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Höchste TerrorstufeDrei Tote in Nizza bei Messerangriff in Kirche

Frankreich hat sich noch nicht von dem Schock über den Mord am Lehrer Samuel Paty erholt - da schlägt schon wieder ein Angreifer auf brutale Weise zu. Drei Menschen verlieren in Südfrankreich ihr Leben. Präsident Macron findet deutliche Worte.

29.10.2020, 21:45

Paris (dpa) - Schon wieder Grauen und Entsetzen in Frankreich: Bei einer brutalen Messerattacke in einer Kirche in der südfranzösischen Metropole Nizza sind drei Menschen getötet worden.

Der mutmaßliche Täter, der aus Tunesien stammen soll, wurde von Polizisten schwer verletzt und festgenommen. Frankreich rief die höchste Terrorwarnstufe aus, Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "islamistischen Terroranschlag". Frankreich sei angegriffen worden, sagte er in Nizza. Es ist die dritte Attacke in Frankreich innerhalb weniger Wochen. Die Tat löste international Bestürzung und Anteilnahme aus.

Der Angriff ereignete sich gegen 9.00 Uhr in der Kirche Notre-Dame mitten in der Einkaufsstraße von Nizza. Der mutmaßliche Attentäter habe "Allahu akbar" ("Gott ist groß" auf Arabisch) gerufen, berichtete Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard. Einer 60-jährigen Frau sei tief die Kehle durchgeschnitten worden, Ricard sprach von einer Art Enthauptung. Auch der getötete 55-jährige Küster wurde schwer an der Kehle verletzt. Ein drittes, schwer verletztes Opfer sei noch geflüchtet. Die 44-Jährige sei dann außerhalb der Kirche ihren Verletzungen erlegen.

Die Einsatzkräfte hätten einen Koran und Telefone am Tatort gefunden. Außerdem habe man in der Nähe des Angreifers die Mordwaffe, ein rund 17 Zentimeter langes Messer, entdeckt. Der Angreifer habe ein Dokument des Italienischen Roten Kreuzes bei sich getragen, das auf einen 1999 geborenen tunesischen Staatsbürger ausgestellt gewesen sei. Er sei im September über die italienische Insel Lampedusa eingereist, so Ricard weiter. Am 9. Oktober sei er dann im süditalienischen Bari gewesen. Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Vorhaben.

Premierminister Jean Castex sprach von einer "niederträchtigen" und "barbarischen" Attacke und kündigte eine entschlossene Antwort der Regierung an. Es sei die Stufe "Urgence Attentat" des Anti-Terror-Alarmplans "Vigipirate" ausgerufen worden, sagte er in der Pariser Nationalversammlung. Diese Warnstufe ermöglicht die außergewöhnliche Mobilisierung von Ressourcen im Kampf gegen den Terror.

Macron kündigte einen verstärkten Schutz von Kirchen und Schulen an. Der schon länger laufende inländische Anti-Terror-Einsatz "Sentinelle" des Militärs werde von bisher 3000 auf nun 7000 Soldaten aufgestockt. "Heute steht die ganze Nation hinter unseren katholischen Mitbürgern", sagte Macron in der Nähe des Tatorts. Man dürfe nicht dem Geist der Spaltung nachgeben.

Der 42-Jährige war am Nachmittag in die südfranzösische Metropole gereist und tauschte sich dort unter anderem mit Sicherkräften aus. In zahlreichen Kirchen im Land läuteten nach der brutalen Attacke am Nachmittag um Punkt 15.00 Uhr die Glocken.

Erst vor zwei Wochen hatte die brutale Ermordung des Lehrers Samuel Paty im ganzen Land riesiges Entsetzen ausgelöst. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Patys Leiche war enthauptet aufgefunden worden.

Ende September hatte ein junger Mann vor den ehemaligen Redaktionsräumen des Satireblatts "Charlie Hebdo" zwei Menschen mit einem Messer verletzt. Das Magazin hatte zu Beginn des Prozesses rund um die brutale Terrorserie 2015, bei der auch zahlreiche Zeichner des Blattes ermordet wurden, erneut Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Auch hier gab der Angreifer die Karikaturen als Motiv an.

In Frankreich kam es am Donnerstag noch zu weiteren Vorfällen, ein Zusammenhang zur Attacke in Nizza konnte aber zunächst nicht bestätigt werden. Die Polizei tötete im südfranzösischen Avignon einen mutmaßlichen Angreifer, der Passanten mit einer Waffe bedroht haben soll. Es gab Polizeikreisen zufolge vorerst keine Hinweise auf einen Terrorhintergrund. AFP berichtete, dass der Mann psychische Probleme gehabt haben solle. In Lyon wurde ein mit einem Messer bewaffneter Mann festgenommen. Niemand wurde verletzt, der Mann sei Sicherheitskreisen bekannt gewesen.

Am französischen Konsulat in Dschidda in Saudi-Arabien wurde außerdem ein Sicherheitsbeamter angegriffen und leicht verletzt. Der Täter wurde festgenommen. Die genauen Hintergründe der Tat blieben zunächst unklar. Die französische Botschaft in Riad sprach in einer Mitteilung von einer "Messerattacke". Franzosen in Saudi-Arabien wurden zugleich zu "höchster Wachsamkeit" aufgerufen.

Weltweit war die Anteilnahme nach der mörderischen Attacke groß. Saudi-Arabien verurteilte den Angriff der staatlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge mit klaren Worten. "Solche extremistischen Taten stehen im Widerspruch zu allen Religionen und allem menschlichen Glauben", teilte das Außenministerium demnach mit. Zugleich sei wichtig, solche "Verhaltensweisen" abzulehnen, die zu Hass, Gewalt und Extremismus führen, teilte das Ministerium mit, ohne konkreter zu werden.

Die Spitzen der EU-Institutionen sicherten Frankreich ihre Solidarität zu. Ganz Europa sei solidarisch mit dem Land, schrieb etwa EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin brachte sein "tiefes Mitgefühl" zum Ausdruck. Papst Franziskus bekundete seine Nähe und sein Mitgefühl mit den Trauernden. UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Attacke "abscheulich". US-Präsident Trump schrieb auf Twitter, die USA stünden Frankreich "in diesem Kampf" zur Seite. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Tat als einen "Akt abscheulicher Gewalt" und betonte: "Der Gewalt und den islamistischen Motiven, die offenbar hinter ihr stehen, müssen wir mit aller Entschiedenheit entgegentreten."

Nizza wurde bereits 2016 von einem Terroranschlag erschüttert, dabei starben 86 Menschen. Frankreich wird seit Jahren von einer islamistischen Terrorwelle heimgesucht.

© dpa-infocom, dpa:201029-99-127159/22

Eric Gaillard
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Pool Reuters/AP
Eric Gaillard
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Valery Hache
Valery Hache
AFP