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Templer Geschichtsstunde im Rittersaal

Stadtgeschichte pur gibt es im Stendaler Tor. Auch, weil hier die Haldensleber Tempelritter residieren. Sie gaben jetzt einen Einblick.

18.03.2016, 23:01

Haldensleben l Gespannt verfolgten die Männer, Frauen und auch ein Kind im Rittersaal, was Tempelritter Fokko Seeger aus der Geschichte der Templer berichtete. Sie saßen um den großen Tisch herum, den die Männer aus stabilen alten Turnbänken und einer Eichenbohle gebaut hatten, und zwar hier im Rittersaal. Über die schmale Treppe ließen sich nur die Einzelteile in den Turm tragen.

Seit 2008 haben die Mitglieder des Fördervereins Wichmannsburg und Umgebung den Stadtturm Stück für Stück für sich zurechtgemacht. „Was hier liegt, ist alles echt, sogar die Ritter sind echt“, versicherte Vereinsvorsitzender Fokko Seeger schmunzelnd, als er die Waffen und Rüstung der Templer erklärte. Der siebenjährige Thorben interessierte sich besonders für die Schwerter und war ganz stolz, als er ein Einhänder- und Zweihänderschwert mal in die Hand nehmen durfte. Schaukämpfe sind in der Enge des Turms allerdings nicht möglich. Die werden im Freien gezeigt. Jeden Dienstagabend trainieren die Ritter dafür, wenn auch ganz unstandesgemäß in einer Turnhalle.

Ein Ritter zu Pferd habe damals gut 25 bis 30 Kilogramm Ausrüstung tragen müssen, erzählt Fokko Seeger. „Die waren das einfach gewöhnt, die konnten damit laufen“, erklärte er. Der Helm wiegt etwa 5 Kilogramm, die Haube darunter 3 Kilogramm, das Kettenhemd 16 Kilogramm, die Kettenbeine je 5 Kilogramm, zählte er auf. Thorben durfte den schweren Topfhelm aufsetzen. „Das war ein Kriegshelm“, erläuterte der Templer. Der Ritter konnte lediglich durch einen schmalen Schlitz etwas sehen. Die Haube darunter verschloss auch den Mund. „Als Schutz vorm Sandsturm“, machte Fokko Seeger deutlich. Die Tempelritter seien schließlich in Palästina gegründet worden. Sie wohnten auf dem Tempelberg, nannten sich die Brüder vom Tempel zu Jerusalem.

Ursprünglich sahen sie ihre Aufgabe darin, Pilger zu schützen. Der Orden wuchs stetig und erwarb auch Reichtum. Schließlich kamen die Ordensritter auch nach Europa. Schwerpunkt sei Frankreich gewesen, machte Ritter Fokko an der Übersichtskarte an einer Wand im Rittersaal deutlich. Darauf war Europa zu sehen, und viele kleine rote Punkte zeigten auf, wo es Komtureien gegeben habe.

Am Standort Haldensleben steckte ein kleines Symbol. 1223 erhielten die Tempelritter die Burg Wichmannsdorf als Geschenk.

Haldensleben habe zu Heinrich dem Löwen gehört wie übrigens München auch. „Aus der Zeit stammen auch die Stadtfarben blau-gelb“, erzählte der Vereinsvorsitzende. Unter Heinrich dem Löwen wurde Haldensleben zu einer festen Stadt aufgebaut, die sich dem Erzbischof Wichmann von Magdeburg nicht ergab. Wichmann hatte mehrfach versucht, Haldensleben zu erobern.

Als jedoch Heinrich der Löwe 1180 mit dem Bann belegt wurde, weil er sich mehrmals weigerte, auf den Reichstagen von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zu erscheinen, wo über ihn Gericht gehalten werden sollte, holte Wichmann zum großen Schlag aus. Nach dreimonatiger Belagerung wurde die Stadt Haldensleben unter Wasser gesetzt. Dazu hatte Wichmann die Ohre und Bever aufstauen lassen. Die Haldensleber mussten ihre vollständig zerstörte Stadt verlassen. Sie siedelten an anderen Orten wie Niendorf in der Nähe. 1223 begann der Wiederaufbau der Stadt. „Die Templer wurden beauftragt, Haldensleben mit aufzubauen“, erzählte Fokko Seeger. Damals sei auch der Grundstein für das bekannte Templerhaus an der Magdeburger Straße gelegt worden, das war der Stadthof der Templer, das erste Finanzamt von Haldensleben. Grundmauern auf dem Hof des Hauses stammen nachweislich aus dem frühen 13. Jahrhundert.

Die unterhaltsame Geschichtsstunde wurde gern angenommen. So viel Besucher wie an diesem Tag hatten die Templer im Turm noch gar nicht, bestätigten die Männer, die an diesem Tag den Verein vertraten.

Schon zehn Minuten vor der Öffnung des Turms standen die Ersten vor der Tür. „Viele waren auch neugierig, wie es hier im Turm aussieht“, meinte Tino Schmidt. Andere wollten wissen, wieviel hier investiert wäre und schauten etwas ungläubig, als die Männer sagten, das Inventar sei alles selbst bezahlt. Auch zu den Tempelrittern gab es viele Fragen.

Die Vereinsmitglieder wollen ihr Geschichtswissen noch zu anderen Terminen weitergeben und so auch das Jubiläumsjahr in Haldensleben mitgestalten.

Im vergangenen Jahr hatten sie Schulen im Landkreis angeschrieben und ihre Unterstützung bei der Behandlung des Mittelalters angeboten. Sie würden auch zu Vorträgen in die Schulen kommen. Ein Echo gab es auf dieses Angebot zur Bereicherung des Geschichtsunterrichts bisher nicht. Das bedauern die Ritter, denn sie würden gern mehr Kinder und junge Leute anschaulich mit dieser Zeit vertraut machen.