Selbsthilfe nach Schicksalsschlag Gemeinsam stark gegen Brustkrebs - Wie Naumburger Gynäkologe und Frauengruppe zusammenwirken
In der Naumburger Praxis des Gynäkologen Tilo Jahn trifft in der Adventszeit die einzige Frauen-Selbsthilfegruppe im Burgenlandkreis auf Patientinnen. Welche Zusatzqualifikation der Mediziner vorweist und wie die Zusammenarbeit entstanden ist.

Naumburg - Für ein, zwei Stunden steht er, der das Leben brutal auf den Kopf gestellt hat, nicht mehr im Mittelpunkt, wird er im besten Fall vergessen oder wird mit Frauen besprochen, die dasselbe Schicksal ereilt hat. Im Wartezimmer des Naumburger Gynäkologen Tilo Jahn sitzen Frauen, die die Diagnose Brustkrebs erhalten haben. In diesem Fall nicht während der Sprechstunde, sondern in gemütlicher Runde bei Kaffee und Gebäck. Es ist das Treffen der Selbsthilfegruppe Weißenfels, passend zum Dezember im Adventsflair. In der Praxis strahlen Lichterketten. Auch einige Patientinnen Jahns sind dabei.
Praktiziert seit zwei Jahren in der Grochlitzer Straße als Nachfolger von Ina Riedel
Der Frauenarzt und die Gruppe kennen sich schon seit Jahren. Denn einige Zeit war Jahn am Brustzentrum der Weißenfelser-Asklepios-Klinik unter Chefarzt Dieter Lampe tätig. Vor zwei Jahren übernahm er die Praxis von Ina Riedel in der ehemaligen Poliklinik in der Grochlitzer Straße. Sein Schwerpunkt: die onkologische Behandlung gynäkologischer Krebserkrankungen. Zudem hat er sich speziell für die medikamentöse Tumortherapie qualifiziert: Er darf Chemotherapien verabreichen. Eine seiner insgesamt drei Schwestern in der Praxis hat eine Spezialausbildung im Bereich Onkologie absolviert.
In einem Raum stehen drei Behandlungsstühle. „Im Gegensatz zu einem Krankenhaus geht es hier sehr familiär zu“, sagt Jahn. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jede Achte leidet darunter. „Es sind mehr geworden. Denn auch die Diagnostik hat sich verbessert. Befunde werden früher erstellt. Aber auch bei der Behandlung gibt es Fortschritte. Brustkrebs bedeutet kein Todesurteil mehr. In der Medizin ist da sehr viel in Bewegung, beispielsweise mit Blick auf die Immuntherapie“, erzählt der 43-jährige Mediziner.

Trotz allem ist eine Diagnose einschneidend. 2010 erhielt Katrin Maasch die Nachricht. „Ich hatte das Mammomobil für eine Mammografie besucht. Drei Tage später bekam ich einen Anruf, dass sie in der linken Brust etwas gefunden haben. Es war eine Vorstufe zum Krebs. Ich dachte, das kann alles nicht sein“, erzählt die 66-jährige Weißenfelserin, die damals noch in Oschersleben wohnte. Es folgten zwei Operationen in der Landesfrauenklinik in Magdeburg, Bestrahlung und Antihormontherapie. Zwei Jahre später schloss sie sich einer Selbsthilfegruppe an, mischte bereits damals in der Leitung mit. „Ich fühlte mich damals alleingelassen“, erzählt Katrin Maasch.
Einzige Gruppe im Burgenlandkreis - neue Initiativen erwünscht
Mittlerweile engagiert sie sich als Vorsitzende des Landesverbandes Frauenselbsthilfe Krebs, leitet die Weißenfelser Gruppe, die im Burgenlandkreis die einzige ihrer Art ist. Ihr gehören deshalb auch Frauen aus Naumburg und Umgebung an. „Das Ziel ist natürlich immer, eine neue Gruppe zu gründen, aber dafür braucht es auch Frauen, die sie leiten und die sich ehrenamtlich engagieren wollen“, sagt Katrin Maasch.
Acht Jahre besteht die Weißenfelser Gruppe als Untergruppe des Landesverbands mittlerweile schon. Kontakte bestehen zu Krankenhäusern und Ärzten. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder liegt bei 50 Jahren, die ältesten Frauen sind um die 80. Neben den monatlichen Treffen im Saal der Lutherkirche in der Gustav-Adolph-Straße, bei denen auch Wissenswertes vermittelt wird, besuchen die Frauen verschiedene Kulturveranstaltungen und nehmen an Ausflügen teil. Sommerfest und Weihnachtsfeier zählen zu den traditionellen Terminen im Kalender. Im Durchschnitt besuchen zwischen 14 und 16 Frauen die Treffen regelmäßig, der Gruppe gehören mehr als 20 an. Bereits zu einem Tag der offenen Tür im Juni waren Mitglieder in der Naumburger Praxis zu Gast. Einen Umzug von Weißenfels in die Domstadt schließt deren Leiterin allerdings aus.
Es ist nicht so schlimm wie vor zehn oder 15 Jahren, aber noch immer gibt es Frauen, die ihre Erkrankung tabuisieren.
Katrin Maasch, Leiterin der Selbsthilfegruppe
„Auffangen, informieren, begleiten“, heißt das Motto der Frauenselbsthilfe. Hier kann und darf das erzählt und anvertraut werden, wo es womöglich woanders nicht möglich ist. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Um vielleicht Familie und Umkreis nicht zu belasten, aus dem Wissen, unpassende Lebensweisheiten zu erhalten, oder auch aus Scham. „Es ist nicht so schlimm wie vor zehn oder 15 Jahren, aber noch immer gibt es Frauen, die ihre Erkrankung tabuisieren. Oft auch im ländlichen Raum, wo das Taxi, das die Frau zur Chemo bringt, drei Ecken weiter wartet“, erzählt Katrin Maasch. Die Landesverbandschefin weiß aus ihrer Erfahrung auch, dass die Kommunikation zwischen Krebserkrankten und Nicht-Betroffenen nicht einfach ist. „Viele von uns bekommen Allgemeinplätze zu hören. Aber für Krebspatienten gibt es keine wirklich guten Ratschläge“, betont die Weißenfelserin.
Deshalb sei es auch so wichtig, dass in den Selbsthilfegruppen Betroffene auf Betroffene treffen. Allerdings sagt Katrin Maasch auch: „Es ist wichtig, den Frauen zu zeigen, dass das Leben weiter lebenswert ist, wenn auch mit Einschränkungen. Auch hat sich die Medizin weiter entwickelt, wird bei den Therapien auch auf die Nebenwirkungen geachtet.“
Empathie und Information wichtig bei Schicksalsschlag
Im Umgang mit betroffenen Patientinnen setzt Frauenmediziner Tilo Jahn auf Empathie und auf Informationen. „Manche Patientinnen verstehen die Diagnose beim ersten Mal noch nicht in ihrer Klarheit. Dann muss man es ihnen zwei- oder auch dreimal erzählen. Jede Frau reagiert da anders. Aufklärung ist wichtig, aufzuzeigen, wie es weitergeht, welche weiteren Schritte es gibt“, so Jahn, der 2010 sein Medizinstudium in Halle abschloss, zwei Jahre an der Uni-Klinik wirkte und mit seiner Familie nahe Weißenfels lebt.
Unter bestimmten Bedingungen dürfen auch Männer für eine Behandlung in seine Praxis. Und nicht nur im Falle einer Grippeschutz-, Tetanus- oder HPV-Impfung, die er auch Frauen gibt, die nicht bei ihm Patientinnen sind. Auch Männer können an Brustkrebs erkranken. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft bekommen in Deutschland etwa 700 Männer diese Diagnose gestellt; das macht rund ein Prozent aller Brustkrebsfälle aus. Hilfsangebote speziell für Männer gibt es kaum.