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Ehrenamt Motivationsschub für Freibad-Retter

Große Ehre für die 260 Mitglieder des Freibad-Fördervereins Langenstein: Beim Neujahrsempfang wurden sie „Verein des Jahres 2016“.

Von Dennis Lotzmann 25.01.2016, 00:01

Halberstadt l Die Zeit: Ein kostbares Gut, das viel zu schnell verrinnt. Deshalb sollte es nicht vergeudet werden und immer wieder Anlass sein, sich und sein eigenes Zeitverständnis kritisch und selbstkritisch zu prüfen. Anregungen, die Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) in seiner Ansprache zum Neujahrsempfang den gut 250 Gästen mit auf den Weg gab. Der OB rückte das Thema Zeit in den Fokus seiner Rede. Und Henke formulierte eine klare Botschaft: Halten Sie inne, atmen Sie durch und vergessen Sie nicht, von Zeit zu Zeit zu entspannen. Andernfalls laufen Sie Gefahr, „sich wie im Hamsterrad irreparabel zu verschließen“.

Mahnende Worte, die Carmen Giese, Vize-Chefin des Freibad-Fördervereins Langenstein, wenige Augenblicke später als Steilvorlage aufgriff. Als die völlig überraschte Vereinsvertreterin nach vorn gebeten wurde, um eine besondere Auszeichnung entgegenzunehmen: Die Würdigung als „Verein des Jahres 2016“. In ihren Dankesworten fasste sie sich kurz: „Kommen Sie doch ganz einfach zu uns nach Langenstein ins Freibad, um sich aus dem Hamsterrad zu befreien, in dem wir alle stecken.“

Dass diese Einladung in die Entspannungsoase vor den Toren der Kreisstadt so heute noch formuliert werden kann, ist Carmen Giese und all den bislang im Sommerbad-Förderverein aktiven Mitstreitern zu verdanken. Sie retteten das Freibad 2011 vor der Schließung und betreiben es seither in Vereinsregie. Dafür wurden sie nun auf Vorschlag der CDU-Stadtratsfraktion geehrt.

Die Kommunalpolitiker würdigen mit der mit 250 Euro dotierten Auszeichnung die jahrelange Ausdauer der Langensteiner. Wobei nicht nur selbige gefragt war, sondern vor allem Ideen, Kreativität und Optimismus.

Schließlich war die Stimmung im Frühjahr 2011 auf einem Tiefpunkt. Damals wurde im Dorf die Frage immer lauter, wann denn die Saisonvorbereitungen im Freibad endlich starten. Eine Frage, mit der die Volksstimme stellvertretend für die Einwohner die Verantwortlichen im Rathaus konfrontierte. Die mussten daraufhin kleinlaut einräumen, dass die Chancen für ein Saison-Startsignal längst gegen Null tendierten: Ein Riss in der Plasthaut des Beckens und Ebbe in der Stadtkasse waren praktisch unüberwindbare Hindernisse.

Die Chefs im Rathaus, die das kostspielige Freibad-Vergnügen insgeheim wohl schon zu Grabe getragen hatten, hatten die Rechnung jedoch ohne die Langensteiner gemacht. Die standen sofort auf der Matte. Sie machten dabei jedoch nicht nur die Forderung nach einer Freibad-Zukunft auf, sondern brachten Verwaltung und Stadtrat mit kreativen Vorschlägen zugleich in Zugzwang.

Vor allem Jürgen Meenken (CDU), heute Ortsbürgermeister in Langenstein, brillierte mit Ideen: Ein Förderverein müsse her, und die Langensteiner sollten selbst aktiv werden, um Hand in Hand mit der Stadt nach Wegen für „ihr“ Freibad zu suchen und dafür zu kämpfen.

Signale, die erhört wurden. Wenig später wurde der Förderverein aus der Taufe gehoben. Das wiederum war die Basis dafür, dass ein Langensteiner Unternehmen mehrere tausend Euro für die entscheidende Beckenreparatur gab. Die Saison 2011 war gerettet.

Seither haben die Vereinsmitglieder gemeinsam mit der Stadt vier weitere Jahre folgen lassen. Auf Basis einer Partnerschaft auf Augenhöhe und mit viel Solidarität: Das Freizeit- und Sportzentrum (FSZ) unterstützt die Langensteiner in technischer Hinsicht, die Einwohner wiederum managen so ziemlich alles, wofür nicht zwingend Ausbildung und Zertifikate nötig sind.

Angefangen beim Kassendienst, über Reinigungsarbeiten bis hin zur Grünflächenpflege. Obendrein helfen Fachleute in den eigenen Reihen bei kleinen Reparaturen. Und damit nicht genug: Viele Langensteiner packen in ihrem Dorf freiwillig mit an und übernehmen Arbeiten von Gemeindearbeiter Thomas Brüser. Hintergrund der freiwilligen Muskelarbeit: Brüser arbeitet im Sommer als Rettungsschwimmer im Freibad. Kurzum: Die Langensteiner haben die Ernüchterung im Frühjahr 2011 als Chance verstanden und seither eine Erfolgsgeschichte geschrieben.

Für Carmen Giese, seit einigen Jahren Vize-Chefin im Förderverein, ist die Auszeichnung eine „enorme Wertschätzung der Arbeit und ein Motivationsschub zur richtigen Zeit“. Mittlerweile hätten sich einige der Vereinsgründer der ersten Stunde zurückgezogen. Oftmals aus Altersgründen, mitunter aber auch, weil sie sich in anderen Vereinen engagieren oder weil einfach die Zeit fehlt.

„Wir brauchen ganz dringend junge Leute, die die Aufbauarbeit der ersten Jahre nun mit Kraft und Elan fortsetzen“, sagt sie. Bislang sei es fünf Mal gelungen, die Saison zu stemmen. Das sei toll, aber längst kein Garant, dass es so weitergehe. „Wenn wir unser Bad im Frühjahr aus dem Winterschlaf holen, ist es stets ein Überraschungsmoment, ob uns größere Defekte ereilen.“

Und die seien nach mittlerweile 41 Jahren nicht auszuschließen. In diesem Jahr stehe beispielsweise die Erneuerung der Filtertechnik auf dem Programm. Hinzu kämen Pflasterarbeiten, die Zaunausbesserung und womöglich noch andere unliebsame Überraschungen.

Dessen ungeachtet blicken Carmen Giese, die Vereinsmitglieder und Ortsbürgermeister Meenken, der sich über die Ehrung sehr freut, optimistisch nach vorn. Im Sommer 2015 seien gut 10 000 Besucher gezählt worden – am besten Tag sogar 770. Das zeige, dass man auf dem richtigen Weg unterwegs sei, bilanziert Carmen Giese.