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Seit Gründung der Weimarer Republik rauscht es gehörig im Magdeburger Blätterwald Goldene 20er Jahre: Das Zeitungswesen blüht auf

Von Andreas Stein 20.08.2010, 07:30

Mit dem Ende des Kaiserreiches und der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 ändern sich auch für die Zeitungsverlage die Zeiten. Die SPD-eigene Volksstimme fand sich plötzlich als Regierungsorgan wieder und wurde sogleich in einen Bruderkrieg verstrickt, als die radikal-linken Anhänger von KPD und USPD sogar Zustellerautos der Volksstimme überfielen. Das in Magdeburg stationierte Rheinische Artillerieregiment musste schützend eingreifen, es gab einen Toten und viele Verletzte unter den Angreifern.

Die Krisenjahre mit Kriegsnachwirkungen, politischen Kämpfen und Hyperinflation überstanden die Zeitungsverlage in Magdeburg glimpflich, um ab 1924 so richtig durchzustarten. Fernsehen gab es nicht, das Radio steckte in den Kinderschuhen – die Zeitungen waren das Massenmedium der Weimarer Republik. Bis Anfang der 1930er Jahre entstanden in Deutschland 4703 Tages- und Wochenzeitungen mit einer Gesamtauflage von 25 Millionen.

Lokale Klein- und Kleinstzeitungen mit wenigen tausend Exemplaren waren ebenso am Markt zu finden wie das Hugenberg‘sche Zeitungsimperium. Anders als heutzutage hatten sich viele Zeitungen explizit einer politischen Richtung verschrieben, Meinungsartikel und Berichte waren noch nicht streng getrennt.

Auch in Magdeburg fand sich von der kommunistischen Tribüne über die sozialdemokratische Volksstimme, die liberalkonservative Magdeburgische Zeitung des Faber-Verlages bis zur rechtskonservativen Magdeburger Tageszeitung das gesamte politische Spektrum. Am liebsten lasen die Magdeburger jedoch den bei Fabers erscheinenden unpolitischen General-Anzeiger, der wohl der heutigen "Bild"-Zeitung am nächsten kommt. Lokalnachrichten, Buntes, Rätsel, Fortsetzungsroman – Arbeitern, Angestellten und Pensionären war der "GA" das liebste Mittel zur Zerstreuung.

Die Volksstimme expandiert ins Umland

So wie es mit Ende des Kaiserreiches auch viel mehr Möglichkeiten für politisches Engagement gab, waren auch immer mehr Zeitungsleser politisch interessiert. Viele Arbeiter fanden sich in der Volksstimme wieder, deren Auflage bis 1929 auf beachtliche 42 000 Exemplare stieg (Vergleichszahlen siehe Infokasten).

Der Verlag, der mittlerweile 209 Mitarbeiter beschäftigte, kaufte das Nachbargrundstück in der Gr. Münzstraße dazu, investierte in eine weitere Druckmaschine und installierte eine Radioanlage in der Redaktion. Seit Oktober 1923 lief mit der Funkstunde Berlin nämlich die erste deutsche Radiosendung.

Außerdem expandierte die Volksstimme ins Umland – in Aschersleben, Calbe/Saale, in der Altmark und im Magdeburger Umland erschien nun ebenfalls eine Volksstimme-Ausgabe.

Auch der Faber-Verlag als Platzhirsch investierte kräftig. Die Entscheidung des 1924 verstorbenen Dr. Robert Faber, den General-Anzeiger zu kaufen und mit dem hauseigenen Central-Anzeiger zu verschmelzen, erwies sich als goldrichtig. Mit der von Geschäftsleuten und Beamten geschätzten Magdeburgischen Zeitung und dem Sport-Telegramm bedienten die Faber-Söhne eher ein Nischenpublikum. Bis 1929 belieferte der Verlag 64 Prozent aller Haushalte in Magdeburg mit Zeitungen, fast 70 Prozent aller geschalteten Anzeigen liefen in seinen Blättern. Im ganzen Umland gründete der Faber-Verlag 33 Filialen.

Grundlage für den Erfolg der Magdeburger Zeitungsverlage war nicht zuletzt der Aufschwung der 20er Jahre. Viele alteingesessene Betriebe stellten erfolgreich wieder auf die Vorkriegsproduktion um. Im Rahmen des "Projektes Mittel(deutsch)land" und des geplanten Baus des Mittellandkanals siedelten sich auch neue Unternehmen an. Magdeburg konnte sich außerdem als Ausstellungs- und Kongresszentr-um etablieren und holte z.B. 1927 die Deutsche Theaterausstellung in die Stadt. Dafür wurden die Stadthalle und der Aussichtsturm gebaut.

Volksstimme-Hochhaus wird 1929 gebaut

Mit den guten Wirtschaftszahlen im Rücken investierte der Faber-Verlag 482 500 Reichsmark in nagelneue Druckmaschinen. Weil die Räumlichkeiten in der Bahnhofstraße 17 längst wieder zu eng waren, entschloss man sich zum Bau eines modernen zwölfstöckigen Hochhauses zum Preis von einer Million Reichsmark. Nach der Fertigstellung 1930 zogen hier Geschäftsleitung, Redaktionen und Anzeigenabteilung ein.

Im alten Gebäudeteil und auf dem Hof war so wieder mehr Platz für die technischen Anlagen der Faber‘schen Druckerei.