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Bei Wiedereingliederung nach langer Krankheit steht die Rehabilitation im Vordergrund Wiedereinstieg in Beruf mit vielen Hürden

Von Gudrun Oelze 04.06.2012, 03:48

Nach langer Krankheit sollte eine Magdeburgerin durch stufenweise Wiedereingliederung fit für den Berufsalltag werden. Doch die Vorbereitung auf den erneuten Einstieg in den Job war für sie und ihren Lebensgefährten von großen finanziellen Sorgen überschattet.

Volle zwei Jahre war Sylke Stortz krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Längst aus der Krankenkasse ausgesteuert, bezog sie zuletzt Leistungen der Arbeitsagentur, als die Wiedereingliederungsmaßnahme beim Arbeitgeber - ohne Entgeltfortzahlung - begann. Statt ihre Aktivierung und berufliche Eingliederung zu fördern, wurde ihr jedoch sofort das Arbeitslosengeld I gestrichen. Damit nicht genug: Das Jobcenter, bei der ihr Lebenspartner Kunde ist, interpretierte die Mitteilung, dass Frau Stortz in Wiedereingliederung sei, so, als hätte die Bedarfsgemeinschaft nun ja wieder ein hübsches Einkommen. Zeitgleich mit Streichung des Arbeitslosengeldes I für die Frau durch die Agentur für Arbeit reduzierte das Jobcenter der Landeshauptstadt wegen des vermeintlichen Verdienstes von Sylke Stortz unverzüglich und drastisch das ALG II des Mannes. "Mit welchem Recht?", fragte das Paar, das sich wegen der immensen finanziellen Sorgen in dieser Zeit an die Redaktion Leseranwalt wandte.

"Das von Ihnen erwähnte Einkommen wird nicht angerechnet", teilte uns die SGB-II-Behörde dann aber mit und räumte ein, dass zuvor anhand der von dieser Bedarfsgemeinschaft ordnungsgemäß eingereichten Unterlagen "ein vorläufig geschätztes Einkommen angerechnet" worden war. Erst als neue Papiere bewiesen, dass Sylke Stortz in der Wiedereingliederungsphase vom Arbeitgeber tatsächlich keinen Lohn erhielt, "wurde das vorläufig geschätzte Einkommen wieder aus der Berechnung entfernt, da es erst später zufließen wird", reagierte nun das Jobcenter. Die Nachzahlung sei umgehend angewiesen und ein entsprechender Bescheid den Betroffenen zugeschickt worden.

Die Reaktion der Agentur für Arbeit auf unsere Anfrage war indes anfangs negativ. Zwar bedauerte man dort, dass man uns keine andere "als die bereits getroffene Entscheidung mitteilen" könne, denn Sylke Stortz sei während der beruflichen Wiedereingliederung nun einmal nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes "und hat damit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld".

Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass ein Arbeitnehmer nur dann als arbeitslos gilt, wenn er 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht.

Wiedereingliederung und Vermittlungsbemühungen

Nach diesen Kriterien sei Sylke Storz während ihrer Wiedereingliederungsphase nicht arbeitslos gewesen und habe in einem Beschäftigungsverhältnis und damit nicht den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestanden. "Bei der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben liegt somit eine Beschäftigung vor", so die Agentur für Arbeit in einer ersten Stellungnahme zu diesem Fall.

Den Vermittlungsbemühungen stand Sylke Stortz doch aber die ganze Zeit nicht zur Verfügung, da ihr Arbeitsverhältnis ja auch während der langen Krankheit nicht gekündigt war, gaben wir daraufhin nochmals zu bedenken. Warum wurden dann ausgerechnet für die vier Wochen, in denen sie stufenweise wieder in den Berufsalltag eingegliedert werden sollte, die Leistungen gestrichen?

Die Leserin selbst war derweil nicht untätig. Immerhin stand ihr und ihrem Lebenspartner wegen der mehr oder weniger "von Amts wegen" verursachten finanziellen Misere das Wasser in diesem Zeitraum im wahrsten Sinne des Wortes "bis zum Hals". Sylke Stortz legte Klage gegen die Entscheidung der Arbeitsagentur ein. Und dann ging alles ganz schnell.

Bei der Gewährung von Arbeitslosengeld während der Krankschreibung der Leserin sei von einem Restleistungsvermögen, mit dem sie sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hatte, ausgegangen worden, teilte uns Pressesprecher Wolfgang Lenze mit. In der Wiedereingliederungsphase hingegen habe die Agentur eine Arbeitsaufnahme von mindestens 15 Wochenstunden gesehen.

Arbeitslosengeld nachträglich bewilligt

Diese Auffassung wurde jetzt, nach nochmaliger Überprüfung des Sachverhaltes, jedoch revidiert. Auf einmal stellte auch die Arbeitsagentur fest, "dass es sich bei der Beschäftigungsaufnahme um eine unentgeltliche, stufenweise Wiedereingliederung handelte, bei der nicht die Arbeitsleistung, sondern vielmehr die Rehabilitation der Arbeitnehmerin im Vordergrund stand". Und da damit nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts "kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis" besteht, war "der Leserin bis zur tatsächlichen Arbeitsaufnahme Arbeitslosengeld weiterzuzahlen".

Nach unseren Recherchen ist das Urteil von Deutschlands obersten Sozialrichtern, laut dem Arbeitslose ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann behalten, wenn sie aufgrund eines Wiedereingliederungsplanes des behandelnden Arztes eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben absolvieren, aber nicht etwa neu, sondern bereits vom 21. März 2007 (Aktenzeichen B 11 a 31/06). Offenbar wurde man in der Magdeburger Behörde aber erst nachdem sich die Betroffene selbst an ein Gericht wandte, darauf aufmerksam.

Im Fall von Sylke Stortz wurde das ihr während der Wiedereingliederung zustehende Arbeitslosengeld nun nachträglich bewilligt. Im Zuge der Maßnahme an ihrem Arbeitsplatz stellte sich jedoch heraus, dass sie den früheren Job wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht auf Dauer ausüben kann.

Derzeit absolviert sie daher eine Umschulung, um künftig an einem anderen Platz in der Firma einsetzbar zu sein. Kostenträger ist dieses Mal die Rentenversicherung, von der sie für die Dauer der Umschulung Übergangsgeld erhält.