"110 Regeln des Anstands" Ein amerikanischer Knigge von George Washington
Wie sollten sich die Menschen benehmen, um das Zusammenleben möglichst gut zu gestalten. Dazu gibt es viele Vorschläge - sogar von einem ehemaligen US-Präsidenten.
Berlin (dpa) - "Jede Handlung, die man in Gesellschaft unternimmt, sollte Respekt vor den Anwesenden zeigen." Mit dieser Maxime beginnt ein kleines Büchlein, das interessante Einblicke in die amerikanische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts erlaubt.
Der Titel ist ziemlich umständlich, wenn auch typisch für die Zeit seiner Entstehung: "110 Regeln des Anstands und gegenseitigen Respekts in Gesellschaft und im Gespräch". Der Name des Verfassers ist dafür umso bekannter: George Washington.
Washington (1732-1799) war ein Mann mit vielen Talenten. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern erwarb er als erster Präsident der USA. Aber er war auch Parlamentarier und Armeeführer im Unabhängigkeitskrieg. Außerdem war er Großgrundbesitzer und gehörte als solcher zur gesellschaftlichen Elite Nordamerikas im späten 18. Jahrhundert.
Er besaß also gute Voraussetzungen, um in der Kolonialgesellschaft erfolgreich zu sein. Washington wusste aber offenbar auch, dass es keine Erfolgsgarantie für ihn gab. Um in der Gesellschaft aufzusteigen, musste er sich erst einmal in sie hineinfinden.
Ein Hinweis darauf, welche Regeln es bei so einem Unterfangen zu beachten galt, fand sich in George Washingtons hinterlassenen Papieren, die im Jahr 1888 veröffentlicht wurden. Washington war ungefähr 14 Jahre alt, als er diese Benimmregeln aufschrieb. Der Jugendliche hatte sich diese Maximen nicht ausgedacht, er schrieb lediglich ältere Quellen ab. Aber sie waren für ihn wichtig.
Welche Ratschläge nahm sich der junge Washington für den gesellschaftlichen Aufstieg vor? Insgesamt fallen sie in zwei große Kategorien: Es gibt Benimmregeln, und es gibt innere Haltungen, die ans Herz gelegt werden. Die Benimmregeln wirken heute, 250 Jahre nachdem Washington sie aufschrieb, oft veraltet und belustigend. Da geht es um Tischmanieren und allgemeines Verhalten in der Öffentlichkeit.
Weitaus wichtiger sind die zeitlosen moralischen Ermahnungen: "Sag nichts Schlechtes über Abwesende, das ist nicht gerecht" und "Glaub nicht zu rasch Gerüchte, die andere herabsetzen". Hier wird ganz deutlich, dass die Regeln neben gutem Benehmen vor allem Charakterbildung bewirken sollten.
In seinem Vorwort zieht Moritz Freiherr Knigge, dessen Vorfahr zu Washingtons Lebenszeit seine berühmte Sammlung "Über den Umgang mit Menschen" veröffentlichte, eine Verbindung von George Washington zum aktuellen Präsidenten: "Klar ist, dass Donald Trump auf bestem Wege ist, im Rekordtempo gegen alle 110 Regeln Washingtons zu verstoßen."
Bei allen amüsanten Benimmregeln, die der historischen Situation zuzuschreiben sind, ist die Regelsammlung in ihrem Kern erstaunlich modern. Das zeigt neben der ersten besonders die letzte Regel: "Arbeite daran, in deiner Brust den kleinen Funken himmlischen Feuers zu erhalten, den man Gewissen nennt."
- George Washington: 110 Regeln des Anstands und gegenseitigen Respekts in Gesellschaft und im Gespräch. Mit einem Vorwort von Moritz Freiherr Knigge. dtv Verlag, München, 59 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-423-28989-4.