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Fußball FCM-Kultkeeper Tischer lüftet Geheimnis

Der Zettel aus dem Spiel des 1. FC Magdeburg gegen den Karlsruher SC (2:0) ist jetzt schon legendär. Kultkeeper Matthias Tischer klärt auf.

Von Manuel Holscher 29.05.2018, 20:55

Magdeburg l Er ist ein Stück Geschichte, die immer mit dem Aufstieg des FCM in Verbindung bleiben wird: Der Elfmeter-Zettel aus dem Spiel gegen den KSC. Auf diesem hatte Kultkeeper und der heutige Torwarttrainer Matthias Tischer die potenziellen Elfmeterschützen und die Ecke, in die sie schießen könnten, notiert. Im Topspiel kam er tatsächlich zum Einsatz und erreichte besondere Prominenz.

Für den FCM und Karlsruhe hatte die Partie am 33. Spieltag eine entscheidende Bedeutung. Der Club ging durch Philip Türpitz in Führung (69.) und stand kurz vor dem Sieg. In der 87. Minute hatte der KSC aber plötzlich die große Chance zum Ausgleich. Der Kampf um den Aufstieg wäre bei einem Unentschieden weiter offen gewesen. André Hainault hatte Florent Muslija im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Sören Storks zeigte sofort auf den Punkt.

Jetzt wurde es auf der Magdeburger Bank hektisch. „Eigentlich hat mich Jan bei einem Elfmeter immer kurz angeguckt“, sagte Tischer. „Am Tag zuvor sprechen wir zwar immer über mögliche Situationen bei einem Strafstoß. Jan vergisst das allerdings oft im Verlauf eines Spiels, deshalb guckt er mich an und signalisiert mir, dass ich die mögliche Ecke des Schützen anzeigen soll.“

Dieser Plan ging gegen Karlsruhe allerdings nicht auf, weil im Strafraum sehr viel los war. Tischer konnte deshalb zunächst nicht erkennen, welcher Karlsruher sich den Ball nehmen wollte. „Jan hat mich die ganze Zeit angeguckt und wollte von mir eine Ecke wissen. Ich hätte warten können, bis klar war, wer schießt, und hätte dann die Ecke angezeigt. Das Problem wäre gewesen, dass Jan vielleicht nicht mehr zu mir nach draußen geschaut hätte. Als ich dann Philip Türpitz an der Außenlinie stehen sah, habe ich mir einfach gedacht, dass ich ihm den Zettel gebe“, sagte er. „Ich habe den Zettel abgerissen, ihn gefaltet, bin nach hinten gesprintet und habe Philip das Papier in die Hand gedrückt.“

Der Offensivspieler sah Tischer zunächst verwundert an und fragte sich, was er mit dem Zettel anfangen soll. „Geh schnell zu Glinker“, schrie Tischer ihm zu. Dort gab es schon die nächste Hürde. „Ich hatte Probleme, den Zettel auseinanderzubekommen, weil er gefaltet war. Das war mit den Handschuhen nicht so einfach. Deshalb musste mir Philip helfen. Gemeinsam haben wir es hinbekommen“, sagte Glinker später. Problematisch sei auch die Schrift von Tischer gewesen, die der FCM-Schlussmann nur schwer entziffern konnte. „Das ist ausbaufähig, vielleicht sollte er das nächste Mal eine Schreibmaschine benutzen, dann könnte man es besser lesen“, sagte Glinker lachend.

Mit dieser Version räumte Tischer jetzt allerdings auf, zeigte auf den Zettel und sagte ganz deutlich mit einem Lächeln: „Die Namen der Schützen, deren Rückennummern und die Ecke, in die sie schießen könnten, stehen deutlich zu lesen drauf.“ Allerdings ist der Zettel mittlerweile etwas ramponiert, das Papier extrem geknittert. „Was ich machen könnte, wäre sicherlich, dass ich das nächste Mal etwas größer schreibe“, bietet Tischer einen Kompromiss an.

Dass Türpitz und Glinker überhaupt auf den Zettel schauen konnten, war auch nicht so einfach. Daniel Gordon vom KSC kam angerannt und wollte ihnen die Information aus der Hand reißen. Tischer litt draußen mit und dachte sich nur: „Hoffentlich geht das gut.“

Als Türpitz sah, dass sich Torjäger Fabian Schleusener den Ball zurechtlegte, rief der Offensivspieler Glinker entgegen, dass er in die rechte Ecke springen soll. Tischer freute sich unterdessen. „Ich war froh, dass nicht Anton Fink schoss, weil dieser schon oft und in verschiedene Ecken gezielt hatte“, sagte er. „Schleusener war für uns der Beste, weil wir bei ihm nur einen Elfmeter notiert hatten, den er vor fünf Jahren geschossen hatte. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass er gar nicht mehr daran denkt und intuitiv vielleicht wieder in die rechte Torwartecke schießt.“ Der Rest ist Teil der Legende. Schleusener schoss in die rechte Torwartecke, Glinker hielt und wurde gefeiert. In der Nachspielzeit machte Christian Beck mit dem 2:0 alles klar. Der FCM hatte einen „Big Point“ gelandet.

Für Glinker war der gehaltene Elfmeter aus mehreren Gründen speziell. Neben der sportlichen Bedeutung kam im Nachgang heraus, dass sich der Keeper schon während der Partie einen Achillessehnenanriss zugezogen hatte. Er bestritt in der Folge keine Partie mehr und wechselte zum Regionalligisten Wacker Nordhausen.

Bei der Analyse der möglichen Elfmeterschützen vor einer Partie legt Tischer Wert darauf, dass alle drei Schlussmänner immer zusammen auf die Szenen schauen. „Eine wichtige Rolle spielt unser Spielanalyst Kevin Waliczek, der in aufwendiger Arbeit sehr viele Elfmeterszenen des Gegners herausfiltert und zusammenschneidet“, so Tischer. „Ich gucke mir die Elfmeter ein paarmal an und versuche ein Handlungsmuster zu erkennen. Ich überlasse die Entscheidung aber immer dem Torhüter, der manchmal auch ein anderes Gefühl hat. Wenn unser Keeper einen Elfmeter hält, ist es immer ein schönes Gefühl, weil man sieht, dass sich der ganze Aufwand lohnt.“

Ein Torhüter, der sich geradezu in diese Szenen hineinsteigert hatte, war Leopold Zingerle, der mittlerweile beim Mit-Aufsteiger SC Paderborn spielt. „Leopold saß vor dem Laptop und hat die Elfmeter-Aufnahmen immer wieder vor- und zurückgespult. Er hatte dann ja auch eine unglaubliche Quote. Er hatte mir vor einiger Zeit mal eine Nachricht geschrieben, dass er immer noch von unserer Vorbereitung profitiert“, sagte Tischer. „Alexander Brunst und Mario Seidel merken sich zum Beispiel sofort die Ecken der möglichen Schützen. Jeder ist da anders. Jan hat immer gesagt, dass er nach draußen gucken muss, weil er sich wegen des Drucks und der Einflüsse während einer Partie die Absprachen nicht merken kann.“

Der legendäre Elfer-Zettel wird vermutlich irgendwann in einem FCM-Museum landen. „Den werde ich bestimmt bald mal abgeben. Bis dahin haben die Schützen, die draufstehen, vielleicht ihre Karriere beendet. Solange zeige ich ihn aber nicht mehr her“, betonte Tischer.

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