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Gaffert spricht auf Informationsveranstaltung von Landesentwicklungsministerium und Stadtumbau-Kompetenzzentrum Brüsseler Debatte zu Schierker Plänen

08.06.2013, 01:18

Der von der EU geförderte Umbau Schierkes zu einem modernen Tourismusort, der ganzjährig Urlauber in den Harz locken soll, war ein Thema in Brüssel. In der EU-Vertretung des Landes ist darüber als ein Beispiel für den Stadtumbau diskutiert worden.

Von Tom Koch

Brüssel/Schierke l Eine Architektur-Professorin aus Dresden bekennt sich öffentlich zu ihrem Faible für das einstige Schierker Prachthotel "Heinrich Heine". Ihr Kollege von der niederländischen Uni in Delft sieht im Wernigeröder Tourismus-Großprojekt für den Brockenort zugleich eine große Chance für die Schierker selbst.

Und schließlich nutzt Thomas Webel als CDU-Landesentwicklungsminister die europäische Bühne, um klar und deutlich die Begründung für die Schierke-Anstrengungen zu liefern: "Dort wurde in den vergangenen 20Jahren Einiges an Entwicklung verschlafen." Die Landesregierung unterstütze Wernigerode bei dem Projekt für den Brockenort, "weil der Harz - speziell Wernigerode mit Schierke und dem Brocken - für unseren Erfolg im Tourismus in Sachsen-Anhalt von außerordentlicher Bedeutung ist", sagt Webel.

Sachsen-Anhalts EU-Landesvertretung in Brüssel war die Bühne für eine Informationsveranstaltung "Neue Perspektiven für die Stadtentwicklung" von Webels Ministerium und dem Kompetenzzentrum für Stadtumbau, das aus der Internationalen Bauausstellung im Land hervorgegangen ist.

Sowohl der Wernigeröder Peter Gaffert (parteilos) als auch sein Wittenberger Oberbürgermeister-Kollege Eckard Naumann (SPD) nutzen die Gelegenheit, dort ihre Stadtumbau-Projekte einem breiten Publikum vorzustellen. Gleichermaßen informativ wie unterhaltsam gelingt es Gaffert, den Vertretern von Regional- und Landesvertretungen, von Verbänden und Institutionen, Politikern, Journalisten und Repräsentanten des EU-Ausschusses der Regionen - insgesamt 35Frauen und Männer aus sieben Ländern - das 40-Millionen-Euro-Programm zu erläutern.

Kritische Ratsdebatten keine Wernigeröder Besonderheit

Freimütig bekennt der Rathauschef, die millionenschweren Investitionen seien selbst im wirtschaftsstarken Wernigerode kein Selbstläufer. Mehr als einmal muss die Frage beantwortet werden, ob solch ein gewaltiges Projekt außerhalb der sogenannten Kernstadt sinnvoll ist. Immer wieder, so Gaffert, müsse jeder Mosaikstein aus dem Gesamtpaket erläutert werden, gelte es, dafür Mehrheiten im politischen Raum zu finden.

Allerdings, auch das zeigt die Brüsseler Präsentation, die fortwährenden kritischen Ratsdebatten sind keine Wernigeröder Eigenart, Wittenbergs Rathauschef weiß Ähnliches zu berichten. Doch schließlich kann Peter Gaffert nicht nur von der großen Unterstützung des Landes und der EU für die Schierke-Vision berichten, Wernigerodes Stadträte haben sich bislang ebenso mit großer Einmütigkeit hinter das Projekt am Brocken gestellt.

Prof. Angela Mensing-de Jong von der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft spricht sich klar dafür aus, die historischen Wurzeln des Tourismusortes zu betonen. Gelinge es, diese Authentizität auf die neuen Projekte zu übertragen, sei sie von deren Erfolg überzeugt. Die Architektin: "Schierke hat Zukunft."

Das gelte nicht nur für den Brockenort als touristische Landmarke, sondern auch für die Menschen selbst.

Diese Betonung ist Prof. Micha de Haas (Uni Delft) wichtig. "Die Ortsentwicklung eröffnet neue touristische Chancen, doch auch für die Schierker persönlich bieten sich zum Arbeiten und Wohnen, zum Leben in ihrem Ort neue Perspektiven." Allerdings, mahnt de Haas, die Betonung der intakten Natur, das Setzen auf hochwertige Angebote, auf die Zusammenarbeit in der Region seien dabei angeraten, nicht das Favorisieren von Massentourismus.

Barbara Crome, für Regionalpolitik und Stadtumbau verantwortliche Generaldirektorin bei der EU-Kommission, unterstützt das Schierke-Vorhaben. Das eröffne Chancen, dem demografischen Trend etwas Nachhaltiges entgegenzusetzen, schätzt sie ein.

Chance, dem demografischen Trend aktiv zu begegnen

Crome äußert sich zwar grundsätzlich nicht zu konkreten Inhalten von EU-geförderten Projekten - das betont sie im Volksstimme-Gespräch - und dennoch bezieht sie zu Schierke indirekt eindeutig Stellung.

Nicht die finanzielle Dimension eines Vorhabens allein sei ausschlaggebend für den Erfolg, wichtiger ist ein tragfähiges Gesamtkonzept. Es sei allerdings zu kurz gedacht, so Crome, in Zeiten knapperer Haushalte und sich ändernder Fördergeldbedingungen das Budget für bestimmte Vorhaben zusammenzustreichen, einfach eine Nummer kleiner ausfallen zu lassen. Das habe stets unmittelbare Folgen für das ursprüngliche Projekt, gibt die Brüsseler Expertin zu bedenken.

Jo Schulz, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums, warnte in der Debatte launig: "Es gibt wohl nichts Lähmenderes als eine fertige Stadt." Diese Gefahr besteht derzeit in Schierke eher nicht. Auch dank der Europäischen Union, die mit Geldern aus dem Fonds für Regionalentwicklung die Harzer Pläne kräftig unterstützt.