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Fragen und Antworten Pleiten, Pech, Pannen: Wie sicher ist man im Regierungsjet?

Schrottflieger, Pechvogel, Pannenflieger: An spöttischen Bezeichnungen für die deutschen Regierungsflieger mangelt es nicht. Im In- und Ausland kratzen sie am Image der High-Tech-Nation Deutschland. Doch stimmt dieses negative Bild?

Von Ralf E. Krüger und Carsten Hoffmann, dpa 30.11.2018, 13:05

Berlin/Hannover (dpa) - Peinlicher Zwischenfall unter den Augen der Weltöffentlichkeit: Auf dem Weg zum G20-Gipfel in Argentinien muss Kanzlerin Angela Merkels Regierungsflieger knapp eine Stunde nach dem Start umkehren und in Köln-Bonn wieder landen.

Der vierstrahlige A340-300 "Konrad Adenauer" mit der Kennung 16+01 muss zurückfliegen, weil zwei Funksysteme ausgefallen sind. Der Pilot kann auch kein Kerosin mehr ablassen und muss mit erheblichem Gewicht laden. War es ein gefährlicher Notfall - oder eine Sicherheitslandung? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was passiert im Falle eines Funkausfalls an Bord?

Stellt die Cockpit-Besatzung einen Funkausfall fest, gibt der Pilot an seinem Transponder einen vierstelligen Notfall-Code ("Squawk") ein. Der ist international festgelegt, jeder Pilot lernt ihn während der Ausbildung und übt solche Lagen. Der Transponder - ein automatischer Signalgeber - sendet den Notfall-Code dann an den Fluglotsen, der auf seinem Radarschirm sofort alarmiert wird und sieht, welcher Flieger mit welchem Problem wo unterwegs ist, wo er herkommt, wo er hin will, wie sein Rufzeichen heißt. Auf dem Radar kann der Lotse den Flug verfolgen und ihm Priorität einräumen vor anderen Fliegern, die er per Funk zum Ausweichen auffordern kann.

Ist es wirklich so problematisch, ohne Funk weiterzufliegen?

Jein. Ein echter Notfall liegt deswegen noch nicht vor: Ein Flugzeug kann auch ohne Funk von einem Punkt zum anderen fliegen. Bei einer mehrstündigen Ozean-Überquerung drohen jedoch Unwägbarkeiten durch das Wetter, die einen Funkverkehr - etwa bei Ausweichmanövern wegen Gewitterwolken - ratsam machen. Denn es befinden sich ja auch noch andere Flugzeuge auf den Routen, vor allem in dicht beflogenen Lufträumen, wie das Verteidigungsministerium erklärt. Die Cockpit-Besatzung der "Konrad Adenauer" habe mit ihrer Umkehr verantwortungsbewusst gehandelt.

Wie riskant ist eine Landung mit vollen Tanks?

Der Regierungsflieger hob in den kühlen Abendstunden mit vollen Treibstofftanks zu seinem Langstreckenflug über den Atlantik ab. Für die maximale Flugzeugbeladung hat der Hersteller dabei konkrete Grenzen vorgegeben. Sie sind höher als die maximal zulässigen Grenzwerte für eine Landung. Deswegen kreisen Flugzeuge, deren Piloten kurz nach dem Start einen Notfall erklären, über möglichst unbewohntem Gebiet und lassen Treibstoff ab. Sie reduzieren so das Flugzeuggewicht für die Landung. Ist die Maschine wegen der vollen Tanks bei der Landung zu schwer, könnte im Extremfall das Fahrwerk der Belastung nicht mehr standhalten. Bei Merkels Regierungsflieger funktionierte das Kerosin-Ablassen aus technischen Gründen nicht. Somit gehörte die Landung zu den riskantesten Momenten des Fluges.

Sogar über Sabotage wurde anfangs spekuliert. Was ist der Grund für den Defekt?

Ebenso wie ein Auto in der heimischen Garage ist auch ein teurer Regierungsjet nicht gefeit vor Ausfällen. Sogar ein Nagetier hat schon an den Kabeln der Maschine geknabbert. In diesem Fall ist nach Darstellung der Luftwaffe ganz klar, dass es sich um einen technischen Defekt handelt. Dieser sei bei den Maschinen der Flugbereitschaft erstmals aufgetreten, in der Zivilluftfahrt aber möglicherweise bereits vorgekommen. Die Tatsache, dass deutsche Regierungsjets anders etwa als die Air Force One des US-Präsidenten Gebrauchtmaschinen sind, hat demnach kaum Bedeutung. Immerhin: Auch andere Regierungschefs mussten in der Vergangenheit aus Sicherheitsbedenken den Flieger wechseln. So etwa der damalige französische Präsident François Hollande, als sein Jet unmittelbar nach dem Start zum Amtsbesuch bei Merkel vom Blitz getroffen wurde.

Wie häufig kommen solche Systemausfälle bei Flugzeugen vor?

Bei Flügen von Regierungsmitgliedern gab es in den vergangenen Monaten immer wieder schlagzeilenträchtige Zwischenfälle. Sie könnten den Verdacht nähren, dass die Regierungsjets störungsanfällig und schlecht gewartet sein könnten. Doch die Luftfahrt - sowohl zivil wie militärisch - unterliegt international festgelegten strengen Sicherheitsstandards. Die Sicherheitskultur im Luftverkehr mit ihren vorgeschriebenen Wartungsintervallen und festgelegten Verfahren übersteigt bei weitem die des Straßenverkehrs. Laut Verteidigungsministerium sind bei der Flugbereitschaft im Zeitraum von zwei Jahren etwa zwei Prozent der geplanten Flüge ausgefallen, konkret: 16 Flüge.

Gab es keine Ersatzmaschine für Merkels Flug zu diesem womöglich wichtigsten Gipfel des Jahres?

Doch, es gab eine Ersatzmaschine, die aber zunächst in Berlin stand. Zusammen mit dem Transfer nach Köln wären die zulässigen Arbeitszeiten der Besatzungen überschritten worden, erklärt das Verteidigungsministerium. Bei der Zahl der Besatzungen und der Höhe der Kosten müsse es ein "vernünftiges Maß" geben. Ein Land wie die USA habe eine viel größere Zahl an Maschinen und Ersatzmaschinen.

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