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Weil drittes Ausbildungsjahr nicht gefördert wird, zurück zu Hartz-IV-Leistungen Aus Geldmangel Ausbildung abbrechen?

Von Gudrun Oelze 16.11.2011, 04:25

Der erfolgreiche Abschluss ihrer Ausbildung ist vakant, weil die KoBa Harzkreis einer Ergotherapeutin in spe ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhaltes verweigert. Bald aber wird die Behörde der Leserin aus Halberstadt vermutlich doch Leistungen bewilligen müssen.

Und zwar dann, wenn die Frau aus Geldmangel nicht mehr die Schulbank drückt, sondern als Hartz-IV-Empfängerin wieder zu Hause sitzt. Dabei sollte es doch ganz anders kommen.

Eine berufliche Perspektive wollte sich die jetzt 40-Jährige aufbauen, als sie im Sommer 2009 eine überbetriebliche Ausbildung zur Ergotherapeutin begann. Die Notwendigkeit der beruflichen Qualifizierung hatte die Agentur für Arbeit festgestellt und der Kundin einen Bildungsgutschein ausgehändigt. Der aber war zwei Jahre gültig und ist nun abgelaufen.

Da ihr Partner die Halberstädterin zwischenzeitlich verlassen hat, braucht sie zur Sicherung des täglichen Lebens anderweitig Unterstützung. Die hatte sie - als Darlehen - bei der KoBa Harzkreis beantragt. Nach Paragraf 7 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetzt (BAföG) "dem Grunde nach" förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Und da die Ausbildung zur Ergotherapeutin laut BAföG-Stelle des Landkreises Harz "dem Grunde" nach gefördert werden könnte, ist es der KoBa egal, ob dies auch tatsächlich geschieht.

"Unerheblich ist, dass auf Grund individueller Versagungsgründe kein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG besteht." Die "individuellen Versagungsgründe" bestehen in diesem Fall darin, dass sich die Halberstädterin jung genug fühlt, sich durch Ausbildung in einem nachgefragten Beruf für die noch bevorstehenden Erwerbsjahre fit zu machen, für jegliche Ausbildungsförderung aber einfach schon zu alt ist: BAFöG, Meister-BAFöG oder auch Bildungskredit - keine dieser Möglichkeiten kommt für sie mehr in Betracht. Und die KoBa beharrt darauf, dass ein SGB-II-Träger - auch nicht in Form von Darlehen - eine versteckte Ausbildungsförderung betreiben dürfe.

Ein Härtefall muss vorliegen

"Das Sozialhilferecht soll grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen." Dass die Ausbildung nun womöglich abgebrochen werden muss, weil eine Auszubildende - mit Bestleistungen auf dem Jahreszeugnis - in der verbleibenden Zeit einfach kein Geld für Essen und Miete hat, ist für die KoBa auch kein Härtefall. Zwar könnten für Regelbedarfe, für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Darlehen erbracht werden, "sofern der Leistungsausschluss nach Paragraf 7 Abs. 5 eine besondere Härte bedeutet". Ein Härtefall sei aber nur dann anzunehmen, wenn eine bereits fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet wäre oder die angestrebte Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt wäre oder die Ausbildung wegen der Geburt und der damit verbundenen Betreuung eines Kindes ruhe.

Im Fall unserer Leserin befinde sich deren Ausbildung, so die Einschätzung der KoBa, nicht kurz vor dem Abschluss, da das dritte Jahr gerade erst begonnen habe. "Nach eingehender Prüfung ist das Vorliegen eines Härtefalles zu verneinen", teilte die Behörde mit, die auch keine Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt sieht - weil für Ergotherapeuten derzeit keine offenen Stellen vorliegen. Die einzige Hoffnung der Halberstädterin, ihre Ausbildung doch noch beenden zu können, besteht nun darin, einen potenziellen Arbeitgeber zu finden, der ihr bescheinigt, sie nach erfolgreichem Abschluss einzustellen.

Unter dieser Prämisse wäre vielleicht die Gewährung eines Darlehens durch die KoBa denkbar. Anderenfalls wird sie bald schon eine reguläre Kundin der Behörde sein, zwar nicht als staatlich anerkannte Ergotherapeutin, sondern als hilfebedürftige Arbeitsuchende, als die sie bei Abbruch der Ausbildung ohne weiteres auf Staatskosten von ALG II leben könnte.

Träger der praktischen Ausbildung gefordert

Ähnlich geht es vielen anderen Arbeitsuchenden, die sich durch berufliche Umorientierung eine Zukunft aufbauen wollen. "In drei Jahren könnte ich eine ausgebildete Erzieherin sein", schrieb eine andere Leserin aus Halberstadt. Nach vielen Jahren Arbeitslosigkeit will sie endlich aus Hartz IV herauskommen. Die Verwirklichung ihres Traumes von einer Arbeit als Erzieherin war näher gerückt, als sie den Eignungstest für die Ausbildung bei einem Bildungsträger mit guten Ergebnissen bestand. "Doch nun bricht alles mit der Finanzierung des 3. Ausbildungsjahres zusammen", schrieb die 43-Jährige, für die altersbedingt ebenfalls keine BAFöG-Förderung mehr in Frage kommt.

Ihr geht es ebenso wie einem Mann aus dem Jerichower Land, der sich ebenfalls an uns gewandt hatte, weil er für die nicht verkürzbare Ausbildung zum Erzieher keinen Bildungsgutschein bekam. Zwei Jahre würden die SGB-II-Behörden maximal fördern, aber das dritte Jahr ist in all diesen Fällen vakant.

Die Förderung bis zu zwei Dritteln einer solchen Maßnahme wäre nur möglich, wenn bereits zu Beginn die Finanzierung für die gesamte Dauer gesichert ist. "In der Regel übernimmt dann der Träger der praktischen Ausbildung neben einer Ausbildungsvergütung auch die Weiterbildungskosten für das dritte Jahr", teilte das Jobcenter Jerichower Land mit.

Außerdem habe der Praktikumsbetrieb die Kosten für den notwendigen Lebensunterhalt analog der Förderung der ersten beiden Drittel zu tragen. "Eine derartige Sicherstellung der Finanzierung des letzten Drittels muss zwingend durch den Träger vorliegen."

Mit dieser Begründung wurde im Fall des Mannes aus Genthin ein von einem Verwandten angebotenes privates Darlehen für das dritte Ausbildungsjahr nicht akzeptiert.