit. "Ich könnte sagen, ich beliefere KNV nicht mehr. Aber damit schneidet man sich ins eigene Fleisch", sagte Illmann.

Zur Halbzeit verzeichnete die Buchmesse ein Besucherplus. An den ersten beiden Messetagen seien zusammen mit Festival "Leipzig liest" 82 000 Besucher gezählt worden, teilten die Veranstalter mit. Das seien 1000 mehr als im Vorjahr.

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