Gemeinschaft Silent Book Club Halle: Der Club der stillen Leseratten
In Ruhe ein Buch lesen, dabei aber trotzdem nicht allein zu sein, das ist die Idee hinter dem Silent Book Club. Am Wochenende fand das erste Treffen in Halle statt.

Halle (Saale)/MZ - Insgesamt 20 Teilnehmer – überwiegend Frauen – waren für das Treffen angemeldet, einige mehr wären gern gekommen, doch es war kein Platz mehr. Am Samstag kamen sie an einer großen Tafel im Café Avecio, nahe dem Eselsbrunnen, zusammen. Alle hatten ein Buch dabei, manche auch ein E-Book. Statt sich der Reihe nach einander vorzustellen, sagten die Teilnehmer kurz, welches Buch sie mitgebracht haben. Dann wurde es auch schon ganz still am Tisch.
Eine Sanduhr, die genau eine Stunde braucht, bis sie durchläuft, wurde umgedreht, und es begann, weshalb die Teilnehmer gekommen waren. Alle lasen still in ihrem jeweiligen Buch. Jeder für sich. Und doch in Gemeinschaft. Zwei Stunden lang.
Es war das erste Treffen des Silent Book Clubs Halle – des stillen Buchclubs. Initiatorinnen sind die beiden Studentinnen Tabea und Lea, 23 und 24 Jahre alt. „Unser Club“, erklären sie im Gespräch mit der MZ, „richtet sich vor allem an introvertierte Menschen, die einen geschützten Rückzugsort suchen“. Deshalb wollen sie selbst nur ihre Vornamen nennen und möchten auch nicht, dass man die Teilnehmer auf dem Foto sieht.
Club ist queer-freundlich und um Barrierefreiheit bemüht
Die beide haben sich im vergangenen Jahr bei einem Auslandssemester in China kennengelernt. Zurück in Halle sprachen sie darüber, bei einem Buchclub mitzumachen. Lea war aber wenig angetan vom klassischen Modell, wo alle dasselbe Buch lesen, über das man sich dann austauscht. Während Tabea vom Silent Book Club erfuhr. Der Trend kommt aus den USA, doch auch in Leipzig gab es schon einen solchen Leseclub. Warum also keinen eigenen in Halle gründen, dachten sie sich.
Sie stellten kurzerhand eine Website auf die Beine, auf der sich auch das Anmeldetool findet. Lea sagt: „Man kann nicht einfach hereinspazieren. Wir wollen wissen, wer kommt.“ Auch das verstehen sie unter einem geschützten Rückzugsort.
Auf ihrer Website heißt es: „Unser Buchclub richtet sich an diejenigen, die das stille Zusammensein schätzen. Bei unseren Treffen steht das Lesen im Vordergrund, ohne die Verpflichtung, sich zu unterhalten oder laut zu diskutieren.“ Die beiden Initiatorinnen heben zudem hervor, ein queer-freundlicher Club und offen für Menschen mit Behinderung zu sein.
100 Bücher im Jahr
Lea nennt Lesen ihr liebstes Hobby. Sie mag das Kopfkino, das dabei entsteht. Im Jahr lese sie rund hundert Bücher. Tabea vermutet, sie selbst komme auf noch mehr. Sie könne sich ins Lesen flüchten, es helfe ihr aber zugleich, mit der Realität umzugehen, den Alltag zu verarbeiten. „In Büchern sind Schlüssel“, sagt sie.
Gerne zu lesen, bedeutet für Tabea allerdings nicht, beim Lesen allein sein zu wollen. Lea sagt: „Es ist etwas anderes, in der Gemeinschaft zu lesen. Diese Welt, in die man eintaucht, möchte man auch teilen.“